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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 6. Berlin, Wien, 1914.

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Vorliegen einer solchen Handlung ist dabei für das Zivilgericht nicht bindend (Art. 6).

2. Träger der H. ist der "Inhaber der Bahnunternehmung" d. h. die Person, auf deren Rechnung und Gefahr der Betrieb er folgt (Art. 1). Dies ist insbesondere bei Beteiligung verschiedener Bahnen an einem Unfall wichtig. Für das Verhältnis der haftpflichtigen Bahn zu anderen Ersatzpflichtigen gelten die allgemeinen Grundsätze. (S. H. der Eisenbahnen.) Ein Regreßrecht der Bahn gegen alle Personen, die durch ihr Verschulden den Unfall verursacht haben, ist ausdrücklich im Art. 18 EHPG. vorbehalten.

Für die Anrechnung von Versicherungssummen bestehen folgende Sonderbestimmungen:

War der Verletzte in der Weise gegen Unfall versichert, daß der haftpflichtige Unternehmer sich an der Zahlung der Prämien oder Beiträge beteiligt hat, so können nach richterlichem Ermessen die Versicherungsleistungen zu dem Bruchteile, zu dem die Bahn beigetragen hat, von der Schadenersatzsumme abgezogen werden. Sind Angestellte oder Arbeiter der Bahn verletzt, so findet dieser Abzug nur statt, wenn die Versicherung für alle in dem Bahnunternehmen etwa vorkommenden Bau- oder Betriebsunfälle genommen war (Art. 14).

3. Der Kreis der Ersatzberechtigten und der Umfang ihrer Ansprüche ist im EHPG. im allgemeinen ebenso geregelt wie in den oben zu I, 3 besprochenen Grundsätzen des Obligationenrechts. Abweichungen bestehen in zweifacher Hinsicht: a) Die Entschädigung für erlittene Unbill kann nur dann zugesprochen werden, wenn den Unternehmer, sein Personal oder die nur vorübergehend beim Betrieb oder Bau beschäftigten Personen ein Verschulden (namentlich Arglist oder grobe Fahrlässigkeit) trifft; b) ferner kann der Richter dem Verletzten bei einer Verstümmelung oder Entstellung, durch die sein Fort kommen geschädigt wird, auch Ersatz des dadurch erlittenen Vermögensschadens zuerkennen (Art. 2, 3, 8).

Der Richter kann die hiernach zu zahlenden Entschädigungen nach billigem Ermessen ermäßigen, wenn der Getötete oder Verletzte einen ungewöhnlich hohen Erwerb hatte, dann, wenn ihm mitwirkendes (aber nicht überwiegendes) Verschulden zur Last fällt und wenn er sich durch wissentliche Übertretung polizeilicher Vorschriften mit der Eisenbahn in Berührung gebracht hat; im letzten Fall kann das Gericht sogar ganz von der Ersatzpflicht entbinden (Art. 4, 5, 7).

Bei der Bestimmung der Art des Schadenersatzes hat der Richter nach dem Gesetz freie, auch durch die Anträge der Parteien nicht gebundene Wahl zwischen Rentenzahlung, Kapitalsabfindung und Kapitalsabfindung verbunden mit Rentenzahlung. Falls er auf Rentenzahlung erkennt, hat er gegebenenfalls auch die erforderlichen Anordnungen für die Sicherstellung der Rente zu treffen (Art. 9). Die Praxis hat hierbei folgende Grundsätze entwickelt: Der Ersatz für bereits erwachsene Kosten wird stets in Kapital geleistet, ebenso eine Genugtuung für immateriellen Schaden. Dagegen wird die Entschädigung für künftige Kosten sowie für den Einnahmeausfall in der Regel als Rente zugesprochen; sie ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (des bisherigen Verdienstes, der Aussicht auf künftige Steigerung oder Minderung, der mutmaßlichen Lebensdauer des Verletzten nach den auf Grund der Erfahrung aufgestellten Mortalitätstabellen, des prozentual bestimmten Grads der Arbeitsunfähigkeit) zu berechnen. Nur in Ausnahmefällen, wo ein besonderes Bedürfnis des Berechtigten es rechtfertigt und Garantien für verständige Verwendung bestehen, wird auf gänzliche oder teilweise Kapitalsabfindung erkannt; übrigens berechnet die Praxis auch in diesem Fall zunächst die erforderliche Rente und bestimmt dann die Abfindungssumme, indem sie von dem kapitalisierten Wert der Rente 20% wegen der Vorteile der Barzahlung abzieht.

4. Die Haftpflichtansprüche verjähren in zwei Jahren vom Tage des Unfalls an (Art. 14).

5. Einzelheiten:

a) die gesetzliche H. kann weder durch einseitige Erklärungen noch durch vertragliche Abmachungen im voraus ausgeschlossen oder eingeschränkt werden; entgegenstehende Rechtsgeschäfte sind ohne rechtliche Wirkung. Nach dem Unfall können solche Verträge rechtswirksam geschlossen werden; sie können jedoch (außer wegen der all gemeinen Anfechtungsgründe) auch wegen offen barer Unzulänglichkeit der dem Berechtigten zu gesicherten Entschädigung angefochten werden (Art. 16 u. 17).

b) Die Ansprüche der Angestellten und Arbeiter, aus dem EHPG. sind weder pfändbar noch rechts geschäftlich übertragbar (Art. 15 EHPG. und Art. 92 des Schuldbeitreibungsgesetzes).

c) Prozessualisches, a) Für die Rektifikationsklage gilt das unter I, 5 a (S. 65) Gesagte (Art. 10).

b) Für die H.-Klagen besteht ein Gerichtsstand zunächst an dem ordentlichen Domizil der Bahn, das sich aus deren Konzessionsurkunde ergibt, außerdem an den Hauptorten aller von der Bahn berührten Kantone (Art. 19).

g) Für die H.-Klagen gilt (ohne Rücksicht auf die Beweisregeln der kantonalen Prozeßgesetze) der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (Art. 20).

d) Auf Grund des Art. 22 EHPG. ist in allen Kantonen für die H.-Klage die Zulässigkeit des I Armenrechts bei Bedürftigkeit in nicht ganz aussichtslosen

Vorliegen einer solchen Handlung ist dabei für das Zivilgericht nicht bindend (Art. 6).

2. Träger der H. ist der „Inhaber der Bahnunternehmung“ d. h. die Person, auf deren Rechnung und Gefahr der Betrieb er folgt (Art. 1). Dies ist insbesondere bei Beteiligung verschiedener Bahnen an einem Unfall wichtig. Für das Verhältnis der haftpflichtigen Bahn zu anderen Ersatzpflichtigen gelten die allgemeinen Grundsätze. (S. H. der Eisenbahnen.) Ein Regreßrecht der Bahn gegen alle Personen, die durch ihr Verschulden den Unfall verursacht haben, ist ausdrücklich im Art. 18 EHPG. vorbehalten.

Für die Anrechnung von Versicherungssummen bestehen folgende Sonderbestimmungen:

War der Verletzte in der Weise gegen Unfall versichert, daß der haftpflichtige Unternehmer sich an der Zahlung der Prämien oder Beiträge beteiligt hat, so können nach richterlichem Ermessen die Versicherungsleistungen zu dem Bruchteile, zu dem die Bahn beigetragen hat, von der Schadenersatzsumme abgezogen werden. Sind Angestellte oder Arbeiter der Bahn verletzt, so findet dieser Abzug nur statt, wenn die Versicherung für alle in dem Bahnunternehmen etwa vorkommenden Bau- oder Betriebsunfälle genommen war (Art. 14).

3. Der Kreis der Ersatzberechtigten und der Umfang ihrer Ansprüche ist im EHPG. im allgemeinen ebenso geregelt wie in den oben zu I, 3 besprochenen Grundsätzen des Obligationenrechts. Abweichungen bestehen in zweifacher Hinsicht: a) Die Entschädigung für erlittene Unbill kann nur dann zugesprochen werden, wenn den Unternehmer, sein Personal oder die nur vorübergehend beim Betrieb oder Bau beschäftigten Personen ein Verschulden (namentlich Arglist oder grobe Fahrlässigkeit) trifft; b) ferner kann der Richter dem Verletzten bei einer Verstümmelung oder Entstellung, durch die sein Fort kommen geschädigt wird, auch Ersatz des dadurch erlittenen Vermögensschadens zuerkennen (Art. 2, 3, 8).

Der Richter kann die hiernach zu zahlenden Entschädigungen nach billigem Ermessen ermäßigen, wenn der Getötete oder Verletzte einen ungewöhnlich hohen Erwerb hatte, dann, wenn ihm mitwirkendes (aber nicht überwiegendes) Verschulden zur Last fällt und wenn er sich durch wissentliche Übertretung polizeilicher Vorschriften mit der Eisenbahn in Berührung gebracht hat; im letzten Fall kann das Gericht sogar ganz von der Ersatzpflicht entbinden (Art. 4, 5, 7).

Bei der Bestimmung der Art des Schadenersatzes hat der Richter nach dem Gesetz freie, auch durch die Anträge der Parteien nicht gebundene Wahl zwischen Rentenzahlung, Kapitalsabfindung und Kapitalsabfindung verbunden mit Rentenzahlung. Falls er auf Rentenzahlung erkennt, hat er gegebenenfalls auch die erforderlichen Anordnungen für die Sicherstellung der Rente zu treffen (Art. 9). Die Praxis hat hierbei folgende Grundsätze entwickelt: Der Ersatz für bereits erwachsene Kosten wird stets in Kapital geleistet, ebenso eine Genugtuung für immateriellen Schaden. Dagegen wird die Entschädigung für künftige Kosten sowie für den Einnahmeausfall in der Regel als Rente zugesprochen; sie ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (des bisherigen Verdienstes, der Aussicht auf künftige Steigerung oder Minderung, der mutmaßlichen Lebensdauer des Verletzten nach den auf Grund der Erfahrung aufgestellten Mortalitätstabellen, des prozentual bestimmten Grads der Arbeitsunfähigkeit) zu berechnen. Nur in Ausnahmefällen, wo ein besonderes Bedürfnis des Berechtigten es rechtfertigt und Garantien für verständige Verwendung bestehen, wird auf gänzliche oder teilweise Kapitalsabfindung erkannt; übrigens berechnet die Praxis auch in diesem Fall zunächst die erforderliche Rente und bestimmt dann die Abfindungssumme, indem sie von dem kapitalisierten Wert der Rente 20% wegen der Vorteile der Barzahlung abzieht.

4. Die Haftpflichtansprüche verjähren in zwei Jahren vom Tage des Unfalls an (Art. 14).

5. Einzelheiten:

a) die gesetzliche H. kann weder durch einseitige Erklärungen noch durch vertragliche Abmachungen im voraus ausgeschlossen oder eingeschränkt werden; entgegenstehende Rechtsgeschäfte sind ohne rechtliche Wirkung. Nach dem Unfall können solche Verträge rechtswirksam geschlossen werden; sie können jedoch (außer wegen der all gemeinen Anfechtungsgründe) auch wegen offen barer Unzulänglichkeit der dem Berechtigten zu gesicherten Entschädigung angefochten werden (Art. 16 u. 17).

b) Die Ansprüche der Angestellten und Arbeiter, aus dem EHPG. sind weder pfändbar noch rechts geschäftlich übertragbar (Art. 15 EHPG. und Art. 92 des Schuldbeitreibungsgesetzes).

c) Prozessualisches, α) Für die Rektifikationsklage gilt das unter I, 5 a (S. 65) Gesagte (Art. 10).

β) Für die H.-Klagen besteht ein Gerichtsstand zunächst an dem ordentlichen Domizil der Bahn, das sich aus deren Konzessionsurkunde ergibt, außerdem an den Hauptorten aller von der Bahn berührten Kantone (Art. 19).

γ) Für die H.-Klagen gilt (ohne Rücksicht auf die Beweisregeln der kantonalen Prozeßgesetze) der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (Art. 20).

δ) Auf Grund des Art. 22 EHPG. ist in allen Kantonen für die H.-Klage die Zulässigkeit des I Armenrechts bei Bedürftigkeit in nicht ganz aussichtslosen

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[66/0077] Vorliegen einer solchen Handlung ist dabei für das Zivilgericht nicht bindend (Art. 6). 2. Träger der H. ist der „Inhaber der Bahnunternehmung“ d. h. die Person, auf deren Rechnung und Gefahr der Betrieb er folgt (Art. 1). Dies ist insbesondere bei Beteiligung verschiedener Bahnen an einem Unfall wichtig. Für das Verhältnis der haftpflichtigen Bahn zu anderen Ersatzpflichtigen gelten die allgemeinen Grundsätze. (S. H. der Eisenbahnen.) Ein Regreßrecht der Bahn gegen alle Personen, die durch ihr Verschulden den Unfall verursacht haben, ist ausdrücklich im Art. 18 EHPG. vorbehalten. Für die Anrechnung von Versicherungssummen bestehen folgende Sonderbestimmungen: War der Verletzte in der Weise gegen Unfall versichert, daß der haftpflichtige Unternehmer sich an der Zahlung der Prämien oder Beiträge beteiligt hat, so können nach richterlichem Ermessen die Versicherungsleistungen zu dem Bruchteile, zu dem die Bahn beigetragen hat, von der Schadenersatzsumme abgezogen werden. Sind Angestellte oder Arbeiter der Bahn verletzt, so findet dieser Abzug nur statt, wenn die Versicherung für alle in dem Bahnunternehmen etwa vorkommenden Bau- oder Betriebsunfälle genommen war (Art. 14). 3. Der Kreis der Ersatzberechtigten und der Umfang ihrer Ansprüche ist im EHPG. im allgemeinen ebenso geregelt wie in den oben zu I, 3 besprochenen Grundsätzen des Obligationenrechts. Abweichungen bestehen in zweifacher Hinsicht: a) Die Entschädigung für erlittene Unbill kann nur dann zugesprochen werden, wenn den Unternehmer, sein Personal oder die nur vorübergehend beim Betrieb oder Bau beschäftigten Personen ein Verschulden (namentlich Arglist oder grobe Fahrlässigkeit) trifft; b) ferner kann der Richter dem Verletzten bei einer Verstümmelung oder Entstellung, durch die sein Fort kommen geschädigt wird, auch Ersatz des dadurch erlittenen Vermögensschadens zuerkennen (Art. 2, 3, 8). Der Richter kann die hiernach zu zahlenden Entschädigungen nach billigem Ermessen ermäßigen, wenn der Getötete oder Verletzte einen ungewöhnlich hohen Erwerb hatte, dann, wenn ihm mitwirkendes (aber nicht überwiegendes) Verschulden zur Last fällt und wenn er sich durch wissentliche Übertretung polizeilicher Vorschriften mit der Eisenbahn in Berührung gebracht hat; im letzten Fall kann das Gericht sogar ganz von der Ersatzpflicht entbinden (Art. 4, 5, 7). Bei der Bestimmung der Art des Schadenersatzes hat der Richter nach dem Gesetz freie, auch durch die Anträge der Parteien nicht gebundene Wahl zwischen Rentenzahlung, Kapitalsabfindung und Kapitalsabfindung verbunden mit Rentenzahlung. Falls er auf Rentenzahlung erkennt, hat er gegebenenfalls auch die erforderlichen Anordnungen für die Sicherstellung der Rente zu treffen (Art. 9). Die Praxis hat hierbei folgende Grundsätze entwickelt: Der Ersatz für bereits erwachsene Kosten wird stets in Kapital geleistet, ebenso eine Genugtuung für immateriellen Schaden. Dagegen wird die Entschädigung für künftige Kosten sowie für den Einnahmeausfall in der Regel als Rente zugesprochen; sie ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (des bisherigen Verdienstes, der Aussicht auf künftige Steigerung oder Minderung, der mutmaßlichen Lebensdauer des Verletzten nach den auf Grund der Erfahrung aufgestellten Mortalitätstabellen, des prozentual bestimmten Grads der Arbeitsunfähigkeit) zu berechnen. Nur in Ausnahmefällen, wo ein besonderes Bedürfnis des Berechtigten es rechtfertigt und Garantien für verständige Verwendung bestehen, wird auf gänzliche oder teilweise Kapitalsabfindung erkannt; übrigens berechnet die Praxis auch in diesem Fall zunächst die erforderliche Rente und bestimmt dann die Abfindungssumme, indem sie von dem kapitalisierten Wert der Rente 20% wegen der Vorteile der Barzahlung abzieht. 4. Die Haftpflichtansprüche verjähren in zwei Jahren vom Tage des Unfalls an (Art. 14). 5. Einzelheiten: a) die gesetzliche H. kann weder durch einseitige Erklärungen noch durch vertragliche Abmachungen im voraus ausgeschlossen oder eingeschränkt werden; entgegenstehende Rechtsgeschäfte sind ohne rechtliche Wirkung. Nach dem Unfall können solche Verträge rechtswirksam geschlossen werden; sie können jedoch (außer wegen der all gemeinen Anfechtungsgründe) auch wegen offen barer Unzulänglichkeit der dem Berechtigten zu gesicherten Entschädigung angefochten werden (Art. 16 u. 17). b) Die Ansprüche der Angestellten und Arbeiter, aus dem EHPG. sind weder pfändbar noch rechts geschäftlich übertragbar (Art. 15 EHPG. und Art. 92 des Schuldbeitreibungsgesetzes). c) Prozessualisches, α) Für die Rektifikationsklage gilt das unter I, 5 a (S. 65) Gesagte (Art. 10). β) Für die H.-Klagen besteht ein Gerichtsstand zunächst an dem ordentlichen Domizil der Bahn, das sich aus deren Konzessionsurkunde ergibt, außerdem an den Hauptorten aller von der Bahn berührten Kantone (Art. 19). γ) Für die H.-Klagen gilt (ohne Rücksicht auf die Beweisregeln der kantonalen Prozeßgesetze) der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (Art. 20). δ) Auf Grund des Art. 22 EHPG. ist in allen Kantonen für die H.-Klage die Zulässigkeit des I Armenrechts bei Bedürftigkeit in nicht ganz aussichtslosen

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 6. Berlin, Wien, 1914, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen06_1914/77>, abgerufen am 21.11.2024.