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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 8. Berlin, Wien, 1917.

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aus; neue Männer nahmen an der Verwaltung der Bahngesellschaften teil, und es folgte eine Periode gedeihlicher Arbeit.

Am 1. Juni 1882 konnte die Gotthardbahn dem Betrieb übergeben werden. Die Betriebsergebnisse überstiegen die durch die Krise stark herabgesetzten Erwartungen, die beiden größeren Netze der Zentralbahn und Nordostbahn erfuhren hierdurch ebenfalls günstige Rückwirkungen in ihrer Verkehrsbewegung. Ähnliches war bei den Vereinigten Schweizer Bahnen der Fall nach der im September 1884 erfolgten Eröffnung der Arlbergbahn.

Mit der eingetretenen Beruhigung erwachten indessen fortwährend neue Anforderungen an das Eisenbahnwesen des Landes.

Am 21. Dezember 1883 erließ die Bundesversammlung das Gesetz über das Rechnungswesen der Eisenbahngesellschaften. Auf Grund dieses Gesetzes wurden die Baurechnungen mit jeder einzelnen Verwaltung bereinigt und damit ein langjähriger Wunsch der eidgenössischen Räte erfüllt.

Von weitgehender Tragweite war das Bundesgesetz vom 6. November 1890 über die Arbeitszeit beim Betrieb der Eisenbahnen.

Neue Anforderungen wurden sodann an die Bautätigkeit der Bahnen gestellt. Vor allem wurden die, denen Bauverpflichtungen oblagen, angehalten, zu deren Ausführung zu schreiten. Der Gotthardbahn wurde der Bau zweiter Gleise auf verschiedenen Strecken aufgetragen.

Auch die Nordostbahn hielt der Bund für genügend gekräftigt, um den Bau der Moratoriumslinien, als: rechtsuferige Zürichseebahn, Koblenz-Stein, Etzweilen-Schaffhausen, Dielsdorf-Niederweningen und Bülach-Schaffhausen, wieder aufzunehmen. Daneben entstanden eine Reihe selbständiger neuer Bahnunternehmungen, wie die Brünigbahn (s. d.), die Berner Oberland-Bahnen (s. d.), die Thunerseebahn von Scherzligen bis Därligen und eine Reihe von Bergbahnen, wie die Generosobahn (s. d.) und die Brienz-Rothorn-, Wengernalp-, Mürren-, Schynige Platte-, Visp-Zermatt-Bahn, endlich eine Anzahl Kleinbahnen im Neuenburger Jura. Namentlich das Berner Oberland ist durch die neuen Bahnen sowohl von Luzern als von Bern her in seinen schönsten Tälern besser zugänglich gemacht worden.

Neben den Anforderungen zum Bau neuer Linien gingen solche zum Ausbau der bestehenden von bedeutender Tragweite einher. Als solche sind die Umbauten der Bahnhöfe Bern, im Jahre 1891 vollendet, Luzern, im Jahre 1896 vollendet, Basel, von den Bundesbahnen 1908 vollendet, hervorzuheben. Ferner machte die gesetzliche Einstellung des Güterdienstes an Sonntagen eine erhebliche Vermehrung von Lokomotiven und Güterwagen erforderlich.

Auch unter der Herrschaft des zweiten Eisenbahngesetzes traten die Bahnrückkaufsbestrebungen wieder hervor, die indessen damals zu keinem Erfolg führten.

In der Junisitzung des Jahres 1877 des schweizerischen Nationalrats stellte Stämpfli namens einer Minderheit der Kommission zur Prüfung des bundesrätlichen Geschäftsberichts den Antrag auf eine parlamentarische Untersuchung der Eisenbahnverhältnisse, da bei der damaligen stark bedrängten Finanzlage der Bahngesellschaften der Rückkauf einzelner Teile des schweizerischen Netzes im öffentlichen Interesse liege. Der Antrag wurde wohl zumeist aus grundsätzlichen, jedoch auch aus finanziellen Bedenken mit 80 gegen 42 Stimmen abgelehnt. - Im Jahre 1883 wurden konzessionsgemäß 1598 km Bahnen zum Rückkauf auf das Jahr 1888 kündbar, darunter die Stammnetze der Zentralbahn und Nordostbahn, somit die besten Linien des schweizerischen Netzes. Der schweizerische Bundesrat empfahl den eidgenössischen Räten, auf den konzessionsgemäßen Rückkauf zurzeit nicht einzugehen, da die finanziellen Ergebnisse für den Bund zu unsicher seien. Er beantragte jedoch, zur Beseitigung der finanziellen Unklarheiten, das bereits erwähnte Rechnungsgesetz zu erlassen. Dagegen schlug die Mehrheit der nationalrätlichen Kommission die Kündigung der Konzessionen und den Rückkauf der Zentralbahn, Bötzbergbahn, Baseler Verbindungsbahn sowie der aargauischen Südbahn vor. Der Nationalrat lehnte diesen Antrag mit 67 gegen 59 Stimmen ab, nachdem der Ständerat vorher einstimmig dem Antrag des Bundesrats zugestimmt hatte. Wenn der Bundesrat hiernach den konzessionsgemäßen Rückkauf nicht als rätlich betrachtete, so nahm er dagegen den Gedanken des Erwerbs der Bahnen auf dem Weg der Verständigung auf. Den Anlaß hierzu glaubte er gekommen, als er darüber zu entscheiden hatte, ob die Nordostbahn zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen zum Bau der Moratoriumslinien genügend erstarkt sei. Er glaubte, daß diese Angelegenheit nur dann in einer den allgemeinen Landesinteressen entsprechenden Art und Weise geordnet werden könne, wenn der Bund die Nordostbahn erwerbe, und eröffnete der Gesellschaft am 2. Oktober 1886 diese Absicht. Der Versuch einer Verständigung mit den Moratoriumsbeteiligten war erfolglos und die Verhandlungen mit der Nordostbahn wurden erst im Dezember 1887 wieder aufgenommen, nachdem ein Aktionär dem Bundesrat eine bedeutende Anzahl von Nordostbahnaktien zum Paripreis zum Kauf angetragen hatte. Der hierauf entworfene Kaufvertrag wurde zwar am 25. Februar 1888 von der Generalversammlung genehmigt, von dem Bundesrat aber abgelehnt, da für ihn eine mit den Moratoriumslinien zusammenhängende Bedingung unannehmbar war. Ein anderer Weg zur Vorbereitung der Verstaatlichung eröffnete sich bei der Verschmelzung der beiden westschweizerischen Netze zur Jura-Simplon-Bahn (s. d.), die im Zusammenhang stand mit der Frage des Baues der Simplonbahn. Von dem neuen Unternehmen besaßen die beteiligten Kantone 77.000 Aktien, der Bund erwarb davon 30.000 Stück, die dem Kanton Bern gehört hatten. Er sicherte sich damit eine Vertretung in der Generalversammlung, und damit zugleich auch einen Einfluß auf die Verwaltung des ganzen Unternehmens sowie die Möglichkeit des freihändigen Ankaufs. Ein Referendumsantrag

aus; neue Männer nahmen an der Verwaltung der Bahngesellschaften teil, und es folgte eine Periode gedeihlicher Arbeit.

Am 1. Juni 1882 konnte die Gotthardbahn dem Betrieb übergeben werden. Die Betriebsergebnisse überstiegen die durch die Krise stark herabgesetzten Erwartungen, die beiden größeren Netze der Zentralbahn und Nordostbahn erfuhren hierdurch ebenfalls günstige Rückwirkungen in ihrer Verkehrsbewegung. Ähnliches war bei den Vereinigten Schweizer Bahnen der Fall nach der im September 1884 erfolgten Eröffnung der Arlbergbahn.

Mit der eingetretenen Beruhigung erwachten indessen fortwährend neue Anforderungen an das Eisenbahnwesen des Landes.

Am 21. Dezember 1883 erließ die Bundesversammlung das Gesetz über das Rechnungswesen der Eisenbahngesellschaften. Auf Grund dieses Gesetzes wurden die Baurechnungen mit jeder einzelnen Verwaltung bereinigt und damit ein langjähriger Wunsch der eidgenössischen Räte erfüllt.

Von weitgehender Tragweite war das Bundesgesetz vom 6. November 1890 über die Arbeitszeit beim Betrieb der Eisenbahnen.

Neue Anforderungen wurden sodann an die Bautätigkeit der Bahnen gestellt. Vor allem wurden die, denen Bauverpflichtungen oblagen, angehalten, zu deren Ausführung zu schreiten. Der Gotthardbahn wurde der Bau zweiter Gleise auf verschiedenen Strecken aufgetragen.

Auch die Nordostbahn hielt der Bund für genügend gekräftigt, um den Bau der Moratoriumslinien, als: rechtsuferige Zürichseebahn, Koblenz-Stein, Etzweilen-Schaffhausen, Dielsdorf-Niederweningen und Bülach-Schaffhausen, wieder aufzunehmen. Daneben entstanden eine Reihe selbständiger neuer Bahnunternehmungen, wie die Brünigbahn (s. d.), die Berner Oberland-Bahnen (s. d.), die Thunerseebahn von Scherzligen bis Därligen und eine Reihe von Bergbahnen, wie die Generosobahn (s. d.) und die Brienz-Rothorn-, Wengernalp-, Mürren-, Schynige Platte-, Visp-Zermatt-Bahn, endlich eine Anzahl Kleinbahnen im Neuenburger Jura. Namentlich das Berner Oberland ist durch die neuen Bahnen sowohl von Luzern als von Bern her in seinen schönsten Tälern besser zugänglich gemacht worden.

Neben den Anforderungen zum Bau neuer Linien gingen solche zum Ausbau der bestehenden von bedeutender Tragweite einher. Als solche sind die Umbauten der Bahnhöfe Bern, im Jahre 1891 vollendet, Luzern, im Jahre 1896 vollendet, Basel, von den Bundesbahnen 1908 vollendet, hervorzuheben. Ferner machte die gesetzliche Einstellung des Güterdienstes an Sonntagen eine erhebliche Vermehrung von Lokomotiven und Güterwagen erforderlich.

Auch unter der Herrschaft des zweiten Eisenbahngesetzes traten die Bahnrückkaufsbestrebungen wieder hervor, die indessen damals zu keinem Erfolg führten.

In der Junisitzung des Jahres 1877 des schweizerischen Nationalrats stellte Stämpfli namens einer Minderheit der Kommission zur Prüfung des bundesrätlichen Geschäftsberichts den Antrag auf eine parlamentarische Untersuchung der Eisenbahnverhältnisse, da bei der damaligen stark bedrängten Finanzlage der Bahngesellschaften der Rückkauf einzelner Teile des schweizerischen Netzes im öffentlichen Interesse liege. Der Antrag wurde wohl zumeist aus grundsätzlichen, jedoch auch aus finanziellen Bedenken mit 80 gegen 42 Stimmen abgelehnt. – Im Jahre 1883 wurden konzessionsgemäß 1598 km Bahnen zum Rückkauf auf das Jahr 1888 kündbar, darunter die Stammnetze der Zentralbahn und Nordostbahn, somit die besten Linien des schweizerischen Netzes. Der schweizerische Bundesrat empfahl den eidgenössischen Räten, auf den konzessionsgemäßen Rückkauf zurzeit nicht einzugehen, da die finanziellen Ergebnisse für den Bund zu unsicher seien. Er beantragte jedoch, zur Beseitigung der finanziellen Unklarheiten, das bereits erwähnte Rechnungsgesetz zu erlassen. Dagegen schlug die Mehrheit der nationalrätlichen Kommission die Kündigung der Konzessionen und den Rückkauf der Zentralbahn, Bötzbergbahn, Baseler Verbindungsbahn sowie der aargauischen Südbahn vor. Der Nationalrat lehnte diesen Antrag mit 67 gegen 59 Stimmen ab, nachdem der Ständerat vorher einstimmig dem Antrag des Bundesrats zugestimmt hatte. Wenn der Bundesrat hiernach den konzessionsgemäßen Rückkauf nicht als rätlich betrachtete, so nahm er dagegen den Gedanken des Erwerbs der Bahnen auf dem Weg der Verständigung auf. Den Anlaß hierzu glaubte er gekommen, als er darüber zu entscheiden hatte, ob die Nordostbahn zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen zum Bau der Moratoriumslinien genügend erstarkt sei. Er glaubte, daß diese Angelegenheit nur dann in einer den allgemeinen Landesinteressen entsprechenden Art und Weise geordnet werden könne, wenn der Bund die Nordostbahn erwerbe, und eröffnete der Gesellschaft am 2. Oktober 1886 diese Absicht. Der Versuch einer Verständigung mit den Moratoriumsbeteiligten war erfolglos und die Verhandlungen mit der Nordostbahn wurden erst im Dezember 1887 wieder aufgenommen, nachdem ein Aktionär dem Bundesrat eine bedeutende Anzahl von Nordostbahnaktien zum Paripreis zum Kauf angetragen hatte. Der hierauf entworfene Kaufvertrag wurde zwar am 25. Februar 1888 von der Generalversammlung genehmigt, von dem Bundesrat aber abgelehnt, da für ihn eine mit den Moratoriumslinien zusammenhängende Bedingung unannehmbar war. Ein anderer Weg zur Vorbereitung der Verstaatlichung eröffnete sich bei der Verschmelzung der beiden westschweizerischen Netze zur Jura-Simplon-Bahn (s. d.), die im Zusammenhang stand mit der Frage des Baues der Simplonbahn. Von dem neuen Unternehmen besaßen die beteiligten Kantone 77.000 Aktien, der Bund erwarb davon 30.000 Stück, die dem Kanton Bern gehört hatten. Er sicherte sich damit eine Vertretung in der Generalversammlung, und damit zugleich auch einen Einfluß auf die Verwaltung des ganzen Unternehmens sowie die Möglichkeit des freihändigen Ankaufs. Ein Referendumsantrag

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[442/0463] aus; neue Männer nahmen an der Verwaltung der Bahngesellschaften teil, und es folgte eine Periode gedeihlicher Arbeit. Am 1. Juni 1882 konnte die Gotthardbahn dem Betrieb übergeben werden. Die Betriebsergebnisse überstiegen die durch die Krise stark herabgesetzten Erwartungen, die beiden größeren Netze der Zentralbahn und Nordostbahn erfuhren hierdurch ebenfalls günstige Rückwirkungen in ihrer Verkehrsbewegung. Ähnliches war bei den Vereinigten Schweizer Bahnen der Fall nach der im September 1884 erfolgten Eröffnung der Arlbergbahn. Mit der eingetretenen Beruhigung erwachten indessen fortwährend neue Anforderungen an das Eisenbahnwesen des Landes. Am 21. Dezember 1883 erließ die Bundesversammlung das Gesetz über das Rechnungswesen der Eisenbahngesellschaften. Auf Grund dieses Gesetzes wurden die Baurechnungen mit jeder einzelnen Verwaltung bereinigt und damit ein langjähriger Wunsch der eidgenössischen Räte erfüllt. Von weitgehender Tragweite war das Bundesgesetz vom 6. November 1890 über die Arbeitszeit beim Betrieb der Eisenbahnen. Neue Anforderungen wurden sodann an die Bautätigkeit der Bahnen gestellt. Vor allem wurden die, denen Bauverpflichtungen oblagen, angehalten, zu deren Ausführung zu schreiten. Der Gotthardbahn wurde der Bau zweiter Gleise auf verschiedenen Strecken aufgetragen. Auch die Nordostbahn hielt der Bund für genügend gekräftigt, um den Bau der Moratoriumslinien, als: rechtsuferige Zürichseebahn, Koblenz-Stein, Etzweilen-Schaffhausen, Dielsdorf-Niederweningen und Bülach-Schaffhausen, wieder aufzunehmen. Daneben entstanden eine Reihe selbständiger neuer Bahnunternehmungen, wie die Brünigbahn (s. d.), die Berner Oberland-Bahnen (s. d.), die Thunerseebahn von Scherzligen bis Därligen und eine Reihe von Bergbahnen, wie die Generosobahn (s. d.) und die Brienz-Rothorn-, Wengernalp-, Mürren-, Schynige Platte-, Visp-Zermatt-Bahn, endlich eine Anzahl Kleinbahnen im Neuenburger Jura. Namentlich das Berner Oberland ist durch die neuen Bahnen sowohl von Luzern als von Bern her in seinen schönsten Tälern besser zugänglich gemacht worden. Neben den Anforderungen zum Bau neuer Linien gingen solche zum Ausbau der bestehenden von bedeutender Tragweite einher. Als solche sind die Umbauten der Bahnhöfe Bern, im Jahre 1891 vollendet, Luzern, im Jahre 1896 vollendet, Basel, von den Bundesbahnen 1908 vollendet, hervorzuheben. Ferner machte die gesetzliche Einstellung des Güterdienstes an Sonntagen eine erhebliche Vermehrung von Lokomotiven und Güterwagen erforderlich. Auch unter der Herrschaft des zweiten Eisenbahngesetzes traten die Bahnrückkaufsbestrebungen wieder hervor, die indessen damals zu keinem Erfolg führten. In der Junisitzung des Jahres 1877 des schweizerischen Nationalrats stellte Stämpfli namens einer Minderheit der Kommission zur Prüfung des bundesrätlichen Geschäftsberichts den Antrag auf eine parlamentarische Untersuchung der Eisenbahnverhältnisse, da bei der damaligen stark bedrängten Finanzlage der Bahngesellschaften der Rückkauf einzelner Teile des schweizerischen Netzes im öffentlichen Interesse liege. Der Antrag wurde wohl zumeist aus grundsätzlichen, jedoch auch aus finanziellen Bedenken mit 80 gegen 42 Stimmen abgelehnt. – Im Jahre 1883 wurden konzessionsgemäß 1598 km Bahnen zum Rückkauf auf das Jahr 1888 kündbar, darunter die Stammnetze der Zentralbahn und Nordostbahn, somit die besten Linien des schweizerischen Netzes. Der schweizerische Bundesrat empfahl den eidgenössischen Räten, auf den konzessionsgemäßen Rückkauf zurzeit nicht einzugehen, da die finanziellen Ergebnisse für den Bund zu unsicher seien. Er beantragte jedoch, zur Beseitigung der finanziellen Unklarheiten, das bereits erwähnte Rechnungsgesetz zu erlassen. Dagegen schlug die Mehrheit der nationalrätlichen Kommission die Kündigung der Konzessionen und den Rückkauf der Zentralbahn, Bötzbergbahn, Baseler Verbindungsbahn sowie der aargauischen Südbahn vor. Der Nationalrat lehnte diesen Antrag mit 67 gegen 59 Stimmen ab, nachdem der Ständerat vorher einstimmig dem Antrag des Bundesrats zugestimmt hatte. Wenn der Bundesrat hiernach den konzessionsgemäßen Rückkauf nicht als rätlich betrachtete, so nahm er dagegen den Gedanken des Erwerbs der Bahnen auf dem Weg der Verständigung auf. Den Anlaß hierzu glaubte er gekommen, als er darüber zu entscheiden hatte, ob die Nordostbahn zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen zum Bau der Moratoriumslinien genügend erstarkt sei. Er glaubte, daß diese Angelegenheit nur dann in einer den allgemeinen Landesinteressen entsprechenden Art und Weise geordnet werden könne, wenn der Bund die Nordostbahn erwerbe, und eröffnete der Gesellschaft am 2. Oktober 1886 diese Absicht. Der Versuch einer Verständigung mit den Moratoriumsbeteiligten war erfolglos und die Verhandlungen mit der Nordostbahn wurden erst im Dezember 1887 wieder aufgenommen, nachdem ein Aktionär dem Bundesrat eine bedeutende Anzahl von Nordostbahnaktien zum Paripreis zum Kauf angetragen hatte. Der hierauf entworfene Kaufvertrag wurde zwar am 25. Februar 1888 von der Generalversammlung genehmigt, von dem Bundesrat aber abgelehnt, da für ihn eine mit den Moratoriumslinien zusammenhängende Bedingung unannehmbar war. Ein anderer Weg zur Vorbereitung der Verstaatlichung eröffnete sich bei der Verschmelzung der beiden westschweizerischen Netze zur Jura-Simplon-Bahn (s. d.), die im Zusammenhang stand mit der Frage des Baues der Simplonbahn. Von dem neuen Unternehmen besaßen die beteiligten Kantone 77.000 Aktien, der Bund erwarb davon 30.000 Stück, die dem Kanton Bern gehört hatten. Er sicherte sich damit eine Vertretung in der Generalversammlung, und damit zugleich auch einen Einfluß auf die Verwaltung des ganzen Unternehmens sowie die Möglichkeit des freihändigen Ankaufs. Ein Referendumsantrag

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 8. Berlin, Wien, 1917, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen08_1917/463>, abgerufen am 01.11.2024.