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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 10. Berlin, Wien, 1923.

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Wie weit die durch die Friedensverträge vom Deutschen Reich sowie von Österreich und Ungarn abgetrennten, an Frankreich, Belgien und Polen, an die Tschecho-Slowakei, Jugoslawien und Rumänien übergegangenen Bahnlinien dem Vereine wieder beitreten oder andere, bisher dem Vereine ferngestandene Bahngruppen sich diesem anschließen werden, steht noch dahin. Es steht indessen zu hoffen, daß die in jahrzehntelanger Arbeit geschaffenen Einrichtungen nicht nur bestehen bleiben, sondern fortgebildet und auf weitere Kreise ausgedehnt werden, nachdem sich schließlich das Bedürfnis durchsetzen muß, den internationalen Eisenbahnverkehr und das internationale Wirtschaftsleben auf ähnlichen Grundlagen, wie sich selbe im Verein in mustergültiger Weise herausgebildet haben, zu fördern.

Durch die vorausgegangene politische Umgestaltung in den Jahren 1866 und 1871 hat der Verein an seinem Arbeitsgebiet nur insofern eine Einbuße erlitten, als die beiden Großstaaten Deutschland und Österreich-Ungarn dazu übergingen, die Weiterbildung des Frachtrechts sowie der technischen Vorschriften über Bau und Betrieb der Eisenbahnen, freilich auf der Grundlage der vom V. bisher geschaffenen Bestimmungen, ihrer eigenen gesetzgeberischen Tätigkeit zu unterwerfen. Das nächste Jahrzehnt brachte für die Verfassung des V. einschneidende Änderungen. Sie betreffen in der Hauptsache

a) die Rechtsgültigkeit der Vereinsbeschlüsse,

b) die Erweiterung der Befugnisse der Ausschüsse und der geschäftsführenden Verwaltung,

c) die Erschwerung der Bedingungen für den Erwerb der Mitgliedschaft sowie die Zulassung von Verwaltungen ohne Stimmberechtigung zur Teilnahme an den Vereinseinrichtungen.

Zu a. Die Bindung der Gültigkeit der Vereinsbeschlüsse an die Einstimmigkeit aller, auch der kleinsten Verwaltungen, g. f. ihre beschränkte Gültigkeit im Gebiet einzelner Verwaltungen war mit der Zeit unhaltbar geworden, wenn die Einheitlichkeit im Vereinsgebiet gewahrt bleiben und weiterhin die Zwecke des V. erreicht werden sollten. 1875 wurde festgesetzt, daß die Vereinsbeschlüsse für alle Vereinsverwaltungen rechtsverbindliche Geltung dann erlangen sollen, wenn ihnen nicht binnen einer achtwöchigen, jetzt vierwöchigen Frist von mindestens 1/10 sämtlicher den Vereinsmitgliedern zustehenden Stimmen widersprochen wird. Beschlüsse in Tarifangelegenheiten unterliegen überdies der Genehmigung sämtlicher Vereinsmitglieder.

Zu b. Bei dem stetig zunehmenden Umfang der Vereinsgeschäfte sah man sich ferner genötigt, auf Entlastung der Vereinsversammlung Bedacht zu nehmen und gewisse Angelegenheiten den Ausschüssen zur Beschlußfassung zu übertragen. Die Ausschüsse, deren Aufgabe bisher ausschließlich in der Vorbereitung der Vereinsversammlungsbeschlüsse bestand, wurden hiermit (1875) beschließende Organe des Vereinsrechtes. Für jedes wichtigere Arbeitsgebiet wurde ein ständiger Ausschuß eingesetzt (S. 96). Die Beschlüsse der ständigen Ausschüsse sind je nach der von der Generalversammlung erteilten Ermächtigung endgültige, d. h. sie treten sofort in Kraft, oder sie unterliegen einer nachträglichen Abstimmung unter den Vereinsverwaltungen wie die Vereinsversammlungsbeschlüsse. Schließlich erhielten die ständigen Ausschüsse später allgemein das Recht, Rechtsstreitigkeiten unter den Vereinsverwaltungen schiedsgerichtlich zu entscheiden, sowie die Befugnis, über die Auslegung der in ihren Wirkungskreis fallenden Vereinsvorschriften Beschluß zu fassen. Zu gleicher Zeit erhielt auch die geschäftsführende Verwaltung erweiterte Befugnisse und in verschiedenen Angelegenheiten völlige Selbständigkeit, ferner das Vorschlagsrecht für die Bildung der ständigen Ausschüsse und das Recht der Überwachung der Ausführung der Vereinsversammlungs- und Ausschußbeschlüsse u. a. m. Zur Erledigung der vermehrten, mit der Vereinsleitung verbundenen Geschäfte fand eine Erweiterung des Vereinsbureaus statt, dessen Leitung einem Generalsekretär übertragen wurde. Gleichzeitig wurde auch die Amtsdauer der geschäftsführenden Verwaltung von 2 auf 3 Jahre (später, 1887, auf 4 Jahre) ausgedehnt. Ein tatsächlicher Wechsel der geschäftsführenden Verwaltung war jedoch mit dem Ablauf der Amtsdauer nur selten verbunden. Das Amt beruhte von 1854 an bei der Berlin-Anhaltischen Eisenbahngesellschaft bis zu deren Verstaatlichung im Jahre 1882. Es ging dann 1884 auf die königliche Eisenbahndirektion Berlin über, bei der es ohne Unterbrechung bis zur Gegenwart verblieben ist.

Zu c. Schließlich ist noch der bereits 1867 begonnenen Erschwerung in der Erwerbung der Mitgliedschaft und der Vereinsverwaltungen ohne Stimmrecht zu gedenken. Stand die Mitgliedschaft bis dahin allen Eisenbahnverwaltungen offen, die in dem eingangs erwähnten Gebiet ihren Sitz hatten und sich den zur Zeit ihres Aufnahmeantrags bestehenden Vereinsbeschlüssen unterwarfen, so veranlaßte der Beitritt zahlreicher kleinerer Bahnen die Vereinsversammlung von 1867, weitere Aufnahmebedingungen festzusetzen, um zu verhindern, daß etwa die kleineren Bahnen mit überwiegend örtlichen Interessen einen unverhältnismäßigen Einfluß im Verein erlangen und durch ihr Einspruchsrecht gegen die Vereinsbeschlüsse zu

Wie weit die durch die Friedensverträge vom Deutschen Reich sowie von Österreich und Ungarn abgetrennten, an Frankreich, Belgien und Polen, an die Tschecho-Slowakei, Jugoslawien und Rumänien übergegangenen Bahnlinien dem Vereine wieder beitreten oder andere, bisher dem Vereine ferngestandene Bahngruppen sich diesem anschließen werden, steht noch dahin. Es steht indessen zu hoffen, daß die in jahrzehntelanger Arbeit geschaffenen Einrichtungen nicht nur bestehen bleiben, sondern fortgebildet und auf weitere Kreise ausgedehnt werden, nachdem sich schließlich das Bedürfnis durchsetzen muß, den internationalen Eisenbahnverkehr und das internationale Wirtschaftsleben auf ähnlichen Grundlagen, wie sich selbe im Verein in mustergültiger Weise herausgebildet haben, zu fördern.

Durch die vorausgegangene politische Umgestaltung in den Jahren 1866 und 1871 hat der Verein an seinem Arbeitsgebiet nur insofern eine Einbuße erlitten, als die beiden Großstaaten Deutschland und Österreich-Ungarn dazu übergingen, die Weiterbildung des Frachtrechts sowie der technischen Vorschriften über Bau und Betrieb der Eisenbahnen, freilich auf der Grundlage der vom V. bisher geschaffenen Bestimmungen, ihrer eigenen gesetzgeberischen Tätigkeit zu unterwerfen. Das nächste Jahrzehnt brachte für die Verfassung des V. einschneidende Änderungen. Sie betreffen in der Hauptsache

a) die Rechtsgültigkeit der Vereinsbeschlüsse,

b) die Erweiterung der Befugnisse der Ausschüsse und der geschäftsführenden Verwaltung,

c) die Erschwerung der Bedingungen für den Erwerb der Mitgliedschaft sowie die Zulassung von Verwaltungen ohne Stimmberechtigung zur Teilnahme an den Vereinseinrichtungen.

Zu a. Die Bindung der Gültigkeit der Vereinsbeschlüsse an die Einstimmigkeit aller, auch der kleinsten Verwaltungen, g. f. ihre beschränkte Gültigkeit im Gebiet einzelner Verwaltungen war mit der Zeit unhaltbar geworden, wenn die Einheitlichkeit im Vereinsgebiet gewahrt bleiben und weiterhin die Zwecke des V. erreicht werden sollten. 1875 wurde festgesetzt, daß die Vereinsbeschlüsse für alle Vereinsverwaltungen rechtsverbindliche Geltung dann erlangen sollen, wenn ihnen nicht binnen einer achtwöchigen, jetzt vierwöchigen Frist von mindestens 1/10 sämtlicher den Vereinsmitgliedern zustehenden Stimmen widersprochen wird. Beschlüsse in Tarifangelegenheiten unterliegen überdies der Genehmigung sämtlicher Vereinsmitglieder.

Zu b. Bei dem stetig zunehmenden Umfang der Vereinsgeschäfte sah man sich ferner genötigt, auf Entlastung der Vereinsversammlung Bedacht zu nehmen und gewisse Angelegenheiten den Ausschüssen zur Beschlußfassung zu übertragen. Die Ausschüsse, deren Aufgabe bisher ausschließlich in der Vorbereitung der Vereinsversammlungsbeschlüsse bestand, wurden hiermit (1875) beschließende Organe des Vereinsrechtes. Für jedes wichtigere Arbeitsgebiet wurde ein ständiger Ausschuß eingesetzt (S. 96). Die Beschlüsse der ständigen Ausschüsse sind je nach der von der Generalversammlung erteilten Ermächtigung endgültige, d. h. sie treten sofort in Kraft, oder sie unterliegen einer nachträglichen Abstimmung unter den Vereinsverwaltungen wie die Vereinsversammlungsbeschlüsse. Schließlich erhielten die ständigen Ausschüsse später allgemein das Recht, Rechtsstreitigkeiten unter den Vereinsverwaltungen schiedsgerichtlich zu entscheiden, sowie die Befugnis, über die Auslegung der in ihren Wirkungskreis fallenden Vereinsvorschriften Beschluß zu fassen. Zu gleicher Zeit erhielt auch die geschäftsführende Verwaltung erweiterte Befugnisse und in verschiedenen Angelegenheiten völlige Selbständigkeit, ferner das Vorschlagsrecht für die Bildung der ständigen Ausschüsse und das Recht der Überwachung der Ausführung der Vereinsversammlungs- und Ausschußbeschlüsse u. a. m. Zur Erledigung der vermehrten, mit der Vereinsleitung verbundenen Geschäfte fand eine Erweiterung des Vereinsbureaus statt, dessen Leitung einem Generalsekretär übertragen wurde. Gleichzeitig wurde auch die Amtsdauer der geschäftsführenden Verwaltung von 2 auf 3 Jahre (später, 1887, auf 4 Jahre) ausgedehnt. Ein tatsächlicher Wechsel der geschäftsführenden Verwaltung war jedoch mit dem Ablauf der Amtsdauer nur selten verbunden. Das Amt beruhte von 1854 an bei der Berlin-Anhaltischen Eisenbahngesellschaft bis zu deren Verstaatlichung im Jahre 1882. Es ging dann 1884 auf die königliche Eisenbahndirektion Berlin über, bei der es ohne Unterbrechung bis zur Gegenwart verblieben ist.

Zu c. Schließlich ist noch der bereits 1867 begonnenen Erschwerung in der Erwerbung der Mitgliedschaft und der Vereinsverwaltungen ohne Stimmrecht zu gedenken. Stand die Mitgliedschaft bis dahin allen Eisenbahnverwaltungen offen, die in dem eingangs erwähnten Gebiet ihren Sitz hatten und sich den zur Zeit ihres Aufnahmeantrags bestehenden Vereinsbeschlüssen unterwarfen, so veranlaßte der Beitritt zahlreicher kleinerer Bahnen die Vereinsversammlung von 1867, weitere Aufnahmebedingungen festzusetzen, um zu verhindern, daß etwa die kleineren Bahnen mit überwiegend örtlichen Interessen einen unverhältnismäßigen Einfluß im Verein erlangen und durch ihr Einspruchsrecht gegen die Vereinsbeschlüsse zu

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[95/0108] Wie weit die durch die Friedensverträge vom Deutschen Reich sowie von Österreich und Ungarn abgetrennten, an Frankreich, Belgien und Polen, an die Tschecho-Slowakei, Jugoslawien und Rumänien übergegangenen Bahnlinien dem Vereine wieder beitreten oder andere, bisher dem Vereine ferngestandene Bahngruppen sich diesem anschließen werden, steht noch dahin. Es steht indessen zu hoffen, daß die in jahrzehntelanger Arbeit geschaffenen Einrichtungen nicht nur bestehen bleiben, sondern fortgebildet und auf weitere Kreise ausgedehnt werden, nachdem sich schließlich das Bedürfnis durchsetzen muß, den internationalen Eisenbahnverkehr und das internationale Wirtschaftsleben auf ähnlichen Grundlagen, wie sich selbe im Verein in mustergültiger Weise herausgebildet haben, zu fördern. Durch die vorausgegangene politische Umgestaltung in den Jahren 1866 und 1871 hat der Verein an seinem Arbeitsgebiet nur insofern eine Einbuße erlitten, als die beiden Großstaaten Deutschland und Österreich-Ungarn dazu übergingen, die Weiterbildung des Frachtrechts sowie der technischen Vorschriften über Bau und Betrieb der Eisenbahnen, freilich auf der Grundlage der vom V. bisher geschaffenen Bestimmungen, ihrer eigenen gesetzgeberischen Tätigkeit zu unterwerfen. Das nächste Jahrzehnt brachte für die Verfassung des V. einschneidende Änderungen. Sie betreffen in der Hauptsache a) die Rechtsgültigkeit der Vereinsbeschlüsse, b) die Erweiterung der Befugnisse der Ausschüsse und der geschäftsführenden Verwaltung, c) die Erschwerung der Bedingungen für den Erwerb der Mitgliedschaft sowie die Zulassung von Verwaltungen ohne Stimmberechtigung zur Teilnahme an den Vereinseinrichtungen. Zu a. Die Bindung der Gültigkeit der Vereinsbeschlüsse an die Einstimmigkeit aller, auch der kleinsten Verwaltungen, g. f. ihre beschränkte Gültigkeit im Gebiet einzelner Verwaltungen war mit der Zeit unhaltbar geworden, wenn die Einheitlichkeit im Vereinsgebiet gewahrt bleiben und weiterhin die Zwecke des V. erreicht werden sollten. 1875 wurde festgesetzt, daß die Vereinsbeschlüsse für alle Vereinsverwaltungen rechtsverbindliche Geltung dann erlangen sollen, wenn ihnen nicht binnen einer achtwöchigen, jetzt vierwöchigen Frist von mindestens 1/10 sämtlicher den Vereinsmitgliedern zustehenden Stimmen widersprochen wird. Beschlüsse in Tarifangelegenheiten unterliegen überdies der Genehmigung sämtlicher Vereinsmitglieder. Zu b. Bei dem stetig zunehmenden Umfang der Vereinsgeschäfte sah man sich ferner genötigt, auf Entlastung der Vereinsversammlung Bedacht zu nehmen und gewisse Angelegenheiten den Ausschüssen zur Beschlußfassung zu übertragen. Die Ausschüsse, deren Aufgabe bisher ausschließlich in der Vorbereitung der Vereinsversammlungsbeschlüsse bestand, wurden hiermit (1875) beschließende Organe des Vereinsrechtes. Für jedes wichtigere Arbeitsgebiet wurde ein ständiger Ausschuß eingesetzt (S. 96). Die Beschlüsse der ständigen Ausschüsse sind je nach der von der Generalversammlung erteilten Ermächtigung endgültige, d. h. sie treten sofort in Kraft, oder sie unterliegen einer nachträglichen Abstimmung unter den Vereinsverwaltungen wie die Vereinsversammlungsbeschlüsse. Schließlich erhielten die ständigen Ausschüsse später allgemein das Recht, Rechtsstreitigkeiten unter den Vereinsverwaltungen schiedsgerichtlich zu entscheiden, sowie die Befugnis, über die Auslegung der in ihren Wirkungskreis fallenden Vereinsvorschriften Beschluß zu fassen. Zu gleicher Zeit erhielt auch die geschäftsführende Verwaltung erweiterte Befugnisse und in verschiedenen Angelegenheiten völlige Selbständigkeit, ferner das Vorschlagsrecht für die Bildung der ständigen Ausschüsse und das Recht der Überwachung der Ausführung der Vereinsversammlungs- und Ausschußbeschlüsse u. a. m. Zur Erledigung der vermehrten, mit der Vereinsleitung verbundenen Geschäfte fand eine Erweiterung des Vereinsbureaus statt, dessen Leitung einem Generalsekretär übertragen wurde. Gleichzeitig wurde auch die Amtsdauer der geschäftsführenden Verwaltung von 2 auf 3 Jahre (später, 1887, auf 4 Jahre) ausgedehnt. Ein tatsächlicher Wechsel der geschäftsführenden Verwaltung war jedoch mit dem Ablauf der Amtsdauer nur selten verbunden. Das Amt beruhte von 1854 an bei der Berlin-Anhaltischen Eisenbahngesellschaft bis zu deren Verstaatlichung im Jahre 1882. Es ging dann 1884 auf die königliche Eisenbahndirektion Berlin über, bei der es ohne Unterbrechung bis zur Gegenwart verblieben ist. Zu c. Schließlich ist noch der bereits 1867 begonnenen Erschwerung in der Erwerbung der Mitgliedschaft und der Vereinsverwaltungen ohne Stimmrecht zu gedenken. Stand die Mitgliedschaft bis dahin allen Eisenbahnverwaltungen offen, die in dem eingangs erwähnten Gebiet ihren Sitz hatten und sich den zur Zeit ihres Aufnahmeantrags bestehenden Vereinsbeschlüssen unterwarfen, so veranlaßte der Beitritt zahlreicher kleinerer Bahnen die Vereinsversammlung von 1867, weitere Aufnahmebedingungen festzusetzen, um zu verhindern, daß etwa die kleineren Bahnen mit überwiegend örtlichen Interessen einen unverhältnismäßigen Einfluß im Verein erlangen und durch ihr Einspruchsrecht gegen die Vereinsbeschlüsse zu

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 10. Berlin, Wien, 1923, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen10_1923/108>, abgerufen am 21.11.2024.