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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 10. Berlin, Wien, 1923.

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der Verwaltung aus Gründen der Organisation, der Dienstleitung oder des Haushaltsrechts Spielraum für das eigene Ermessen gelassen werden muß, greift ein Berufungsverfahren Platz.

b) Gedinge-(Akkord-)Verfahren. (Vgl. "Merkbuch zum Gedingeverfahren in den Werkstätten" - der Deutschen Reichsbahnen.)

Bis zum Jahre 1912 bestand auch bei den Preußischen Eisenbahnen das in der Industrieübliche Akkord-(Stückpreis-)Verfahren. Die hierbei unvermeidliche Bezahlung nach den wirklichen Leistungen konnte in einem Staatsbetrieb mit weitgehenden, durch die Volksvertretung überwachten sozialen Verpflichtungen auf die Dauer nicht aufrecht erhalten werden. Die Leistungen nehmen im Alter im allgemeinen ab. Erstrebt wurde aber, daß das Einkommen mit zunehmenden Dienstjahren bis zur überhaupt erreichbaren Höchstgrenze wachsen sollte. Anderseits kann man auf den Anreiz zur Steigerung des Einkommens durch eigene Anstrengung nicht verzichten.

Ein dieser Forderung Rechnung tragendes System wurde in dem Stückzeitverfahren gefunden. Nach diesem wurden dem Arbeiter die Stückzeiten mit seinem nach der Lohnstaffel steigenden Stundenlohn vergütet. Die Stückzeiten wurden wie früher die Akkorde (Stückpreise) in Stückheften einzeln vorgesehen. Leistete der Arbeiter die Arbeit in kürzerer als in der ihm nach dem Stückheft zu vergütenden Zeit, so erzielte er einen Zeitgewinn und diesem entsprechend einen Überverdienst. Der Gesamtverdienst ergab sich als Produkt aus dem nach dem Dienstalter gestaffelten Stundengrundlohn und den erarbeiteten Stückzeitstunden. Beiden Verfahren haftet der Mangel an, daß durch Festlegen der Stückzeiten in Stückheften der jeweilige Zustand der Ausbesserungsarbeit nicht immer genügend berücksichtigt werden konnte. Mit Wiedereinführen der Akkordarbeit wurde versucht, diesen Mangel zu vermeiden, indem die Stückzeiten unter Berücksichtigung aller Eigentümlichkeiten für jede Arbeit von Fall zu Fall ermittelt werden sollen. Die Stückzeiten werden also beibehalten, obwohl der Höchstlohn jetzt im Alter von 24 Jahren - früher nach etwa 20 Dienstjahren - erreicht wird.

Die großen Schwierigkeiten im Bilden von Stückzeiten bei Ausbesserungsarbeiten im Gegensatze zur Neuanfertigung sollen durch weitgehendes Zerlegen jeder Arbeit überwunden werden. Der Ab- und Anbau der Fahrzeugteile soll in kleine und kleinste Teilarbeitsvorgänge zerlegt werden, um den Zeitaufwand genau zu erfassen. Berechnen und Schätzen sollen durch Arbeits- und Zeitproben ersetzt werden. Das Endziel bleibt wieder, möglichst viele Normalstückzeiten festzulegen, also die Stückhefte wieder einzuführen. Eine wesentliche Neuerung ist das Nachprüfen der Stückzeiten, zu der die Mitarbeit der Arbeiter durch Aufschreiben der wirklich verbrauchten Arbeitszeiten nötig ist.

Alle Arbeiten, bei denen das Gedinge möglich und wirtschaftlich ist, sollen wieder wie früher im Gedinge ausgeführt werden.

Ausgeschlossen vom Gedinge sind also nur:

a) Arbeiten, bei denen ein Vorausbestimmen der Stückzeit unmöglich ist (gedingeunfähige Arbeiten).

b) Arbeiten, bei denen das Ermitteln der Mehrleistung unwirtschaftlich und betriebsstörend wäre. Das Ermitteln erfolgt durch von der Verwaltung bestellte Zeitermittler, das Prüfen nach Güte und Menge durch Arbeitsprüfer (ausgesuchte Arbeiter).

Die nicht im Gedinge Arbeitenden zerfallen in 3 Gruppen:

1. in Zeitlöhner mit Mehrleistungszulage. Sie müssen mit Gedingearbeitern in so enger Arbeitsberührung stehen, daß ihre Leistung von der Gedingeleistung zwangsläufig abhängt. Diese Mehrleistungen werden mit einer dem Überverdienst der Gedingegruppe entsprechenden Zulage bewertet, die um 20% niedriger ist als dieser Überverdienst.

2. Zeitlohn und Bewertungszulage erhalten bestimmte im Tarif bezeichnete Arbeiter, z. B. Lehrgesellen, Arbeitsprüfer, ferner Handwerker, die mit dem Betrieb oder dem Unterhalten der elektrischen Licht- und Kraftanlagen betraut sind u. s. w. Die Bewertungszulage beträgt 25% des Tariflohns.

3. Reine Taglöhner, d. s. Arbeiter, die weder unter a) noch b) fallen, also Arbeiter, die nach der Art ihrer Beschäftigung keine Mehrleistung verrichten können, z. B. Boten, Schreiber, Sanitäter u. s. w. Lehrlinge sollen grundsätzlich nicht im Gedinge arbeiten.

c) Mitwirken der Arbeiterschaft. Die Arbeiterschaft wirkt beim Gedingeverfahren in den Haupt- und Nebenwerkstätten durch den Betriebsrat oder seine Vertrauensleute mit:

a) durch Mitbeteiligen bei Arbeits- und Zeitproben, b) bei Ernennen der Arbeitsprüfer (Vorschlagsrecht), c) beim Bewerten von Aufschreibungen und Beseitigen von Hemmungen, d) bei Abnahme der Materialien und Werkzeuge, e) beim Einspruch gegen die vom Zeitermittler festgesetzte Stückzeit.

Dieses Mitwirken erfolgt in dem Stückzeitausschuß, der aus 3 Arbeitern und 3 Vertretern der Verwaltung besteht. Er tritt von Fall zu Fall zusammen.

Zum Unterstützen der Direktionen beim Durchführen des Gedingeverfahrens und zum Entscheiden von Streitigkeiten über bestimmte Angelegenheiten des Verfahrens ist bei jeder Direktion ein Gedingeausschuß gebildet, der aus 3 Vertretern der Arbeiterschaft und 3 von der Verwaltung berufenen Beamten besteht. Zum Erledigen der Streitigkeiten ist ein unparteiischer Vorsitzender zuzuziehen, der von den Arbeitern aus den maschinentechnischen Beamten des Direktionsbezirks für ein Jahr gewählt wird.

Schließlich ist ein Hauptgedingeausschuß beim Reichsverkehrsminister gebildet, der ähnlich wie der Gedingeausschuß zusammengesetzt ist, und teils als Berufungsinstanz wirkt, teils in Angelegenheiten zu entscheiden hat, die über den Bereich einer Direktion von Bedeutung sind.

Die Grundsätze für das Gedingeverfahren in den

der Verwaltung aus Gründen der Organisation, der Dienstleitung oder des Haushaltsrechts Spielraum für das eigene Ermessen gelassen werden muß, greift ein Berufungsverfahren Platz.

b) Gedinge-(Akkord-)Verfahren. (Vgl. „Merkbuch zum Gedingeverfahren in den Werkstätten“ – der Deutschen Reichsbahnen.)

Bis zum Jahre 1912 bestand auch bei den Preußischen Eisenbahnen das in der Industrieübliche Akkord-(Stückpreis-)Verfahren. Die hierbei unvermeidliche Bezahlung nach den wirklichen Leistungen konnte in einem Staatsbetrieb mit weitgehenden, durch die Volksvertretung überwachten sozialen Verpflichtungen auf die Dauer nicht aufrecht erhalten werden. Die Leistungen nehmen im Alter im allgemeinen ab. Erstrebt wurde aber, daß das Einkommen mit zunehmenden Dienstjahren bis zur überhaupt erreichbaren Höchstgrenze wachsen sollte. Anderseits kann man auf den Anreiz zur Steigerung des Einkommens durch eigene Anstrengung nicht verzichten.

Ein dieser Forderung Rechnung tragendes System wurde in dem Stückzeitverfahren gefunden. Nach diesem wurden dem Arbeiter die Stückzeiten mit seinem nach der Lohnstaffel steigenden Stundenlohn vergütet. Die Stückzeiten wurden wie früher die Akkorde (Stückpreise) in Stückheften einzeln vorgesehen. Leistete der Arbeiter die Arbeit in kürzerer als in der ihm nach dem Stückheft zu vergütenden Zeit, so erzielte er einen Zeitgewinn und diesem entsprechend einen Überverdienst. Der Gesamtverdienst ergab sich als Produkt aus dem nach dem Dienstalter gestaffelten Stundengrundlohn und den erarbeiteten Stückzeitstunden. Beiden Verfahren haftet der Mangel an, daß durch Festlegen der Stückzeiten in Stückheften der jeweilige Zustand der Ausbesserungsarbeit nicht immer genügend berücksichtigt werden konnte. Mit Wiedereinführen der Akkordarbeit wurde versucht, diesen Mangel zu vermeiden, indem die Stückzeiten unter Berücksichtigung aller Eigentümlichkeiten für jede Arbeit von Fall zu Fall ermittelt werden sollen. Die Stückzeiten werden also beibehalten, obwohl der Höchstlohn jetzt im Alter von 24 Jahren – früher nach etwa 20 Dienstjahren – erreicht wird.

Die großen Schwierigkeiten im Bilden von Stückzeiten bei Ausbesserungsarbeiten im Gegensatze zur Neuanfertigung sollen durch weitgehendes Zerlegen jeder Arbeit überwunden werden. Der Ab- und Anbau der Fahrzeugteile soll in kleine und kleinste Teilarbeitsvorgänge zerlegt werden, um den Zeitaufwand genau zu erfassen. Berechnen und Schätzen sollen durch Arbeits- und Zeitproben ersetzt werden. Das Endziel bleibt wieder, möglichst viele Normalstückzeiten festzulegen, also die Stückhefte wieder einzuführen. Eine wesentliche Neuerung ist das Nachprüfen der Stückzeiten, zu der die Mitarbeit der Arbeiter durch Aufschreiben der wirklich verbrauchten Arbeitszeiten nötig ist.

Alle Arbeiten, bei denen das Gedinge möglich und wirtschaftlich ist, sollen wieder wie früher im Gedinge ausgeführt werden.

Ausgeschlossen vom Gedinge sind also nur:

a) Arbeiten, bei denen ein Vorausbestimmen der Stückzeit unmöglich ist (gedingeunfähige Arbeiten).

b) Arbeiten, bei denen das Ermitteln der Mehrleistung unwirtschaftlich und betriebsstörend wäre. Das Ermitteln erfolgt durch von der Verwaltung bestellte Zeitermittler, das Prüfen nach Güte und Menge durch Arbeitsprüfer (ausgesuchte Arbeiter).

Die nicht im Gedinge Arbeitenden zerfallen in 3 Gruppen:

1. in Zeitlöhner mit Mehrleistungszulage. Sie müssen mit Gedingearbeitern in so enger Arbeitsberührung stehen, daß ihre Leistung von der Gedingeleistung zwangsläufig abhängt. Diese Mehrleistungen werden mit einer dem Überverdienst der Gedingegruppe entsprechenden Zulage bewertet, die um 20% niedriger ist als dieser Überverdienst.

2. Zeitlohn und Bewertungszulage erhalten bestimmte im Tarif bezeichnete Arbeiter, z. B. Lehrgesellen, Arbeitsprüfer, ferner Handwerker, die mit dem Betrieb oder dem Unterhalten der elektrischen Licht- und Kraftanlagen betraut sind u. s. w. Die Bewertungszulage beträgt 25% des Tariflohns.

3. Reine Taglöhner, d. s. Arbeiter, die weder unter a) noch b) fallen, also Arbeiter, die nach der Art ihrer Beschäftigung keine Mehrleistung verrichten können, z. B. Boten, Schreiber, Sanitäter u. s. w. Lehrlinge sollen grundsätzlich nicht im Gedinge arbeiten.

c) Mitwirken der Arbeiterschaft. Die Arbeiterschaft wirkt beim Gedingeverfahren in den Haupt- und Nebenwerkstätten durch den Betriebsrat oder seine Vertrauensleute mit:

a) durch Mitbeteiligen bei Arbeits- und Zeitproben, b) bei Ernennen der Arbeitsprüfer (Vorschlagsrecht), c) beim Bewerten von Aufschreibungen und Beseitigen von Hemmungen, d) bei Abnahme der Materialien und Werkzeuge, e) beim Einspruch gegen die vom Zeitermittler festgesetzte Stückzeit.

Dieses Mitwirken erfolgt in dem Stückzeitausschuß, der aus 3 Arbeitern und 3 Vertretern der Verwaltung besteht. Er tritt von Fall zu Fall zusammen.

Zum Unterstützen der Direktionen beim Durchführen des Gedingeverfahrens und zum Entscheiden von Streitigkeiten über bestimmte Angelegenheiten des Verfahrens ist bei jeder Direktion ein Gedingeausschuß gebildet, der aus 3 Vertretern der Arbeiterschaft und 3 von der Verwaltung berufenen Beamten besteht. Zum Erledigen der Streitigkeiten ist ein unparteiischer Vorsitzender zuzuziehen, der von den Arbeitern aus den maschinentechnischen Beamten des Direktionsbezirks für ein Jahr gewählt wird.

Schließlich ist ein Hauptgedingeausschuß beim Reichsverkehrsminister gebildet, der ähnlich wie der Gedingeausschuß zusammengesetzt ist, und teils als Berufungsinstanz wirkt, teils in Angelegenheiten zu entscheiden hat, die über den Bereich einer Direktion von Bedeutung sind.

Die Grundsätze für das Gedingeverfahren in den

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[364/0394] der Verwaltung aus Gründen der Organisation, der Dienstleitung oder des Haushaltsrechts Spielraum für das eigene Ermessen gelassen werden muß, greift ein Berufungsverfahren Platz. b) Gedinge-(Akkord-)Verfahren. (Vgl. „Merkbuch zum Gedingeverfahren in den Werkstätten“ – der Deutschen Reichsbahnen.) Bis zum Jahre 1912 bestand auch bei den Preußischen Eisenbahnen das in der Industrieübliche Akkord-(Stückpreis-)Verfahren. Die hierbei unvermeidliche Bezahlung nach den wirklichen Leistungen konnte in einem Staatsbetrieb mit weitgehenden, durch die Volksvertretung überwachten sozialen Verpflichtungen auf die Dauer nicht aufrecht erhalten werden. Die Leistungen nehmen im Alter im allgemeinen ab. Erstrebt wurde aber, daß das Einkommen mit zunehmenden Dienstjahren bis zur überhaupt erreichbaren Höchstgrenze wachsen sollte. Anderseits kann man auf den Anreiz zur Steigerung des Einkommens durch eigene Anstrengung nicht verzichten. Ein dieser Forderung Rechnung tragendes System wurde in dem Stückzeitverfahren gefunden. Nach diesem wurden dem Arbeiter die Stückzeiten mit seinem nach der Lohnstaffel steigenden Stundenlohn vergütet. Die Stückzeiten wurden wie früher die Akkorde (Stückpreise) in Stückheften einzeln vorgesehen. Leistete der Arbeiter die Arbeit in kürzerer als in der ihm nach dem Stückheft zu vergütenden Zeit, so erzielte er einen Zeitgewinn und diesem entsprechend einen Überverdienst. Der Gesamtverdienst ergab sich als Produkt aus dem nach dem Dienstalter gestaffelten Stundengrundlohn und den erarbeiteten Stückzeitstunden. Beiden Verfahren haftet der Mangel an, daß durch Festlegen der Stückzeiten in Stückheften der jeweilige Zustand der Ausbesserungsarbeit nicht immer genügend berücksichtigt werden konnte. Mit Wiedereinführen der Akkordarbeit wurde versucht, diesen Mangel zu vermeiden, indem die Stückzeiten unter Berücksichtigung aller Eigentümlichkeiten für jede Arbeit von Fall zu Fall ermittelt werden sollen. Die Stückzeiten werden also beibehalten, obwohl der Höchstlohn jetzt im Alter von 24 Jahren – früher nach etwa 20 Dienstjahren – erreicht wird. Die großen Schwierigkeiten im Bilden von Stückzeiten bei Ausbesserungsarbeiten im Gegensatze zur Neuanfertigung sollen durch weitgehendes Zerlegen jeder Arbeit überwunden werden. Der Ab- und Anbau der Fahrzeugteile soll in kleine und kleinste Teilarbeitsvorgänge zerlegt werden, um den Zeitaufwand genau zu erfassen. Berechnen und Schätzen sollen durch Arbeits- und Zeitproben ersetzt werden. Das Endziel bleibt wieder, möglichst viele Normalstückzeiten festzulegen, also die Stückhefte wieder einzuführen. Eine wesentliche Neuerung ist das Nachprüfen der Stückzeiten, zu der die Mitarbeit der Arbeiter durch Aufschreiben der wirklich verbrauchten Arbeitszeiten nötig ist. Alle Arbeiten, bei denen das Gedinge möglich und wirtschaftlich ist, sollen wieder wie früher im Gedinge ausgeführt werden. Ausgeschlossen vom Gedinge sind also nur: a) Arbeiten, bei denen ein Vorausbestimmen der Stückzeit unmöglich ist (gedingeunfähige Arbeiten). b) Arbeiten, bei denen das Ermitteln der Mehrleistung unwirtschaftlich und betriebsstörend wäre. Das Ermitteln erfolgt durch von der Verwaltung bestellte Zeitermittler, das Prüfen nach Güte und Menge durch Arbeitsprüfer (ausgesuchte Arbeiter). Die nicht im Gedinge Arbeitenden zerfallen in 3 Gruppen: 1. in Zeitlöhner mit Mehrleistungszulage. Sie müssen mit Gedingearbeitern in so enger Arbeitsberührung stehen, daß ihre Leistung von der Gedingeleistung zwangsläufig abhängt. Diese Mehrleistungen werden mit einer dem Überverdienst der Gedingegruppe entsprechenden Zulage bewertet, die um 20% niedriger ist als dieser Überverdienst. 2. Zeitlohn und Bewertungszulage erhalten bestimmte im Tarif bezeichnete Arbeiter, z. B. Lehrgesellen, Arbeitsprüfer, ferner Handwerker, die mit dem Betrieb oder dem Unterhalten der elektrischen Licht- und Kraftanlagen betraut sind u. s. w. Die Bewertungszulage beträgt 25% des Tariflohns. 3. Reine Taglöhner, d. s. Arbeiter, die weder unter a) noch b) fallen, also Arbeiter, die nach der Art ihrer Beschäftigung keine Mehrleistung verrichten können, z. B. Boten, Schreiber, Sanitäter u. s. w. Lehrlinge sollen grundsätzlich nicht im Gedinge arbeiten. c) Mitwirken der Arbeiterschaft. Die Arbeiterschaft wirkt beim Gedingeverfahren in den Haupt- und Nebenwerkstätten durch den Betriebsrat oder seine Vertrauensleute mit: a) durch Mitbeteiligen bei Arbeits- und Zeitproben, b) bei Ernennen der Arbeitsprüfer (Vorschlagsrecht), c) beim Bewerten von Aufschreibungen und Beseitigen von Hemmungen, d) bei Abnahme der Materialien und Werkzeuge, e) beim Einspruch gegen die vom Zeitermittler festgesetzte Stückzeit. Dieses Mitwirken erfolgt in dem Stückzeitausschuß, der aus 3 Arbeitern und 3 Vertretern der Verwaltung besteht. Er tritt von Fall zu Fall zusammen. Zum Unterstützen der Direktionen beim Durchführen des Gedingeverfahrens und zum Entscheiden von Streitigkeiten über bestimmte Angelegenheiten des Verfahrens ist bei jeder Direktion ein Gedingeausschuß gebildet, der aus 3 Vertretern der Arbeiterschaft und 3 von der Verwaltung berufenen Beamten besteht. Zum Erledigen der Streitigkeiten ist ein unparteiischer Vorsitzender zuzuziehen, der von den Arbeitern aus den maschinentechnischen Beamten des Direktionsbezirks für ein Jahr gewählt wird. Schließlich ist ein Hauptgedingeausschuß beim Reichsverkehrsminister gebildet, der ähnlich wie der Gedingeausschuß zusammengesetzt ist, und teils als Berufungsinstanz wirkt, teils in Angelegenheiten zu entscheiden hat, die über den Bereich einer Direktion von Bedeutung sind. Die Grundsätze für das Gedingeverfahren in den

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 10. Berlin, Wien, 1923, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen10_1923/394>, abgerufen am 30.06.2024.