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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 10. Berlin, Wien, 1923.

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In den Siebzigerjahren entbrannte unter den U. ein heftiger Tarifkrieg und konnte erst der Ausbau einzelner Wettbewerbslinien bei den dem Machtbereich des Staates mehr untergeordneten Bahnen und der Abschluß von Verträgen den mit Benutzung der Refaktien geführten Konkurrenzkampf beseitigen.

Besonders wichtig war in dieser Richtung der mit der österreichisch-ungarischen Staatseisenbahngesellschaft am 8. Juni 1882 abgeschlossene Vertrag, ferner die Kartellierung des Verkehrs mit der Südbahn im Verkehr nach Triest und Fiume.

Seit dieser Zeit wurde ein Kartell nach dem andern geschlossen und eine gesunde Tarifpolitik beobachtet.

Bei Aufstellung der Tarife in Ungarn fanden auf allen Bahnen mit Ausnahme der Südbahn die Grundsätze des unter Einfluß der österreichischen und ungarischen Regierung im Jahre 1876 geschaffenen Reformtarifs Anwendung.

Dieser am 1. September 1881 neu aufgelegte Reformtarif, der seither auf sämtlichen ungarischen, österreichischen und bosnisch-hercegovinischen Eisenbahnen Anwendung fand, enthält außer den gemeinsamen reglementarischen und tarifarischen Bestimmungen und Nebengebühren die allgemeine Güterklassifikation. Die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung dieses Tarifs seitens der Bahnverwaltungen sichert der Art. IX des Ausgleichsgesetzes und wurde zu diesem Behuf das ständige Tarifkomitee der beteiligten Eisenbahnen geschaffen.

Nach der Verstaatlichung der Hauptlinien wurde eine die Ausfuhr der Landesprodukte in hohem Maß fördernde Tarifpolitik befolgt, der sich unter dem Zwang der Verhältnisse und dem Druck, den die Regierung mit Hilfe der von Tag zu Tag mächtiger werdenden Staatsbahnen ausübte, auch die Privatbahnen Ungarns anschließen mußten.

Die den neuerschlossenen wirtschaftlichen Unternehmungen gebotenen tarifarischen Begünstigungen mehrten sich in solchem Maß, daß sich die Regierung veranlaßt sah, dieselben in den neuen Tarif vom 1. Januar 1888 zu übernehmen.

Als dann im Jahre 1890 durch die Verstaatlichung sämtlicher ungarischen Linien der österreichisch-ungarischen Staatseisenbahngesellschaft das das ganze Land umspannende ungarische Staatseisenbahnnetz zur Vollendung gebracht wurde, erforderten nunmehr ebenso die wirtschaftlichen, wie auch die Interessen des Staatshaushalts die Schaffung eines den Bedürfnissen der heimischen Produktion Rechnung tragenden neuen Lokalgütertarifs, der, auf dem Staffelsystem aufgebaut, am 1. Januar 1891 auch ins Leben getreten ist.

Der wirtschaftliche Aufschwung, der in den darauffolgenden Jahren zu verzeichnen ist, dürfte nicht in letzter Reihe auf den Einfluß der seitens des ungarischen Handelsministeriums eingeleiteten Tarifpolitik zurückzuführen sein.

Den Erfolg dieser Tarifpolitik kennzeichnet am besten der Umstand, daß die Grundlagen des neuen Lokaltarifs, besonders jene des Staffelsystems, und das Bareme dieses Tarifs, abgesehen von ganz unbedeutenden Änderungen, bis zum heutigen Tag aufrecht blieben.

Die fortwährende Preissteigerung der Betriebsmaterialien, die Besserung der sozialen und materiellen Lage der Bahnangestellten, vorwiegend aber die unausweichlichen bedeutenden Investitionen hatten ein stetes Anwachsen der Betriebsauslagen zur Folge, das naturgemäß zu einer Verschlimmerung der Betriebsbilanz führen mußte und nur durch verschiedentliche Tariferhöhungen wettgemacht werden konnte.

Solche Erhöhungen wurden am 1. Januar 1910 und am 1. März 1912 durchgeführt.

Zur Hebung des Personenverkehrs wurden seitens der U. verschiedene Einrichtungen getroffen (Ausgabe von Tour-, Retour-, Abonnements-, Saison-, Bade- u. s. w. Karten zu sehr ermäßigten Preisen, Wertmarkenhefte u. s. w.). Trotzdem war das Ergebnis kein entsprechendes. Die nach dieser Richtung angestellten Studien zeigten, daß derartige Ermäßigungen allein nicht zu dem gewünschten Erfolg führen, wenn nicht das System des Personentarifs selbst eine Änderung erfährt, welche den durch die geographische Lage des Landes, die Bevölkerungszahl, die Zahlungsfähigkeit der großen Masse u. s. w. bedingten volkswirtschaftlichen Momenten genügend Rechnung trägt.

Nach eingehenden Studien wurde auf den ungarischen Staatsbahnen und auf mehreren Privatbahnen der sog. Zonentarif eingeführt, der, was die Vermehrung der Frequenz anbelangt, ein überraschend günstiges Ergebnis lieferte (s. Personentarife).

Der auf den Linien der ungarischen Staatseisenbahnen im Jahre 1889 eingeführte Zonen-Personentarif wurde mit Rücksicht auf die veränderten Verhältnisse mit 1. Juli 1912 außer Kraft gesetzt und statt desselben ein myriametrischer Personentarif eingeführt, der seither wesentliche Erhöhungen erfahren hat.

Seitens der im Betrieb der ungarischen Staatsbahnen befindlichen Lokalbahnen sowie des überwiegenden Teiles der Privatbahnen wurde der auf den Linien der ungarischen

In den Siebzigerjahren entbrannte unter den U. ein heftiger Tarifkrieg und konnte erst der Ausbau einzelner Wettbewerbslinien bei den dem Machtbereich des Staates mehr untergeordneten Bahnen und der Abschluß von Verträgen den mit Benutzung der Refaktien geführten Konkurrenzkampf beseitigen.

Besonders wichtig war in dieser Richtung der mit der österreichisch-ungarischen Staatseisenbahngesellschaft am 8. Juni 1882 abgeschlossene Vertrag, ferner die Kartellierung des Verkehrs mit der Südbahn im Verkehr nach Triest und Fiume.

Seit dieser Zeit wurde ein Kartell nach dem andern geschlossen und eine gesunde Tarifpolitik beobachtet.

Bei Aufstellung der Tarife in Ungarn fanden auf allen Bahnen mit Ausnahme der Südbahn die Grundsätze des unter Einfluß der österreichischen und ungarischen Regierung im Jahre 1876 geschaffenen Reformtarifs Anwendung.

Dieser am 1. September 1881 neu aufgelegte Reformtarif, der seither auf sämtlichen ungarischen, österreichischen und bosnisch-hercegovinischen Eisenbahnen Anwendung fand, enthält außer den gemeinsamen reglementarischen und tarifarischen Bestimmungen und Nebengebühren die allgemeine Güterklassifikation. Die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung dieses Tarifs seitens der Bahnverwaltungen sichert der Art. IX des Ausgleichsgesetzes und wurde zu diesem Behuf das ständige Tarifkomitee der beteiligten Eisenbahnen geschaffen.

Nach der Verstaatlichung der Hauptlinien wurde eine die Ausfuhr der Landesprodukte in hohem Maß fördernde Tarifpolitik befolgt, der sich unter dem Zwang der Verhältnisse und dem Druck, den die Regierung mit Hilfe der von Tag zu Tag mächtiger werdenden Staatsbahnen ausübte, auch die Privatbahnen Ungarns anschließen mußten.

Die den neuerschlossenen wirtschaftlichen Unternehmungen gebotenen tarifarischen Begünstigungen mehrten sich in solchem Maß, daß sich die Regierung veranlaßt sah, dieselben in den neuen Tarif vom 1. Januar 1888 zu übernehmen.

Als dann im Jahre 1890 durch die Verstaatlichung sämtlicher ungarischen Linien der österreichisch-ungarischen Staatseisenbahngesellschaft das das ganze Land umspannende ungarische Staatseisenbahnnetz zur Vollendung gebracht wurde, erforderten nunmehr ebenso die wirtschaftlichen, wie auch die Interessen des Staatshaushalts die Schaffung eines den Bedürfnissen der heimischen Produktion Rechnung tragenden neuen Lokalgütertarifs, der, auf dem Staffelsystem aufgebaut, am 1. Januar 1891 auch ins Leben getreten ist.

Der wirtschaftliche Aufschwung, der in den darauffolgenden Jahren zu verzeichnen ist, dürfte nicht in letzter Reihe auf den Einfluß der seitens des ungarischen Handelsministeriums eingeleiteten Tarifpolitik zurückzuführen sein.

Den Erfolg dieser Tarifpolitik kennzeichnet am besten der Umstand, daß die Grundlagen des neuen Lokaltarifs, besonders jene des Staffelsystems, und das Bareme dieses Tarifs, abgesehen von ganz unbedeutenden Änderungen, bis zum heutigen Tag aufrecht blieben.

Die fortwährende Preissteigerung der Betriebsmaterialien, die Besserung der sozialen und materiellen Lage der Bahnangestellten, vorwiegend aber die unausweichlichen bedeutenden Investitionen hatten ein stetes Anwachsen der Betriebsauslagen zur Folge, das naturgemäß zu einer Verschlimmerung der Betriebsbilanz führen mußte und nur durch verschiedentliche Tariferhöhungen wettgemacht werden konnte.

Solche Erhöhungen wurden am 1. Januar 1910 und am 1. März 1912 durchgeführt.

Zur Hebung des Personenverkehrs wurden seitens der U. verschiedene Einrichtungen getroffen (Ausgabe von Tour-, Retour-, Abonnements-, Saison-, Bade- u. s. w. Karten zu sehr ermäßigten Preisen, Wertmarkenhefte u. s. w.). Trotzdem war das Ergebnis kein entsprechendes. Die nach dieser Richtung angestellten Studien zeigten, daß derartige Ermäßigungen allein nicht zu dem gewünschten Erfolg führen, wenn nicht das System des Personentarifs selbst eine Änderung erfährt, welche den durch die geographische Lage des Landes, die Bevölkerungszahl, die Zahlungsfähigkeit der großen Masse u. s. w. bedingten volkswirtschaftlichen Momenten genügend Rechnung trägt.

Nach eingehenden Studien wurde auf den ungarischen Staatsbahnen und auf mehreren Privatbahnen der sog. Zonentarif eingeführt, der, was die Vermehrung der Frequenz anbelangt, ein überraschend günstiges Ergebnis lieferte (s. Personentarife).

Der auf den Linien der ungarischen Staatseisenbahnen im Jahre 1889 eingeführte Zonen-Personentarif wurde mit Rücksicht auf die veränderten Verhältnisse mit 1. Juli 1912 außer Kraft gesetzt und statt desselben ein myriametrischer Personentarif eingeführt, der seither wesentliche Erhöhungen erfahren hat.

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[66/0079] In den Siebzigerjahren entbrannte unter den U. ein heftiger Tarifkrieg und konnte erst der Ausbau einzelner Wettbewerbslinien bei den dem Machtbereich des Staates mehr untergeordneten Bahnen und der Abschluß von Verträgen den mit Benutzung der Refaktien geführten Konkurrenzkampf beseitigen. Besonders wichtig war in dieser Richtung der mit der österreichisch-ungarischen Staatseisenbahngesellschaft am 8. Juni 1882 abgeschlossene Vertrag, ferner die Kartellierung des Verkehrs mit der Südbahn im Verkehr nach Triest und Fiume. Seit dieser Zeit wurde ein Kartell nach dem andern geschlossen und eine gesunde Tarifpolitik beobachtet. Bei Aufstellung der Tarife in Ungarn fanden auf allen Bahnen mit Ausnahme der Südbahn die Grundsätze des unter Einfluß der österreichischen und ungarischen Regierung im Jahre 1876 geschaffenen Reformtarifs Anwendung. Dieser am 1. September 1881 neu aufgelegte Reformtarif, der seither auf sämtlichen ungarischen, österreichischen und bosnisch-hercegovinischen Eisenbahnen Anwendung fand, enthält außer den gemeinsamen reglementarischen und tarifarischen Bestimmungen und Nebengebühren die allgemeine Güterklassifikation. Die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung dieses Tarifs seitens der Bahnverwaltungen sichert der Art. IX des Ausgleichsgesetzes und wurde zu diesem Behuf das ständige Tarifkomitee der beteiligten Eisenbahnen geschaffen. Nach der Verstaatlichung der Hauptlinien wurde eine die Ausfuhr der Landesprodukte in hohem Maß fördernde Tarifpolitik befolgt, der sich unter dem Zwang der Verhältnisse und dem Druck, den die Regierung mit Hilfe der von Tag zu Tag mächtiger werdenden Staatsbahnen ausübte, auch die Privatbahnen Ungarns anschließen mußten. Die den neuerschlossenen wirtschaftlichen Unternehmungen gebotenen tarifarischen Begünstigungen mehrten sich in solchem Maß, daß sich die Regierung veranlaßt sah, dieselben in den neuen Tarif vom 1. Januar 1888 zu übernehmen. Als dann im Jahre 1890 durch die Verstaatlichung sämtlicher ungarischen Linien der österreichisch-ungarischen Staatseisenbahngesellschaft das das ganze Land umspannende ungarische Staatseisenbahnnetz zur Vollendung gebracht wurde, erforderten nunmehr ebenso die wirtschaftlichen, wie auch die Interessen des Staatshaushalts die Schaffung eines den Bedürfnissen der heimischen Produktion Rechnung tragenden neuen Lokalgütertarifs, der, auf dem Staffelsystem aufgebaut, am 1. Januar 1891 auch ins Leben getreten ist. Der wirtschaftliche Aufschwung, der in den darauffolgenden Jahren zu verzeichnen ist, dürfte nicht in letzter Reihe auf den Einfluß der seitens des ungarischen Handelsministeriums eingeleiteten Tarifpolitik zurückzuführen sein. Den Erfolg dieser Tarifpolitik kennzeichnet am besten der Umstand, daß die Grundlagen des neuen Lokaltarifs, besonders jene des Staffelsystems, und das Bareme dieses Tarifs, abgesehen von ganz unbedeutenden Änderungen, bis zum heutigen Tag aufrecht blieben. Die fortwährende Preissteigerung der Betriebsmaterialien, die Besserung der sozialen und materiellen Lage der Bahnangestellten, vorwiegend aber die unausweichlichen bedeutenden Investitionen hatten ein stetes Anwachsen der Betriebsauslagen zur Folge, das naturgemäß zu einer Verschlimmerung der Betriebsbilanz führen mußte und nur durch verschiedentliche Tariferhöhungen wettgemacht werden konnte. Solche Erhöhungen wurden am 1. Januar 1910 und am 1. März 1912 durchgeführt. Zur Hebung des Personenverkehrs wurden seitens der U. verschiedene Einrichtungen getroffen (Ausgabe von Tour-, Retour-, Abonnements-, Saison-, Bade- u. s. w. Karten zu sehr ermäßigten Preisen, Wertmarkenhefte u. s. w.). Trotzdem war das Ergebnis kein entsprechendes. Die nach dieser Richtung angestellten Studien zeigten, daß derartige Ermäßigungen allein nicht zu dem gewünschten Erfolg führen, wenn nicht das System des Personentarifs selbst eine Änderung erfährt, welche den durch die geographische Lage des Landes, die Bevölkerungszahl, die Zahlungsfähigkeit der großen Masse u. s. w. bedingten volkswirtschaftlichen Momenten genügend Rechnung trägt. Nach eingehenden Studien wurde auf den ungarischen Staatsbahnen und auf mehreren Privatbahnen der sog. Zonentarif eingeführt, der, was die Vermehrung der Frequenz anbelangt, ein überraschend günstiges Ergebnis lieferte (s. Personentarife). Der auf den Linien der ungarischen Staatseisenbahnen im Jahre 1889 eingeführte Zonen-Personentarif wurde mit Rücksicht auf die veränderten Verhältnisse mit 1. Juli 1912 außer Kraft gesetzt und statt desselben ein myriametrischer Personentarif eingeführt, der seither wesentliche Erhöhungen erfahren hat. Seitens der im Betrieb der ungarischen Staatsbahnen befindlichen Lokalbahnen sowie des überwiegenden Teiles der Privatbahnen wurde der auf den Linien der ungarischen

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 10. Berlin, Wien, 1923, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen10_1923/79>, abgerufen am 22.06.2024.