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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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Einsprache blieb jedoch erfolglos, zumal die "Familie" laut
erklärte, sie bürge für des Neffen Treue 1).

Am 13. Dezember 1756 reiste er von Warschau ab, traf
am 3. Januar 1757 in Petersburg ein und hatte am 11. Ja-
nuar seine erste Audienz bei der Kaiserin. Seine etwas hoch-
trabende Anrede gefiel dieser so gut, daß sie dieselbe in der
Zeitung abdrucken ließ. Er hatte darin Friedrich II. mit der
giftigen Hydra verglichen, und als seine Familie sie in War-
schau las, fürchtete sie, daß dieser Vergleich ihr die Rache des
Königs zuziehen könne; dieser war jedoch weit entfernt davon.
"Ich wünschte", soll er gesagt haben, "er hätte die Wahrheit
gesprochen, und mir wüchse statt jedes abgeschlagnen ein neuer
Kopf." 2) Der junge Diplomat aber bewegte sich auf dem be-
kanntlich höchst schlüpfrigen und gefährlichen Boden des Peters-
burger Hofes mit Geschick und Glück. Sein Liebesverkehr mit
der Großfürstin auf der einen, und auf der andern Seite die
Gunst des Kanzlers, der mit im Geheimniß war, kamen ihm
hiebei wesentlich zu statten. Dem östreichischen Gesandten Ester-
hazy, welcher im Frühjahr 1757 eine neue Convention zwi-
schen Östreich und Rußland verhandelte, leistete er bei der
Großfürstin so gute Dienste, daß Fürst Kaunitz in einem
Rescript an jenen (26. Mai 1757) erklärte, das Vorurtheil,
welches er früher gegen Poniatowski gehabt, habe sich zu seiner
wahrhaften Freude nicht gerechtfertigt, der Gesandte könne
diesem das größte Vertrauen zollen und mit ihm in Allem zu-
sammenwirken 3). Frankreichs Mißtrauen ließ sich dagegen nicht
überwinden. Graf Broglie hatte von seinem ersten Auftreten

1) Stanisl. Aug., Pam., p. 225. Raumer, Beiträge etc. II, 419.
Kitowicz, Pam., p.
34 erzählt als ein Prognosticon für Poniatowski's
spätere Erhebung auf den Thron, daß er durch eine Verwechslung des
königlichen Kammerdieners ein Ordenszeichen mit der Inschrift pro fide,
lege et grege
erhalten habe, wie solches nur der König allein zu tragen
pflegte, während auf allen andern die Inschrift pro fide lege et rege
stand.
2) Stanisl. Aug., Pam., p. 239.
3) Dieser Brief von Kaunitz ist vollständig in Stanislaws Denkwürdig-
keiten S. 266 gedruckt.

Einſprache blieb jedoch erfolglos, zumal die „Familie“ laut
erklärte, ſie bürge für des Neffen Treue 1).

Am 13. Dezember 1756 reiſte er von Warſchau ab, traf
am 3. Januar 1757 in Petersburg ein und hatte am 11. Ja-
nuar ſeine erſte Audienz bei der Kaiſerin. Seine etwas hoch-
trabende Anrede gefiel dieſer ſo gut, daß ſie dieſelbe in der
Zeitung abdrucken ließ. Er hatte darin Friedrich II. mit der
giftigen Hydra verglichen, und als ſeine Familie ſie in War-
ſchau las, fürchtete ſie, daß dieſer Vergleich ihr die Rache des
Königs zuziehen könne; dieſer war jedoch weit entfernt davon.
„Ich wünſchte“, ſoll er geſagt haben, „er hätte die Wahrheit
geſprochen, und mir wüchſe ſtatt jedes abgeſchlagnen ein neuer
Kopf.“ 2) Der junge Diplomat aber bewegte ſich auf dem be-
kanntlich höchſt ſchlüpfrigen und gefährlichen Boden des Peters-
burger Hofes mit Geſchick und Glück. Sein Liebesverkehr mit
der Großfürſtin auf der einen, und auf der andern Seite die
Gunſt des Kanzlers, der mit im Geheimniß war, kamen ihm
hiebei weſentlich zu ſtatten. Dem öſtreichiſchen Geſandten Eſter-
hazy, welcher im Frühjahr 1757 eine neue Convention zwi-
ſchen Öſtreich und Rußland verhandelte, leiſtete er bei der
Großfürſtin ſo gute Dienſte, daß Fürſt Kaunitz in einem
Reſcript an jenen (26. Mai 1757) erklärte, das Vorurtheil,
welches er früher gegen Poniatowski gehabt, habe ſich zu ſeiner
wahrhaften Freude nicht gerechtfertigt, der Geſandte könne
dieſem das größte Vertrauen zollen und mit ihm in Allem zu-
ſammenwirken 3). Frankreichs Mißtrauen ließ ſich dagegen nicht
überwinden. Graf Broglie hatte von ſeinem erſten Auftreten

1) Stanisl. Aug., Pam., p. 225. Raumer, Beiträge ꝛc. II, 419.
Kitowicz, Pam., p.
34 erzählt als ein Prognoſticon für Poniatowski’s
ſpätere Erhebung auf den Thron, daß er durch eine Verwechslung des
königlichen Kammerdieners ein Ordenszeichen mit der Inſchrift pro fide,
lege et grege
erhalten habe, wie ſolches nur der König allein zu tragen
pflegte, während auf allen andern die Inſchrift pro fide lege et rege
ſtand.
2) Stanisl. Aug., Pam., p. 239.
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keiten S. 266 gedruckt.
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[120/0134] Einſprache blieb jedoch erfolglos, zumal die „Familie“ laut erklärte, ſie bürge für des Neffen Treue 1). Am 13. Dezember 1756 reiſte er von Warſchau ab, traf am 3. Januar 1757 in Petersburg ein und hatte am 11. Ja- nuar ſeine erſte Audienz bei der Kaiſerin. Seine etwas hoch- trabende Anrede gefiel dieſer ſo gut, daß ſie dieſelbe in der Zeitung abdrucken ließ. Er hatte darin Friedrich II. mit der giftigen Hydra verglichen, und als ſeine Familie ſie in War- ſchau las, fürchtete ſie, daß dieſer Vergleich ihr die Rache des Königs zuziehen könne; dieſer war jedoch weit entfernt davon. „Ich wünſchte“, ſoll er geſagt haben, „er hätte die Wahrheit geſprochen, und mir wüchſe ſtatt jedes abgeſchlagnen ein neuer Kopf.“ 2) Der junge Diplomat aber bewegte ſich auf dem be- kanntlich höchſt ſchlüpfrigen und gefährlichen Boden des Peters- burger Hofes mit Geſchick und Glück. Sein Liebesverkehr mit der Großfürſtin auf der einen, und auf der andern Seite die Gunſt des Kanzlers, der mit im Geheimniß war, kamen ihm hiebei weſentlich zu ſtatten. Dem öſtreichiſchen Geſandten Eſter- hazy, welcher im Frühjahr 1757 eine neue Convention zwi- ſchen Öſtreich und Rußland verhandelte, leiſtete er bei der Großfürſtin ſo gute Dienſte, daß Fürſt Kaunitz in einem Reſcript an jenen (26. Mai 1757) erklärte, das Vorurtheil, welches er früher gegen Poniatowski gehabt, habe ſich zu ſeiner wahrhaften Freude nicht gerechtfertigt, der Geſandte könne dieſem das größte Vertrauen zollen und mit ihm in Allem zu- ſammenwirken 3). Frankreichs Mißtrauen ließ ſich dagegen nicht überwinden. Graf Broglie hatte von ſeinem erſten Auftreten 1) Stanisl. Aug., Pam., p. 225. Raumer, Beiträge ꝛc. II, 419. Kitowicz, Pam., p. 34 erzählt als ein Prognoſticon für Poniatowski’s ſpätere Erhebung auf den Thron, daß er durch eine Verwechslung des königlichen Kammerdieners ein Ordenszeichen mit der Inſchrift pro fide, lege et grege erhalten habe, wie ſolches nur der König allein zu tragen pflegte, während auf allen andern die Inſchrift pro fide lege et rege ſtand. 2) Stanisl. Aug., Pam., p. 239. 3) Dieſer Brief von Kaunitz iſt vollſtändig in Stanislaws Denkwürdig- keiten S. 266 gedruckt.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/134>, abgerufen am 21.11.2024.