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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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unternahm General v. Platen mit denselben Erfolgen im Sep-
tember 1761. Bei Gostyn, woselbst er die Russen in einer
Art von Wagenburg von 5000 mit Geld, Munition und
Proviant beladenen Wagen traf, nahm er dieselbe mit Sturm,
vernichtete dann die Magazine in Posen und zog von dort
durch das polnische Gebiet bis Landsberg zurück 1).

Gar gern hätten der Hof und dessen Parthei diese preu-
ßischen Einfälle benutzt, um die Republik zum offnen Kriege
gegen Friedrich II. mit fortzureißen. Allein die Nation wollte
hievon nichts wissen. In ihrer Masse hatte sich bereits seit
lange die wunderbare Vorstellung eingewurzelt, daß ihre Un-
abhängigkeit und die Integrität ihres Landes am besten gewahrt
würden, wenn sie sich in keine politische Verwicklung nach Außen
einlasse, daß die gegenseitige Eifersucht der Nachbarn sie aus-
reichend schütze und sie sich daher jede Anspannung der eignen
Kräfte ersparen könne. Die Erinnerung, daß sich ihre Republik
nach all den gewaltigen Stürmen, die sie im 17. Jahrhundert
mehr als einmal niedergeworfen, immer wieder erhoben habe,
bestärkte sie in Verbindung mit der allgemeinen Genußsucht,
geistigen Ermattung und Unbildung in jenem Wahne, der ihr
schließlich nur verderblich werden konnte.

Außerdem trat fast bei allen die Noth des Landes weit
hinter die persönlichen und Parthei-Interessen zurück. Schroffer
noch wie bisher stellte sich die "Familie" dem Hofe gegenüber.
Zwar hatte Brühl bereits im März 1758 den Rath, den ihm
Bestucheff noch kurz vor seinem Sturze gegeben, befolgt, indem
er den König die Sequestration der Ostrogschen Güter auf-
heben ließ. Auch hatte ihm der junge Stanislaw Poniatowski
hiefür noch aus Petersburg aufs wärmste gedankt, indem er
ihm am 23. Mai d. J. schrieb: "Es ist dies eine Wohlthat,
welche alle das Vaterland und die Freiheit liebenden Herzen
mit neuen Banden der Dankbarkeit dem Monarchen verbindet."
Allein, wenn Brühl neben der Rücksicht auf Rußland hiedurch
die "Familie" sich wieder zu gewinnen gedacht haben sollte,

1) Schäfer a. a. O. II, 1. S. 276. 292; II, 2. S. 242.
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unternahm General v. Platen mit denſelben Erfolgen im Sep-
tember 1761. Bei Goſtyn, woſelbſt er die Ruſſen in einer
Art von Wagenburg von 5000 mit Geld, Munition und
Proviant beladenen Wagen traf, nahm er dieſelbe mit Sturm,
vernichtete dann die Magazine in Poſen und zog von dort
durch das polniſche Gebiet bis Landsberg zurück 1).

Gar gern hätten der Hof und deſſen Parthei dieſe preu-
ßiſchen Einfälle benutzt, um die Republik zum offnen Kriege
gegen Friedrich II. mit fortzureißen. Allein die Nation wollte
hievon nichts wiſſen. In ihrer Maſſe hatte ſich bereits ſeit
lange die wunderbare Vorſtellung eingewurzelt, daß ihre Un-
abhängigkeit und die Integrität ihres Landes am beſten gewahrt
würden, wenn ſie ſich in keine politiſche Verwicklung nach Außen
einlaſſe, daß die gegenſeitige Eiferſucht der Nachbarn ſie aus-
reichend ſchütze und ſie ſich daher jede Anſpannung der eignen
Kräfte erſparen könne. Die Erinnerung, daß ſich ihre Republik
nach all den gewaltigen Stürmen, die ſie im 17. Jahrhundert
mehr als einmal niedergeworfen, immer wieder erhoben habe,
beſtärkte ſie in Verbindung mit der allgemeinen Genußſucht,
geiſtigen Ermattung und Unbildung in jenem Wahne, der ihr
ſchließlich nur verderblich werden konnte.

Außerdem trat faſt bei allen die Noth des Landes weit
hinter die perſönlichen und Parthei-Intereſſen zurück. Schroffer
noch wie bisher ſtellte ſich die „Familie“ dem Hofe gegenüber.
Zwar hatte Brühl bereits im März 1758 den Rath, den ihm
Beſtucheff noch kurz vor ſeinem Sturze gegeben, befolgt, indem
er den König die Sequeſtration der Oſtrogſchen Güter auf-
heben ließ. Auch hatte ihm der junge Stanislaw Poniatowski
hiefür noch aus Petersburg aufs wärmſte gedankt, indem er
ihm am 23. Mai d. J. ſchrieb: „Es iſt dies eine Wohlthat,
welche alle das Vaterland und die Freiheit liebenden Herzen
mit neuen Banden der Dankbarkeit dem Monarchen verbindet.“
Allein, wenn Brühl neben der Rückſicht auf Rußland hiedurch
die „Familie“ ſich wieder zu gewinnen gedacht haben ſollte,

1) Schäfer a. a. O. II, 1. S. 276. 292; II, 2. S. 242.
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[131/0145] unternahm General v. Platen mit denſelben Erfolgen im Sep- tember 1761. Bei Goſtyn, woſelbſt er die Ruſſen in einer Art von Wagenburg von 5000 mit Geld, Munition und Proviant beladenen Wagen traf, nahm er dieſelbe mit Sturm, vernichtete dann die Magazine in Poſen und zog von dort durch das polniſche Gebiet bis Landsberg zurück 1). Gar gern hätten der Hof und deſſen Parthei dieſe preu- ßiſchen Einfälle benutzt, um die Republik zum offnen Kriege gegen Friedrich II. mit fortzureißen. Allein die Nation wollte hievon nichts wiſſen. In ihrer Maſſe hatte ſich bereits ſeit lange die wunderbare Vorſtellung eingewurzelt, daß ihre Un- abhängigkeit und die Integrität ihres Landes am beſten gewahrt würden, wenn ſie ſich in keine politiſche Verwicklung nach Außen einlaſſe, daß die gegenſeitige Eiferſucht der Nachbarn ſie aus- reichend ſchütze und ſie ſich daher jede Anſpannung der eignen Kräfte erſparen könne. Die Erinnerung, daß ſich ihre Republik nach all den gewaltigen Stürmen, die ſie im 17. Jahrhundert mehr als einmal niedergeworfen, immer wieder erhoben habe, beſtärkte ſie in Verbindung mit der allgemeinen Genußſucht, geiſtigen Ermattung und Unbildung in jenem Wahne, der ihr ſchließlich nur verderblich werden konnte. Außerdem trat faſt bei allen die Noth des Landes weit hinter die perſönlichen und Parthei-Intereſſen zurück. Schroffer noch wie bisher ſtellte ſich die „Familie“ dem Hofe gegenüber. Zwar hatte Brühl bereits im März 1758 den Rath, den ihm Beſtucheff noch kurz vor ſeinem Sturze gegeben, befolgt, indem er den König die Sequeſtration der Oſtrogſchen Güter auf- heben ließ. Auch hatte ihm der junge Stanislaw Poniatowski hiefür noch aus Petersburg aufs wärmſte gedankt, indem er ihm am 23. Mai d. J. ſchrieb: „Es iſt dies eine Wohlthat, welche alle das Vaterland und die Freiheit liebenden Herzen mit neuen Banden der Dankbarkeit dem Monarchen verbindet.“ Allein, wenn Brühl neben der Rückſicht auf Rußland hiedurch die „Familie“ ſich wieder zu gewinnen gedacht haben ſollte, 1) Schäfer a. a. O. II, 1. S. 276. 292; II, 2. S. 242. 9*

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/145>, abgerufen am 21.11.2024.