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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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so machte er bald die Erfahrung, wie sehr er sich getäuscht
habe. Es war damals ein Lieblingswunsch August III., seinem
Sohne Karl das Herzogthum Kurland zuzuwenden, welches seit
dem Sturze Birons Jahre lang durch die vier sog. ständischen
Oberräthe, zwar im Namen des Königs und der Republik, aber
thatsächlich nur nach dem Willen Rußlands verwaltet worden
war. Um die Kaiserin Elisabeth hiefür zu gewinnen, ward
Prinz Carl im April 1758 mit stattlichem Gefolge nach
Petersburg gesandt. Sprößlinge der angesehensten Familien
Polens begleiteten ihn: ein Lubomirski, ein Potocki, ein
Rzewuski, den man den "Schönen" nannte, zwei Fürsten
Sulkowski, und endlich Franz Xaver Branicki. Aus einer andern
Familie als der Krongroßfeldherr entsprossen, gewann der
letztere damals durch den Dienst, den er Poniatowski bei dem
Verkehr mit der Großfürstin leistete, zuerst dessen Gunst, die
ihn später so rasch emporhob und der er bekanntlich mit dem
schwärzesten Undank lohnte. Mehrere Monate verweilte Prinz
Karl am Hofe und erreichte das Ziel seiner Wünsche 1). Die
Kaiserin erklärte, daß Biron, welchen sie zwar aus Sibirien
zurückkommen lassen, aber in Jaroslaw internirt hatte, niemals
wieder als Herzog nach Kurland zurückkehren dürfe, und kün-
digte dann den kurländischen Ständen an, daß sie mit der Er-
hebung Karls einverstanden sei. Auch die Stände willigten
darein, worauf August III. ein Senatsconsilium zum 30. Oktober
nach Warschau berief, um die ganze Sache zum Abschluß zu
bringen. Als er aber in demselben erklärte, daß er gemäß
der Constitution von 1736 seinen Sohn mit dem Herzogthum
belehnen wolle, widersprachen die Czartoryski aufs entschiedenste,
daß ihm das Recht hiezu zustehe. Die Constitution von 1736,
eine der Früchte des Pacificationsreichstages, hatte dem König
das Recht zugesprochen, nach dem Tode des Herzog Ferdinand
von Kurland "einem andern cum successoribus ejus ma-

1) Prinz Carl kam nach Stanisl. Aug., Pam., p. 327 am 10. April
in Petersburg an und blieb bis zum 4. Juli. Poniatowski berichtete
dem Hofe sehr ausführlich über dessen Aufenthalt, und auch Katharina
spricht in ihren Memoiren mehrfach von ihm.

ſo machte er bald die Erfahrung, wie ſehr er ſich getäuſcht
habe. Es war damals ein Lieblingswunſch Auguſt III., ſeinem
Sohne Karl das Herzogthum Kurland zuzuwenden, welches ſeit
dem Sturze Birons Jahre lang durch die vier ſog. ſtändiſchen
Oberräthe, zwar im Namen des Königs und der Republik, aber
thatſächlich nur nach dem Willen Rußlands verwaltet worden
war. Um die Kaiſerin Eliſabeth hiefür zu gewinnen, ward
Prinz Carl im April 1758 mit ſtattlichem Gefolge nach
Petersburg geſandt. Sprößlinge der angeſehenſten Familien
Polens begleiteten ihn: ein Lubomirski, ein Potocki, ein
Rzewuski, den man den „Schönen“ nannte, zwei Fürſten
Sulkowski, und endlich Franz Xaver Branicki. Aus einer andern
Familie als der Krongroßfeldherr entſproſſen, gewann der
letztere damals durch den Dienſt, den er Poniatowski bei dem
Verkehr mit der Großfürſtin leiſtete, zuerſt deſſen Gunſt, die
ihn ſpäter ſo raſch emporhob und der er bekanntlich mit dem
ſchwärzeſten Undank lohnte. Mehrere Monate verweilte Prinz
Karl am Hofe und erreichte das Ziel ſeiner Wünſche 1). Die
Kaiſerin erklärte, daß Biron, welchen ſie zwar aus Sibirien
zurückkommen laſſen, aber in Jaroslaw internirt hatte, niemals
wieder als Herzog nach Kurland zurückkehren dürfe, und kün-
digte dann den kurländiſchen Ständen an, daß ſie mit der Er-
hebung Karls einverſtanden ſei. Auch die Stände willigten
darein, worauf Auguſt III. ein Senatsconſilium zum 30. Oktober
nach Warſchau berief, um die ganze Sache zum Abſchluß zu
bringen. Als er aber in demſelben erklärte, daß er gemäß
der Conſtitution von 1736 ſeinen Sohn mit dem Herzogthum
belehnen wolle, widerſprachen die Czartoryski aufs entſchiedenſte,
daß ihm das Recht hiezu zuſtehe. Die Conſtitution von 1736,
eine der Früchte des Pacificationsreichstages, hatte dem König
das Recht zugeſprochen, nach dem Tode des Herzog Ferdinand
von Kurland „einem andern cum successoribus ejus ma-

1) Prinz Carl kam nach Stanisl. Aug., Pam., p. 327 am 10. April
in Petersburg an und blieb bis zum 4. Juli. Poniatowski berichtete
dem Hofe ſehr ausführlich über deſſen Aufenthalt, und auch Katharina
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[132/0146] ſo machte er bald die Erfahrung, wie ſehr er ſich getäuſcht habe. Es war damals ein Lieblingswunſch Auguſt III., ſeinem Sohne Karl das Herzogthum Kurland zuzuwenden, welches ſeit dem Sturze Birons Jahre lang durch die vier ſog. ſtändiſchen Oberräthe, zwar im Namen des Königs und der Republik, aber thatſächlich nur nach dem Willen Rußlands verwaltet worden war. Um die Kaiſerin Eliſabeth hiefür zu gewinnen, ward Prinz Carl im April 1758 mit ſtattlichem Gefolge nach Petersburg geſandt. Sprößlinge der angeſehenſten Familien Polens begleiteten ihn: ein Lubomirski, ein Potocki, ein Rzewuski, den man den „Schönen“ nannte, zwei Fürſten Sulkowski, und endlich Franz Xaver Branicki. Aus einer andern Familie als der Krongroßfeldherr entſproſſen, gewann der letztere damals durch den Dienſt, den er Poniatowski bei dem Verkehr mit der Großfürſtin leiſtete, zuerſt deſſen Gunſt, die ihn ſpäter ſo raſch emporhob und der er bekanntlich mit dem ſchwärzeſten Undank lohnte. Mehrere Monate verweilte Prinz Karl am Hofe und erreichte das Ziel ſeiner Wünſche 1). Die Kaiſerin erklärte, daß Biron, welchen ſie zwar aus Sibirien zurückkommen laſſen, aber in Jaroslaw internirt hatte, niemals wieder als Herzog nach Kurland zurückkehren dürfe, und kün- digte dann den kurländiſchen Ständen an, daß ſie mit der Er- hebung Karls einverſtanden ſei. Auch die Stände willigten darein, worauf Auguſt III. ein Senatsconſilium zum 30. Oktober nach Warſchau berief, um die ganze Sache zum Abſchluß zu bringen. Als er aber in demſelben erklärte, daß er gemäß der Conſtitution von 1736 ſeinen Sohn mit dem Herzogthum belehnen wolle, widerſprachen die Czartoryski aufs entſchiedenſte, daß ihm das Recht hiezu zuſtehe. Die Conſtitution von 1736, eine der Früchte des Pacificationsreichstages, hatte dem König das Recht zugeſprochen, nach dem Tode des Herzog Ferdinand von Kurland „einem andern cum successoribus ejus ma- 1) Prinz Carl kam nach Stanisl. Aug., Pam., p. 327 am 10. April in Petersburg an und blieb bis zum 4. Juli. Poniatowski berichtete dem Hofe ſehr ausführlich über deſſen Aufenthalt, und auch Katharina ſpricht in ihren Memoiren mehrfach von ihm.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/146>, abgerufen am 21.11.2024.