Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.so machte er bald die Erfahrung, wie sehr er sich getäuscht 1) Prinz Carl kam nach Stanisl. Aug., Pam., p. 327 am 10. April
in Petersburg an und blieb bis zum 4. Juli. Poniatowski berichtete dem Hofe sehr ausführlich über dessen Aufenthalt, und auch Katharina spricht in ihren Memoiren mehrfach von ihm. ſo machte er bald die Erfahrung, wie ſehr er ſich getäuſcht 1) Prinz Carl kam nach Stanisl. Aug., Pam., p. 327 am 10. April
in Petersburg an und blieb bis zum 4. Juli. Poniatowski berichtete dem Hofe ſehr ausführlich über deſſen Aufenthalt, und auch Katharina ſpricht in ihren Memoiren mehrfach von ihm. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0146" n="132"/> ſo machte er bald die Erfahrung, wie ſehr er ſich getäuſcht<lb/> habe. Es war damals ein Lieblingswunſch Auguſt <hi rendition="#aq">III.</hi>, ſeinem<lb/> Sohne Karl das Herzogthum Kurland zuzuwenden, welches ſeit<lb/> dem Sturze Birons Jahre lang durch die vier ſog. ſtändiſchen<lb/> Oberräthe, zwar im Namen des Königs und der Republik, aber<lb/> thatſächlich nur nach dem Willen Rußlands verwaltet worden<lb/> war. Um die Kaiſerin Eliſabeth hiefür zu gewinnen, ward<lb/> Prinz Carl im April 1758 mit ſtattlichem Gefolge nach<lb/> Petersburg geſandt. Sprößlinge der angeſehenſten Familien<lb/> Polens begleiteten ihn: ein Lubomirski, ein Potocki, ein<lb/> Rzewuski, den man den „Schönen“ nannte, zwei Fürſten<lb/> Sulkowski, und endlich Franz Xaver Branicki. Aus einer andern<lb/> Familie als der Krongroßfeldherr entſproſſen, gewann der<lb/> letztere damals durch den Dienſt, den er Poniatowski bei dem<lb/> Verkehr mit der Großfürſtin leiſtete, zuerſt deſſen Gunſt, die<lb/> ihn ſpäter ſo raſch emporhob und der er bekanntlich mit dem<lb/> ſchwärzeſten Undank lohnte. Mehrere Monate verweilte Prinz<lb/> Karl am Hofe und erreichte das Ziel ſeiner Wünſche <note place="foot" n="1)">Prinz Carl kam nach <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Stanisl. Aug</hi>., Pam., p.</hi> 327 am 10. April<lb/> in Petersburg an und blieb bis zum 4. Juli. Poniatowski berichtete<lb/> dem Hofe ſehr ausführlich über deſſen Aufenthalt, und auch Katharina<lb/> ſpricht in ihren Memoiren mehrfach von ihm.</note>. Die<lb/> Kaiſerin erklärte, daß Biron, welchen ſie zwar aus Sibirien<lb/> zurückkommen laſſen, aber in Jaroslaw internirt hatte, niemals<lb/> wieder als Herzog nach Kurland zurückkehren dürfe, und kün-<lb/> digte dann den kurländiſchen Ständen an, daß ſie mit der Er-<lb/> hebung Karls einverſtanden ſei. Auch die Stände willigten<lb/> darein, worauf Auguſt <hi rendition="#aq">III.</hi> ein Senatsconſilium zum 30. Oktober<lb/> nach Warſchau berief, um die ganze Sache zum Abſchluß zu<lb/> bringen. Als er aber in demſelben erklärte, daß er gemäß<lb/> der Conſtitution von 1736 ſeinen Sohn mit dem Herzogthum<lb/> belehnen wolle, widerſprachen die Czartoryski aufs entſchiedenſte,<lb/> daß ihm das Recht hiezu zuſtehe. Die Conſtitution von 1736,<lb/> eine der Früchte des Pacificationsreichstages, hatte dem König<lb/> das Recht zugeſprochen, nach dem Tode des Herzog Ferdinand<lb/> von Kurland „<hi rendition="#g">einem andern</hi> <hi rendition="#aq">cum successoribus ejus ma-<lb/></hi></p> </div> </body> </text> </TEI> [132/0146]
ſo machte er bald die Erfahrung, wie ſehr er ſich getäuſcht
habe. Es war damals ein Lieblingswunſch Auguſt III., ſeinem
Sohne Karl das Herzogthum Kurland zuzuwenden, welches ſeit
dem Sturze Birons Jahre lang durch die vier ſog. ſtändiſchen
Oberräthe, zwar im Namen des Königs und der Republik, aber
thatſächlich nur nach dem Willen Rußlands verwaltet worden
war. Um die Kaiſerin Eliſabeth hiefür zu gewinnen, ward
Prinz Carl im April 1758 mit ſtattlichem Gefolge nach
Petersburg geſandt. Sprößlinge der angeſehenſten Familien
Polens begleiteten ihn: ein Lubomirski, ein Potocki, ein
Rzewuski, den man den „Schönen“ nannte, zwei Fürſten
Sulkowski, und endlich Franz Xaver Branicki. Aus einer andern
Familie als der Krongroßfeldherr entſproſſen, gewann der
letztere damals durch den Dienſt, den er Poniatowski bei dem
Verkehr mit der Großfürſtin leiſtete, zuerſt deſſen Gunſt, die
ihn ſpäter ſo raſch emporhob und der er bekanntlich mit dem
ſchwärzeſten Undank lohnte. Mehrere Monate verweilte Prinz
Karl am Hofe und erreichte das Ziel ſeiner Wünſche 1). Die
Kaiſerin erklärte, daß Biron, welchen ſie zwar aus Sibirien
zurückkommen laſſen, aber in Jaroslaw internirt hatte, niemals
wieder als Herzog nach Kurland zurückkehren dürfe, und kün-
digte dann den kurländiſchen Ständen an, daß ſie mit der Er-
hebung Karls einverſtanden ſei. Auch die Stände willigten
darein, worauf Auguſt III. ein Senatsconſilium zum 30. Oktober
nach Warſchau berief, um die ganze Sache zum Abſchluß zu
bringen. Als er aber in demſelben erklärte, daß er gemäß
der Conſtitution von 1736 ſeinen Sohn mit dem Herzogthum
belehnen wolle, widerſprachen die Czartoryski aufs entſchiedenſte,
daß ihm das Recht hiezu zuſtehe. Die Conſtitution von 1736,
eine der Früchte des Pacificationsreichstages, hatte dem König
das Recht zugeſprochen, nach dem Tode des Herzog Ferdinand
von Kurland „einem andern cum successoribus ejus ma-
1) Prinz Carl kam nach Stanisl. Aug., Pam., p. 327 am 10. April
in Petersburg an und blieb bis zum 4. Juli. Poniatowski berichtete
dem Hofe ſehr ausführlich über deſſen Aufenthalt, und auch Katharina
ſpricht in ihren Memoiren mehrfach von ihm.
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