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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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verkehrs wären ihr in den kritischen Tagen abhanden gekommen;
er möge ihr so wenig als möglich, oder vielmehr ohne zwingende
Noth gar nicht schreiben. In allen ihren folgenden Briefen
bis gegen den Schluß des Jahres wiederholt sie die Versiche-
rungen ihrer Freundschaft und ihres Schutzes für ihn und die
"Familie", aber auch zugleich, daß er seinen, wie es scheint
wiederholt ausgesprochnen Wunsch, nach Petersburg zu kommen,
unter keinen Umständen ausführen solle. "Ihre Ankunft hier
würde die traurigsten Folgen nach sich ziehen", schrieb sie ihm
am 3./12. September, und am 27. November (8. December),
"wenn Sie hierher kommen, so laufen wir Gefahr, beide
massacrirt zu werden". Daneben zeigt sie sich ihm an Geist
und Character schon damals weit überlegen und sagt ihm ernst
die Wahrheit. "Ich kann und ich will mich über viele Dinge
nicht äußern -- mein Verhalten muß so sein, wie es ist --
ich habe es wiederholt gesagt und sage es wieder, Sie wollen
geschmeichelt sein, ich aber kann das nicht und will es nicht,
und bedarf tausendmal am Tage gleicher Festigkeit, und will
uns nicht verderben." (12/3. September.) Und dann wieder:
"Nur ich allein kann mich in allen Lagen meines Lebens be-
stimmen -- ich habe es Ihnen gesagt, daß Ihre Briefe nichts,
gar nichts vermögen, und daß, wenn Sie weise wären, Sie
sich hüten würden, sie zu schreiben; statt dessen sollten Sie
alles, was die Geschäfte betrifft, einfach an Keyserling geben,
um es mir zu übersenden. -- Sagen Sie, was Sie wollen,
ich werde inzwischen die guten Wünsche, die ich für Ihre Fa-
milie hege, durch die That beweisen, indem ich Sie nach besten
Kräften unterstütze." (22./11. November, 8. December / 27. No-
vember 1).)

Während Katharina solchergestalt die Hoffnungen der "Fa-
milie" in der Gegenwart und für die Zukunft im Geheimen
nährte, trat sie auch öffentlich sehr bald dem Warschauer Hofe
gegenüber mit einer Forderung auf, welche diesen in die pein-

1) Der Brief vom 22./11. November ist auch und zwar als bisher
"ungedruckt" bei Beer, Erste Theilung Polens II, 323 abgedruckt.

verkehrs wären ihr in den kritiſchen Tagen abhanden gekommen;
er möge ihr ſo wenig als möglich, oder vielmehr ohne zwingende
Noth gar nicht ſchreiben. In allen ihren folgenden Briefen
bis gegen den Schluß des Jahres wiederholt ſie die Verſiche-
rungen ihrer Freundſchaft und ihres Schutzes für ihn und die
„Familie“, aber auch zugleich, daß er ſeinen, wie es ſcheint
wiederholt ausgeſprochnen Wunſch, nach Petersburg zu kommen,
unter keinen Umſtänden ausführen ſolle. „Ihre Ankunft hier
würde die traurigſten Folgen nach ſich ziehen“, ſchrieb ſie ihm
am 3./12. September, und am 27. November (8. December),
„wenn Sie hierher kommen, ſo laufen wir Gefahr, beide
maſſacrirt zu werden“. Daneben zeigt ſie ſich ihm an Geiſt
und Character ſchon damals weit überlegen und ſagt ihm ernſt
die Wahrheit. „Ich kann und ich will mich über viele Dinge
nicht äußern — mein Verhalten muß ſo ſein, wie es iſt —
ich habe es wiederholt geſagt und ſage es wieder, Sie wollen
geſchmeichelt ſein, ich aber kann das nicht und will es nicht,
und bedarf tauſendmal am Tage gleicher Feſtigkeit, und will
uns nicht verderben.“ (12/3. September.) Und dann wieder:
„Nur ich allein kann mich in allen Lagen meines Lebens be-
ſtimmen — ich habe es Ihnen geſagt, daß Ihre Briefe nichts,
gar nichts vermögen, und daß, wenn Sie weiſe wären, Sie
ſich hüten würden, ſie zu ſchreiben; ſtatt deſſen ſollten Sie
alles, was die Geſchäfte betrifft, einfach an Keyſerling geben,
um es mir zu überſenden. — Sagen Sie, was Sie wollen,
ich werde inzwiſchen die guten Wünſche, die ich für Ihre Fa-
milie hege, durch die That beweiſen, indem ich Sie nach beſten
Kräften unterſtütze.“ (22./11. November, 8. December / 27. No-
vember 1).)

Während Katharina ſolchergeſtalt die Hoffnungen der „Fa-
milie“ in der Gegenwart und für die Zukunft im Geheimen
nährte, trat ſie auch öffentlich ſehr bald dem Warſchauer Hofe
gegenüber mit einer Forderung auf, welche dieſen in die pein-

1) Der Brief vom 22./11. November iſt auch und zwar als bisher
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[154/0168] verkehrs wären ihr in den kritiſchen Tagen abhanden gekommen; er möge ihr ſo wenig als möglich, oder vielmehr ohne zwingende Noth gar nicht ſchreiben. In allen ihren folgenden Briefen bis gegen den Schluß des Jahres wiederholt ſie die Verſiche- rungen ihrer Freundſchaft und ihres Schutzes für ihn und die „Familie“, aber auch zugleich, daß er ſeinen, wie es ſcheint wiederholt ausgeſprochnen Wunſch, nach Petersburg zu kommen, unter keinen Umſtänden ausführen ſolle. „Ihre Ankunft hier würde die traurigſten Folgen nach ſich ziehen“, ſchrieb ſie ihm am 3./12. September, und am 27. November (8. December), „wenn Sie hierher kommen, ſo laufen wir Gefahr, beide maſſacrirt zu werden“. Daneben zeigt ſie ſich ihm an Geiſt und Character ſchon damals weit überlegen und ſagt ihm ernſt die Wahrheit. „Ich kann und ich will mich über viele Dinge nicht äußern — mein Verhalten muß ſo ſein, wie es iſt — ich habe es wiederholt geſagt und ſage es wieder, Sie wollen geſchmeichelt ſein, ich aber kann das nicht und will es nicht, und bedarf tauſendmal am Tage gleicher Feſtigkeit, und will uns nicht verderben.“ (12/3. September.) Und dann wieder: „Nur ich allein kann mich in allen Lagen meines Lebens be- ſtimmen — ich habe es Ihnen geſagt, daß Ihre Briefe nichts, gar nichts vermögen, und daß, wenn Sie weiſe wären, Sie ſich hüten würden, ſie zu ſchreiben; ſtatt deſſen ſollten Sie alles, was die Geſchäfte betrifft, einfach an Keyſerling geben, um es mir zu überſenden. — Sagen Sie, was Sie wollen, ich werde inzwiſchen die guten Wünſche, die ich für Ihre Fa- milie hege, durch die That beweiſen, indem ich Sie nach beſten Kräften unterſtütze.“ (22./11. November, 8. December / 27. No- vember 1).) Während Katharina ſolchergeſtalt die Hoffnungen der „Fa- milie“ in der Gegenwart und für die Zukunft im Geheimen nährte, trat ſie auch öffentlich ſehr bald dem Warſchauer Hofe gegenüber mit einer Forderung auf, welche dieſen in die pein- 1) Der Brief vom 22./11. November iſt auch und zwar als bisher „ungedruckt“ bei Beer, Erſte Theilung Polens II, 323 abgedruckt.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/168>, abgerufen am 21.11.2024.