Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.dieser "Herren", in deren unmittelbaren Dienst; andere hingen 1) Auch diese Clientelverhältnisse waren gewöhnlich factisch erblich.
Die Eltern, welche im Dienst oder durch Anschluß an gewisse Herren- geschlechter emporgekommen waren, gaben ihre Söhne und Töchter, sobald sie das Kindesalter hinter sich hatten, zur Erziehung und Dienst an die Höfe derselben Herren, welche oft ganze Schaaren solcher adlichen Jugend auf ihre Kosten erzogen, die Töchter verheiratheten und die Söhne auf mannichfaltige Weise versorgten. Sie liebten es, bei öffentlichen Gelegenheiten in Mitte ihrer zahlreichen Hofleute, Diener und Clienten zu erscheinen, welche zugleich für alle Fälle ihre schlagfertige Leibwache waren. Als im Jahre 1778 Fürst Stanislaw Lubomirski, Woiwode von Kiew, zum Landtage (seymik) nach Zytomierz kam und zur Eröffnung desselben nach der Kathedrale fuhr, begleitete ihn eine Kavalkade von 85 Hofleuten, und hinter ihm folgten eben so viele Diener (pacholiki), alle zu Pferde in prächtigen Kleidern und mit glänzendem Reitzeug. S. Ochocki, Pamietniki I, 149. 150. dieſer „Herren“, in deren unmittelbaren Dienſt; andere hingen 1) Auch dieſe Clientelverhältniſſe waren gewöhnlich factiſch erblich.
Die Eltern, welche im Dienſt oder durch Anſchluß an gewiſſe Herren- geſchlechter emporgekommen waren, gaben ihre Söhne und Töchter, ſobald ſie das Kindesalter hinter ſich hatten, zur Erziehung und Dienſt an die Höfe derſelben Herren, welche oft ganze Schaaren ſolcher adlichen Jugend auf ihre Koſten erzogen, die Töchter verheiratheten und die Söhne auf mannichfaltige Weiſe verſorgten. Sie liebten es, bei öffentlichen Gelegenheiten in Mitte ihrer zahlreichen Hofleute, Diener und Clienten zu erſcheinen, welche zugleich für alle Fälle ihre ſchlagfertige Leibwache waren. Als im Jahre 1778 Fürſt Stanislaw Lubomirski, Woiwode von Kiew, zum Landtage (seymik) nach Zytomierz kam und zur Eröffnung deſſelben nach der Kathedrale fuhr, begleitete ihn eine Kavalkade von 85 Hofleuten, und hinter ihm folgten eben ſo viele Diener (pacholiki), alle zu Pferde in prächtigen Kleidern und mit glänzendem Reitzeug. S. Ochocki, Pamiętniki I, 149. 150. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0022" n="8"/> dieſer „Herren“, in deren unmittelbaren Dienſt; andere hingen<lb/> als Pächter, Pfandinhaber einzelner Güter, als Schuldner<lb/> oder Gläubiger von ihnen ab; noch andere ſuchten und fanden<lb/> im Anſchluß an ſie den Weg emporzukommen, oder den<lb/> Schutz, den ihnen weder die Krone, noch die Gerichte, noch<lb/> irgend eine öffentliche Gewalt als ſolche gewährte <note place="foot" n="1)">Auch dieſe Clientelverhältniſſe waren gewöhnlich factiſch erblich.<lb/> Die Eltern, welche im Dienſt oder durch Anſchluß an gewiſſe Herren-<lb/> geſchlechter emporgekommen waren, gaben ihre Söhne und Töchter, ſobald<lb/> ſie das Kindesalter hinter ſich hatten, zur Erziehung und Dienſt an die<lb/> Höfe derſelben Herren, welche oft ganze Schaaren ſolcher adlichen Jugend<lb/> auf ihre Koſten erzogen, die Töchter verheiratheten und die Söhne auf<lb/> mannichfaltige Weiſe verſorgten. Sie liebten es, bei öffentlichen<lb/> Gelegenheiten in Mitte ihrer zahlreichen Hofleute, Diener und Clienten<lb/> zu erſcheinen, welche zugleich für alle Fälle ihre ſchlagfertige Leibwache<lb/> waren. Als im Jahre 1778 Fürſt Stanislaw Lubomirski, Woiwode von<lb/> Kiew, zum Landtage (<hi rendition="#aq">seymik</hi>) nach Zytomierz kam und zur Eröffnung<lb/> deſſelben nach der Kathedrale fuhr, begleitete ihn eine Kavalkade von 85<lb/> Hofleuten, und hinter ihm folgten eben ſo viele Diener <hi rendition="#aq">(pacholiki),</hi> alle zu<lb/> Pferde in prächtigen Kleidern und mit glänzendem Reitzeug. S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Ochocki</hi>,<lb/> Pamiętniki I,</hi> 149. 150.</note>. Denn<lb/> Geſetz und Recht waren längſt zu todten Buchſtaben geworden<lb/> und an deren Stelle, dieſen Zuſtänden ganz entſprechend, die<lb/> „Protection“ getreten. Auf allen Stufen der Geſellſchaft, ketten-<lb/> artig von oben nach unten alle Stände und Klaſſen umfaſſend,<lb/> war ſie die alles, die höchſten öffentlichen wie die niedrigſten<lb/> perſönlichen Intreſſen, entſcheidende Macht. Vom Könige und<lb/> deſſen Regierung hatte der Maſſenadel nichts zu hoffen und<lb/> nichts zu fürchten; deſto mehr aber von denen, deren Protec-<lb/> tion naturgemäß die weitreichendſte, alſo geſuchteſte war, von<lb/> den „Herren“. Sie ſtanden, jeder in ſeinem Kreiſe bald mehr,<lb/> bald weniger als Herrſcher da, und fühlten und wußten ſich<lb/> als ſolche ſichrer als der gewählte König in Warſchau. Wohl<lb/> redeten ſie noch immer nach alter Sitte in den Verſamm-<lb/> lungen aller Art den Maſſenadel als ihre „Herren Brüder“<lb/> an, aber daneben behandelten ſie mit Stolz und Hochmuth,<lb/> ja mit offener Miß- und Verachtung den geringen Edelmann,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [8/0022]
dieſer „Herren“, in deren unmittelbaren Dienſt; andere hingen
als Pächter, Pfandinhaber einzelner Güter, als Schuldner
oder Gläubiger von ihnen ab; noch andere ſuchten und fanden
im Anſchluß an ſie den Weg emporzukommen, oder den
Schutz, den ihnen weder die Krone, noch die Gerichte, noch
irgend eine öffentliche Gewalt als ſolche gewährte 1). Denn
Geſetz und Recht waren längſt zu todten Buchſtaben geworden
und an deren Stelle, dieſen Zuſtänden ganz entſprechend, die
„Protection“ getreten. Auf allen Stufen der Geſellſchaft, ketten-
artig von oben nach unten alle Stände und Klaſſen umfaſſend,
war ſie die alles, die höchſten öffentlichen wie die niedrigſten
perſönlichen Intreſſen, entſcheidende Macht. Vom Könige und
deſſen Regierung hatte der Maſſenadel nichts zu hoffen und
nichts zu fürchten; deſto mehr aber von denen, deren Protec-
tion naturgemäß die weitreichendſte, alſo geſuchteſte war, von
den „Herren“. Sie ſtanden, jeder in ſeinem Kreiſe bald mehr,
bald weniger als Herrſcher da, und fühlten und wußten ſich
als ſolche ſichrer als der gewählte König in Warſchau. Wohl
redeten ſie noch immer nach alter Sitte in den Verſamm-
lungen aller Art den Maſſenadel als ihre „Herren Brüder“
an, aber daneben behandelten ſie mit Stolz und Hochmuth,
ja mit offener Miß- und Verachtung den geringen Edelmann,
1) Auch dieſe Clientelverhältniſſe waren gewöhnlich factiſch erblich.
Die Eltern, welche im Dienſt oder durch Anſchluß an gewiſſe Herren-
geſchlechter emporgekommen waren, gaben ihre Söhne und Töchter, ſobald
ſie das Kindesalter hinter ſich hatten, zur Erziehung und Dienſt an die
Höfe derſelben Herren, welche oft ganze Schaaren ſolcher adlichen Jugend
auf ihre Koſten erzogen, die Töchter verheiratheten und die Söhne auf
mannichfaltige Weiſe verſorgten. Sie liebten es, bei öffentlichen
Gelegenheiten in Mitte ihrer zahlreichen Hofleute, Diener und Clienten
zu erſcheinen, welche zugleich für alle Fälle ihre ſchlagfertige Leibwache
waren. Als im Jahre 1778 Fürſt Stanislaw Lubomirski, Woiwode von
Kiew, zum Landtage (seymik) nach Zytomierz kam und zur Eröffnung
deſſelben nach der Kathedrale fuhr, begleitete ihn eine Kavalkade von 85
Hofleuten, und hinter ihm folgten eben ſo viele Diener (pacholiki), alle zu
Pferde in prächtigen Kleidern und mit glänzendem Reitzeug. S. Ochocki,
Pamiętniki I, 149. 150.
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