Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.reichlichsten zu schmausen und zu saufen gab, die Dukaten nicht Auf diesen Landtagen, auf welchen die Abgeordneten zum 1) "Weißhemden", albenczyki, nannte man die Raufbolde Radzivils.
[Kladsko?] Roczniki polskie z lat 1857--61. Paryz 1863. I, p. 385. reichlichſten zu ſchmauſen und zu ſaufen gab, die Dukaten nicht Auf dieſen Landtagen, auf welchen die Abgeordneten zum 1) „Weißhemden“, albenczyki, nannte man die Raufbolde Radzivils.
[Kladsko?] Roczniki polskie z lat 1857—61. Paryź 1863. I, p. 385. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0034" n="20"/> reichlichſten zu ſchmauſen und zu ſaufen gab, die Dukaten nicht<lb/> ſparte, die kräftigſten, berühmteſten Raufbolde in ſeinem Solde<lb/> hatte, ſeine Clienten in jedem Fall, mochten ſie im Recht oder<lb/> Unrecht ſein, erfolgreich beſchützte, für ihr Fortkommen ſorgte<lb/> und endlich auf den Landtagen am derbſten, rückſichtsloſeſten<lb/> für „Freiheit und Glauben“ zu ſprechen und den Leiden-<lb/> ſchaften der Maſſe zu ſchmeicheln verſtand. „Wer war“ — ge-<lb/> ſteht einer der unterrichtetſten polniſchen Hiſtoriker und Poli-<lb/> tiker der Gegenwart — „das Ideal eines ‚Herrn‘ in den Augen<lb/> unſrer Schlachta des 18. Jahrhunderts? Etwa der große<lb/> Kanzler Lithauens oder Andreas Zamoyski? Nein, ſein Ideal,<lb/> ſein Abgott war jener Radzivil, ‚Herrchen liebes‘ genannt,<lb/> halb Thier, halb Menſch, in jeder Beziehung ein Dummkopf,<lb/> der wahrhaftige Falſtaff in unſrer nationalen Tragödie, der<lb/> ‚Weißhemd‘ ohne Geiſt, ohne Willen und ohne Grundſätze.“<note place="foot" n="1)">„Weißhemden“, <hi rendition="#aq">albenczyki,</hi> nannte man die Raufbolde Radzivils.<lb/><hi rendition="#aq">[<hi rendition="#g">Kladsko</hi>?] Roczniki polskie z lat 1857—61. Paryź 1863. I, p.</hi> 385.</note></p><lb/> <p>Auf dieſen Landtagen, auf welchen die Abgeordneten zum<lb/> Reichstage gewählt und deren ſie bindende Inſtructionen be-<lb/> ſchloſſen wurden, auf welchen die Landboten nach ihrer Rückkehr<lb/> vom Reichstage Bericht zu erſtatten hatten, auf welchem end-<lb/> lich der verſammelte Adel — auch der nichts Beſitzende nahm<lb/> dem Geſetz zuwider herkömmlich an ihnen Theil — die Beiſitzer der<lb/> Landgerichte bis zu den höchſten Tribunalen hinauf wählte,<lb/> und alle Landämter, ſo weit ſie von ſeiner Wahl abhingen,<lb/> beſetzte, — erſchienen nun die „Herren“ in der Regel mit einem<lb/> zahlreichen bewaffneten Gefolge, welches in Verbindung mit<lb/> den Hunderten, bisweilen Tauſenden ihrer Clienten, die vorn-<lb/> herein bereit waren zu ſtimmen und zu thun, wie und was<lb/> der „Herr“ wollte, dazu beſtimmt war, nöthigenfalls auch mit<lb/> offner Gewalt deren Candidaten, überhaupt deren Willen durch-<lb/> zuſetzen. War dies nicht zu erreichen, ſo führte man entweder<lb/> Doppelwahlen herbei, oder ließ den Landtag ſprengen, und<lb/> verhinderte dadurch jeden Beſchluß, zu deſſen Gültigkeit auf<lb/> den Land- wie auf den Reichstagen Einſtimmigkeit erforderlich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [20/0034]
reichlichſten zu ſchmauſen und zu ſaufen gab, die Dukaten nicht
ſparte, die kräftigſten, berühmteſten Raufbolde in ſeinem Solde
hatte, ſeine Clienten in jedem Fall, mochten ſie im Recht oder
Unrecht ſein, erfolgreich beſchützte, für ihr Fortkommen ſorgte
und endlich auf den Landtagen am derbſten, rückſichtsloſeſten
für „Freiheit und Glauben“ zu ſprechen und den Leiden-
ſchaften der Maſſe zu ſchmeicheln verſtand. „Wer war“ — ge-
ſteht einer der unterrichtetſten polniſchen Hiſtoriker und Poli-
tiker der Gegenwart — „das Ideal eines ‚Herrn‘ in den Augen
unſrer Schlachta des 18. Jahrhunderts? Etwa der große
Kanzler Lithauens oder Andreas Zamoyski? Nein, ſein Ideal,
ſein Abgott war jener Radzivil, ‚Herrchen liebes‘ genannt,
halb Thier, halb Menſch, in jeder Beziehung ein Dummkopf,
der wahrhaftige Falſtaff in unſrer nationalen Tragödie, der
‚Weißhemd‘ ohne Geiſt, ohne Willen und ohne Grundſätze.“ 1)
Auf dieſen Landtagen, auf welchen die Abgeordneten zum
Reichstage gewählt und deren ſie bindende Inſtructionen be-
ſchloſſen wurden, auf welchen die Landboten nach ihrer Rückkehr
vom Reichstage Bericht zu erſtatten hatten, auf welchem end-
lich der verſammelte Adel — auch der nichts Beſitzende nahm
dem Geſetz zuwider herkömmlich an ihnen Theil — die Beiſitzer der
Landgerichte bis zu den höchſten Tribunalen hinauf wählte,
und alle Landämter, ſo weit ſie von ſeiner Wahl abhingen,
beſetzte, — erſchienen nun die „Herren“ in der Regel mit einem
zahlreichen bewaffneten Gefolge, welches in Verbindung mit
den Hunderten, bisweilen Tauſenden ihrer Clienten, die vorn-
herein bereit waren zu ſtimmen und zu thun, wie und was
der „Herr“ wollte, dazu beſtimmt war, nöthigenfalls auch mit
offner Gewalt deren Candidaten, überhaupt deren Willen durch-
zuſetzen. War dies nicht zu erreichen, ſo führte man entweder
Doppelwahlen herbei, oder ließ den Landtag ſprengen, und
verhinderte dadurch jeden Beſchluß, zu deſſen Gültigkeit auf
den Land- wie auf den Reichstagen Einſtimmigkeit erforderlich
1) „Weißhemden“, albenczyki, nannte man die Raufbolde Radzivils.
[Kladsko?] Roczniki polskie z lat 1857—61. Paryź 1863. I, p. 385.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |