auf die Erde, es ist theils weiß, theils fällt es bey mancher ins gelbliche; von ihnen kommt das sogenannte Kemelgarn, oder wie es eigent- lich heissen sollte, Kemelgarn, da im arabi- schen Kemel eine Ziege anzeigt. Ihr ursprüng- licher Aufenthalt ist in Natolien bey Angora und Begbazar, sie übertrift an Schönheit und Dauer die Seide. Die Türken, welche ihren Werth zu schätzen wissen, hüten sie daher sehr für den Ausländern; das feinste Garn davon kommt für das Serail, nur das mittlere und gröbere überlassen sie den Ausländern gespon- nen, und es ist ein Hauptartikel des Levanti- schen Handels, und es würde einer sein Leben wagen, wenn er eine Ziege oder Bock von der Art wegführen wollte. Denn als die Venetia- ner einmal dergleichen Ziegen vom türkischen Hofe verlangten, so hätte man deswegen bald Krieg angekündigt. Dennoch gelang es ihnen und andern Ausländern, den eifersüchtigen Muselmännern einige zu entwenden. Man ließ vor einigen Jahren zwey Paar über Alexan- drien und Triest nach Oesterreich kommen, wo sie sich den Nachrichten nach noch gut vermehrt haben sollen. Die Originalzucht soll die fein- sten und zartesten Haare haben, so wie die Ba- starten. Man hat bereits Kamelote davon zu machen versucht, der den Brüßler gleich kommt. So ziehet man sie auch in dem Anspachischen. Mit noch mehrerm Ernst und Glück scheint sich die Pfalz dieselben eigen machen zu wollen.
Man
auf die Erde, es iſt theils weiß, theils faͤllt es bey mancher ins gelbliche; von ihnen kommt das ſogenannte Kemelgarn, oder wie es eigent- lich heiſſen ſollte, Kemelgarn, da im arabi- ſchen Kemel eine Ziege anzeigt. Ihr urſpruͤng- licher Aufenthalt iſt in Natolien bey Angora und Begbazar, ſie uͤbertrift an Schoͤnheit und Dauer die Seide. Die Tuͤrken, welche ihren Werth zu ſchaͤtzen wiſſen, huͤten ſie daher ſehr fuͤr den Auslaͤndern; das feinſte Garn davon kommt fuͤr das Serail, nur das mittlere und groͤbere uͤberlaſſen ſie den Auslaͤndern geſpon- nen, und es iſt ein Hauptartikel des Levanti- ſchen Handels, und es wuͤrde einer ſein Leben wagen, wenn er eine Ziege oder Bock von der Art wegfuͤhren wollte. Denn als die Venetia- ner einmal dergleichen Ziegen vom tuͤrkiſchen Hofe verlangten, ſo haͤtte man deswegen bald Krieg angekuͤndigt. Dennoch gelang es ihnen und andern Auslaͤndern, den eiferſuͤchtigen Muſelmaͤnnern einige zu entwenden. Man ließ vor einigen Jahren zwey Paar uͤber Alexan- drien und Trieſt nach Oeſterreich kommen, wo ſie ſich den Nachrichten nach noch gut vermehrt haben ſollen. Die Originalzucht ſoll die fein- ſten und zarteſten Haare haben, ſo wie die Ba- ſtarten. Man hat bereits Kamelote davon zu machen verſucht, der den Bruͤßler gleich kommt. So ziehet man ſie auch in dem Anſpachiſchen. Mit noch mehrerm Ernſt und Gluͤck ſcheint ſich die Pfalz dieſelben eigen machen zu wollen.
Man
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auf die Erde, es iſt theils weiß, theils faͤllt es
bey mancher ins gelbliche; von ihnen kommt
das ſogenannte Kemelgarn, oder wie es eigent-
lich heiſſen ſollte, Kemelgarn, da im arabi-
ſchen Kemel eine Ziege anzeigt. Ihr urſpruͤng-
licher Aufenthalt iſt in Natolien bey Angora
und Begbazar, ſie uͤbertrift an Schoͤnheit und
Dauer die Seide. Die Tuͤrken, welche ihren
Werth zu ſchaͤtzen wiſſen, huͤten ſie daher ſehr
fuͤr den Auslaͤndern; das feinſte Garn davon
kommt fuͤr das Serail, nur das mittlere und
groͤbere uͤberlaſſen ſie den Auslaͤndern geſpon-
nen, und es iſt ein Hauptartikel des Levanti-
ſchen Handels, und es wuͤrde einer ſein Leben
wagen, wenn er eine Ziege oder Bock von der
Art wegfuͤhren wollte. Denn als die Venetia-
ner einmal dergleichen Ziegen vom tuͤrkiſchen
Hofe verlangten, ſo haͤtte man deswegen bald
Krieg angekuͤndigt. Dennoch gelang es ihnen
und andern Auslaͤndern, den eiferſuͤchtigen
Muſelmaͤnnern einige zu entwenden. Man
ließ vor einigen Jahren zwey Paar uͤber Alexan-
drien und Trieſt nach Oeſterreich kommen, wo
ſie ſich den Nachrichten nach noch gut vermehrt
haben ſollen. Die Originalzucht ſoll die fein-
ſten und zarteſten Haare haben, ſo wie die Ba-
ſtarten. Man hat bereits Kamelote davon zu
machen verſucht, der den Bruͤßler gleich kommt.
So ziehet man ſie auch in dem Anſpachiſchen.
Mit noch mehrerm Ernſt und Gluͤck ſcheint ſich
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Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 1. Leipzig, 1781, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roessig_oekonomie01_1781/282>, abgerufen am 22.11.2024.
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