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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Vorschmack gewährt hatte von dem, was einst für immer sein
werde?

Wo sich auf dem angedeuteten Wege die Ueberzeugung
von der selbständigen Fortdauer der Seele nach dem Tode
ihres Leibes zu dem Glauben an Göttlichkeit und Unsterb-
lichkeit der Seele steigert, da bildet sich aus der allen naiven
Völkern und Menschen naheliegenden Unterscheidung zwischen
"Leib" und "Seele" leicht ein Gegensatz zwischen diesen
beiden heraus. Allzu jäh war der Sturz von der Höhe tief-
erregter Lust der in der Ekstase frei gewordenen Seele hinab in
das nüchterne Dasein im leibumschlossenen Leben, als dass nicht
der Leib ein Hemmniss und eine Beschwerung, fast ein Feind
der gottentstammten Seele scheinen sollte. Entwerthung des
alltäglichen Lebens, Abwendung von diesem Leben wird die
Folge eines so gesteigerten Spiritualismus sein, auch schon da
wo solcher, weit entfernt von aller speculativen Begründung, den
Untergrund der religiösen Stimmung eines von den abstracten
Gedanken einer auf Wissenschaft begründeten Bildung noch
ungeplagten Volkes bildet. Eine Spur solcher Herabsetzung
des irdischen Lebens gegen das Glück eines freien Geister-
daseins zeigt sich in dem was Herodot und andere Erzähler
von einzelnen thrakischen Stämmen berichten 1), bei denen der

1) Herodot 5, 4 (von den Trausoi. So auch Hesych. s. Trausoi). Die
Erzählung ging dann in den bleibenden Bestand der, zur Erläuterung des
Unstäten des nomos benutzten nomima barbarika über. Sie wird bald von
den Krobuzoi (bei denen auch der Unsterblichkeitsglaube blühen sollte,
s. oben p. 320, 2) erzählt: Isigon. mirab. 27, bald (vielleicht nach dem
Vorgang des Ephorus) von den Kausianoi: so Nic. Damasc. mirab. 18
(West.); Zenob. prov. 5, 25 p. 128, 5 Gott. (Kausioi, Kausianoi). So auch
in einem Rest irgendwelcher vor dem 3. Jahrhundert geschriebener nomima
barbarika (die just dem Aristoteles zuzuschreiben keinerlei Grund ist)
bei Mahaffy, On the Flinders Petrie Papyri, Transscript. p. 29: Kau-
sianois de nomimon tous men ginomenous threnein, tous de teleutontas eudai-
monizein os pollon kakon (so oder ponon ist wohl zu ergänzen, nach Euri-
pides in dem berühmten Fragment des Kresphontes: ekhren gar emas
-- fr. 450, das wohl auf Herodots Bericht anspielt) anapepaumenous.
Thraker im Allgemeinen, einen nicht bestimmt bezeichneten thrakischen
Stamm nennen Sext. Empir. Pyrrh. hypot. 3, 232, Val. Max. 2, 6, 12 (beide

Vorschmack gewährt hatte von dem, was einst für immer sein
werde?

Wo sich auf dem angedeuteten Wege die Ueberzeugung
von der selbständigen Fortdauer der Seele nach dem Tode
ihres Leibes zu dem Glauben an Göttlichkeit und Unsterb-
lichkeit der Seele steigert, da bildet sich aus der allen naiven
Völkern und Menschen naheliegenden Unterscheidung zwischen
„Leib“ und „Seele“ leicht ein Gegensatz zwischen diesen
beiden heraus. Allzu jäh war der Sturz von der Höhe tief-
erregter Lust der in der Ekstase frei gewordenen Seele hinab in
das nüchterne Dasein im leibumschlossenen Leben, als dass nicht
der Leib ein Hemmniss und eine Beschwerung, fast ein Feind
der gottentstammten Seele scheinen sollte. Entwerthung des
alltäglichen Lebens, Abwendung von diesem Leben wird die
Folge eines so gesteigerten Spiritualismus sein, auch schon da
wo solcher, weit entfernt von aller speculativen Begründung, den
Untergrund der religiösen Stimmung eines von den abstracten
Gedanken einer auf Wissenschaft begründeten Bildung noch
ungeplagten Volkes bildet. Eine Spur solcher Herabsetzung
des irdischen Lebens gegen das Glück eines freien Geister-
daseins zeigt sich in dem was Herodot und andere Erzähler
von einzelnen thrakischen Stämmen berichten 1), bei denen der

1) Herodot 5, 4 (von den Τραυσοί. So auch Hesych. s. Τραῦσοι). Die
Erzählung ging dann in den bleibenden Bestand der, zur Erläuterung des
Unstäten des νόμος benutzten νόμιμα βαρβαρικά über. Sie wird bald von
den Κρόβυζοι (bei denen auch der Unsterblichkeitsglaube blühen sollte,
s. oben p. 320, 2) erzählt: Isigon. mirab. 27, bald (vielleicht nach dem
Vorgang des Ephorus) von den Καυσιανοί: so Nic. Damasc. mirab. 18
(West.); Zenob. prov. 5, 25 p. 128, 5 Gott. (Καύσιοι, Καυσιανοί). So auch
in einem Rest irgendwelcher vor dem 3. Jahrhundert geschriebener νόμιμα
βαρβαρικά (die just dem Aristoteles zuzuschreiben keinerlei Grund ist)
bei Mahaffy, On the Flinders Petrie Papyri, Transscript. p. 29: Καυ-
σιανοῖς δὲ νόμιμον τοὺς μὲν γινομένους ϑρηνεῖν, τοὺς δὲ τελευτῶντας εὐδαι-
μονίζειν ὡς πολλῶν κακῶν (so oder πόνων ist wohl zu ergänzen, nach Euri-
pides in dem berühmten Fragment des Kresphontes: ἐχρῆν γὰρ ἡμᾶς
fr. 450, das wohl auf Herodots Bericht anspielt) ἀναπεπαυμένους.
Thraker im Allgemeinen, einen nicht bestimmt bezeichneten thrakischen
Stamm nennen Sext. Empir. Pyrrh. hypot. 3, 232, Val. Max. 2, 6, 12 (beide
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[325/0341] Vorschmack gewährt hatte von dem, was einst für immer sein werde? Wo sich auf dem angedeuteten Wege die Ueberzeugung von der selbständigen Fortdauer der Seele nach dem Tode ihres Leibes zu dem Glauben an Göttlichkeit und Unsterb- lichkeit der Seele steigert, da bildet sich aus der allen naiven Völkern und Menschen naheliegenden Unterscheidung zwischen „Leib“ und „Seele“ leicht ein Gegensatz zwischen diesen beiden heraus. Allzu jäh war der Sturz von der Höhe tief- erregter Lust der in der Ekstase frei gewordenen Seele hinab in das nüchterne Dasein im leibumschlossenen Leben, als dass nicht der Leib ein Hemmniss und eine Beschwerung, fast ein Feind der gottentstammten Seele scheinen sollte. Entwerthung des alltäglichen Lebens, Abwendung von diesem Leben wird die Folge eines so gesteigerten Spiritualismus sein, auch schon da wo solcher, weit entfernt von aller speculativen Begründung, den Untergrund der religiösen Stimmung eines von den abstracten Gedanken einer auf Wissenschaft begründeten Bildung noch ungeplagten Volkes bildet. Eine Spur solcher Herabsetzung des irdischen Lebens gegen das Glück eines freien Geister- daseins zeigt sich in dem was Herodot und andere Erzähler von einzelnen thrakischen Stämmen berichten 1), bei denen der 1) Herodot 5, 4 (von den Τραυσοί. So auch Hesych. s. Τραῦσοι). Die Erzählung ging dann in den bleibenden Bestand der, zur Erläuterung des Unstäten des νόμος benutzten νόμιμα βαρβαρικά über. Sie wird bald von den Κρόβυζοι (bei denen auch der Unsterblichkeitsglaube blühen sollte, s. oben p. 320, 2) erzählt: Isigon. mirab. 27, bald (vielleicht nach dem Vorgang des Ephorus) von den Καυσιανοί: so Nic. Damasc. mirab. 18 (West.); Zenob. prov. 5, 25 p. 128, 5 Gott. (Καύσιοι, Καυσιανοί). So auch in einem Rest irgendwelcher vor dem 3. Jahrhundert geschriebener νόμιμα βαρβαρικά (die just dem Aristoteles zuzuschreiben keinerlei Grund ist) bei Mahaffy, On the Flinders Petrie Papyri, Transscript. p. 29: Καυ- σιανοῖς δὲ νόμιμον τοὺς μὲν γινομένους ϑρηνεῖν, τοὺς δὲ τελευτῶντας εὐδαι- μονίζειν ὡς πολλῶν κακῶν (so oder πόνων ist wohl zu ergänzen, nach Euri- pides in dem berühmten Fragment des Kresphontes: ἐχρῆν γὰρ ἡμᾶς — fr. 450, das wohl auf Herodots Bericht anspielt) ἀναπεπαυμένους. Thraker im Allgemeinen, einen nicht bestimmt bezeichneten thrakischen Stamm nennen Sext. Empir. Pyrrh. hypot. 3, 232, Val. Max. 2, 6, 12 (beide

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/341>, abgerufen am 22.11.2024.