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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. V. Capitul.

§. 23. Achtet man vor nöthig ein Compliment
länger zu machen, so füget man noch einige Bewe-
gungs-Gründe bey, dadurch man sich in dem Ge-
müthe dessen, dem man etwas vorträgt, eine seiner
Absicht gemäße Würckung verspricht. Man be-
mühet sich bey dem Anfang, da man etwan um
Vergebung bittet, daß man sich die Freyheit näh-
me, dem andern aufzuwarten oder auch durch an-
dere Redens-Arten, sich dem andern gefällig zu be-
zeugen, und auch bey dem Schluß des andern Gna-
de je mehr und mehr zu versichern, da man sich nach
dem Unterscheid der Personen des andern gnädigen
gütigen Andencken u. s. w. empfiehlt.

§. 24. Ein junger Cavalier thut überaus wohl,
wenn er sich mehr befleißiget seine Complimens
kurtz und gut, als weitläufftig und schlecht zu ma-
chen; sintemahl es vielen Leuten ihrer Geschäffte
oder ihres Humeurs wegen nicht gelegen, einen so
weitläufftigen Vortrag anzuhören, sie werden her-
nach verdrießlich, und unser Complimenteur er-
reicht nicht den Endzweck, den er hiedurch erreichen
wollen. Der andere glaubt vielmahls, der Reden-
de wolle sich nur dadurch hören lassen, seine Ge-
schicklichkeit im Reden, die ihm sonst möchte den
Bauch aufgerissen haben, und seine Oratorie er-
weisen, und ihn gleichsam hiedurch nöthigen, daß er
eben ein so weitläufftig Gegen-Compliment drauf
machen solte. Es muß sich denn hernach ein sol-
cher Mensch, der es mit seinen großen Compliment
gut gemeynet, und eine unschuldige Intention da-

bey
I. Theil. V. Capitul.

§. 23. Achtet man vor noͤthig ein Compliment
laͤnger zu machen, ſo fuͤget man noch einige Bewe-
gungs-Gruͤnde bey, dadurch man ſich in dem Ge-
muͤthe deſſen, dem man etwas vortraͤgt, eine ſeiner
Abſicht gemaͤße Wuͤrckung verſpricht. Man be-
muͤhet ſich bey dem Anfang, da man etwan um
Vergebung bittet, daß man ſich die Freyheit naͤh-
me, dem andern aufzuwarten oder auch durch an-
dere Redens-Arten, ſich dem andern gefaͤllig zu be-
zeugen, und auch bey dem Schluß des andern Gna-
de je mehr und mehr zu verſichern, da man ſich nach
dem Unterſcheid der Perſonen des andern gnaͤdigen
guͤtigen Andencken u. ſ. w. empfiehlt.

§. 24. Ein junger Cavalier thut uͤberaus wohl,
wenn er ſich mehr befleißiget ſeine Complimens
kurtz und gut, als weitlaͤufftig und ſchlecht zu ma-
chen; ſintemahl es vielen Leuten ihrer Geſchaͤffte
oder ihres Humeurs wegen nicht gelegen, einen ſo
weitlaͤufftigen Vortrag anzuhoͤren, ſie werden her-
nach verdrießlich, und unſer Complimenteur er-
reicht nicht den Endzweck, den er hiedurch erreichen
wollen. Der andere glaubt vielmahls, der Reden-
de wolle ſich nur dadurch hoͤren laſſen, ſeine Ge-
ſchicklichkeit im Reden, die ihm ſonſt moͤchte den
Bauch aufgeriſſen haben, und ſeine Oratorie er-
weiſen, und ihn gleichſam hiedurch noͤthigen, daß er
eben ein ſo weitlaͤufftig Gegen-Compliment drauf
machen ſolte. Es muß ſich denn hernach ein ſol-
cher Menſch, der es mit ſeinen großen Compliment
gut gemeynet, und eine unſchuldige Intention da-

bey
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[160/0180] I. Theil. V. Capitul. §. 23. Achtet man vor noͤthig ein Compliment laͤnger zu machen, ſo fuͤget man noch einige Bewe- gungs-Gruͤnde bey, dadurch man ſich in dem Ge- muͤthe deſſen, dem man etwas vortraͤgt, eine ſeiner Abſicht gemaͤße Wuͤrckung verſpricht. Man be- muͤhet ſich bey dem Anfang, da man etwan um Vergebung bittet, daß man ſich die Freyheit naͤh- me, dem andern aufzuwarten oder auch durch an- dere Redens-Arten, ſich dem andern gefaͤllig zu be- zeugen, und auch bey dem Schluß des andern Gna- de je mehr und mehr zu verſichern, da man ſich nach dem Unterſcheid der Perſonen des andern gnaͤdigen guͤtigen Andencken u. ſ. w. empfiehlt. §. 24. Ein junger Cavalier thut uͤberaus wohl, wenn er ſich mehr befleißiget ſeine Complimens kurtz und gut, als weitlaͤufftig und ſchlecht zu ma- chen; ſintemahl es vielen Leuten ihrer Geſchaͤffte oder ihres Humeurs wegen nicht gelegen, einen ſo weitlaͤufftigen Vortrag anzuhoͤren, ſie werden her- nach verdrießlich, und unſer Complimenteur er- reicht nicht den Endzweck, den er hiedurch erreichen wollen. Der andere glaubt vielmahls, der Reden- de wolle ſich nur dadurch hoͤren laſſen, ſeine Ge- ſchicklichkeit im Reden, die ihm ſonſt moͤchte den Bauch aufgeriſſen haben, und ſeine Oratorie er- weiſen, und ihn gleichſam hiedurch noͤthigen, daß er eben ein ſo weitlaͤufftig Gegen-Compliment drauf machen ſolte. Es muß ſich denn hernach ein ſol- cher Menſch, der es mit ſeinen großen Compliment gut gemeynet, und eine unſchuldige Intention da- bey

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/180>, abgerufen am 09.11.2024.