bey gehabt, sich auf mancherley Weise beurthei- len lassen. Es heist hernach entweder: Es war ein recht priesterlich Compliment, dabey nichts gefeh- let, als die Ertheilung des priesterlichen Seegens, oder der gute Mensch will sich gerne hören lassen, er macht noch seinen Studenten, er muß fleißig Ro- mainen gelesen haben, er hat es aus einem Buch ausgeschrieben, u. s. w.
§. 25. Es sind besondere Umstände, Oerter und Personen, bey denen man noch vor andern am mei- sten nöthig hat, in seinen Complimens alle über- flüßige Weitläufftigkeiten wegzulassen. Also ist es wider den Wohlstand, daß man Fürstlichen Per- sonen, da man die Gnade hat, als eine Privat-Per- son ihnen den Rock oder die Hand zu küssen, eine große Oration vormacht; Man muß es vor ein be- sonder Glück erkennen, daß man vor sie gelassen wird, und darf ihre Gnade und Gedult nicht miß- brauchen; ein anders ist, wenn man von andern Herrschafften an einen gewissen Hof verschickt wird, denn hier kan das Compliment schon solen- ner und länger seyn. Weitläufftige Complimens sind ohnedem überhaupt den meisten Hof-Leuten unangenehm, und wenn sie auch noch so zierlich wä- ren, und wer sich nicht einen Schulfuchs oder Co- moedianten hinter den Rücken will lussen nach- werffen, der mag seine Worte kurtz fassen lernen.
§. 26. Dieses muß man auch beobachten, wenn man die Gnade hat, hohen Staats-Ministris auf- zuwarten, die mit vielen und wichtigen Staats-
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Von Complimens.
bey gehabt, ſich auf mancherley Weiſe beurthei- len laſſen. Es heiſt hernach entweder: Es war ein recht prieſterlich Compliment, dabey nichts gefeh- let, als die Ertheilung des prieſterlichen Seegens, oder der gute Menſch will ſich gerne hoͤren laſſen, er macht noch ſeinen Studenten, er muß fleißig Ro- mainen geleſen haben, er hat es aus einem Buch ausgeſchrieben, u. ſ. w.
§. 25. Es ſind beſondere Umſtaͤnde, Oerter und Perſonen, bey denen man noch vor andern am mei- ſten noͤthig hat, in ſeinen Complimens alle uͤber- fluͤßige Weitlaͤufftigkeiten wegzulaſſen. Alſo iſt es wider den Wohlſtand, daß man Fuͤrſtlichen Per- ſonen, da man die Gnade hat, als eine Privat-Per- ſon ihnen den Rock oder die Hand zu kuͤſſen, eine große Oration vormacht; Man muß es vor ein be- ſonder Gluͤck erkennen, daß man vor ſie gelaſſen wird, und darf ihre Gnade und Gedult nicht miß- brauchen; ein anders iſt, wenn man von andern Herrſchafften an einen gewiſſen Hof verſchickt wird, denn hier kan das Compliment ſchon ſolen- ner und laͤnger ſeyn. Weitlaͤufftige Complimens ſind ohnedem uͤberhaupt den meiſten Hof-Leuten unangenehm, und wenn ſie auch noch ſo zierlich waͤ- ren, und wer ſich nicht einen Schulfuchs oder Co- mœdianten hinter den Ruͤcken will luſſen nach- werffen, der mag ſeine Worte kurtz faſſen lernen.
§. 26. Dieſes muß man auch beobachten, wenn man die Gnade hat, hohen Staats-Miniſtris auf- zuwarten, die mit vielen und wichtigen Staats-
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Von Complimens.
bey gehabt, ſich auf mancherley Weiſe beurthei-
len laſſen. Es heiſt hernach entweder: Es war ein
recht prieſterlich Compliment, dabey nichts gefeh-
let, als die Ertheilung des prieſterlichen Seegens,
oder der gute Menſch will ſich gerne hoͤren laſſen, er
macht noch ſeinen Studenten, er muß fleißig Ro-
mainen geleſen haben, er hat es aus einem Buch
ausgeſchrieben, u. ſ. w.
§. 25. Es ſind beſondere Umſtaͤnde, Oerter und
Perſonen, bey denen man noch vor andern am mei-
ſten noͤthig hat, in ſeinen Complimens alle uͤber-
fluͤßige Weitlaͤufftigkeiten wegzulaſſen. Alſo iſt es
wider den Wohlſtand, daß man Fuͤrſtlichen Per-
ſonen, da man die Gnade hat, als eine Privat-Per-
ſon ihnen den Rock oder die Hand zu kuͤſſen, eine
große Oration vormacht; Man muß es vor ein be-
ſonder Gluͤck erkennen, daß man vor ſie gelaſſen
wird, und darf ihre Gnade und Gedult nicht miß-
brauchen; ein anders iſt, wenn man von andern
Herrſchafften an einen gewiſſen Hof verſchickt
wird, denn hier kan das Compliment ſchon ſolen-
ner und laͤnger ſeyn. Weitlaͤufftige Complimens
ſind ohnedem uͤberhaupt den meiſten Hof-Leuten
unangenehm, und wenn ſie auch noch ſo zierlich waͤ-
ren, und wer ſich nicht einen Schulfuchs oder Co-
mœdianten hinter den Ruͤcken will luſſen nach-
werffen, der mag ſeine Worte kurtz faſſen lernen.
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/181>, abgerufen am 25.11.2024.
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