sich weitläufftige Complimens am allerwenigsten in das Gottes-Hauß schicken. Hier soll man nicht um deswillen zusammen kommen, daß man halbe Stunden lange Complimens mit Worten und Geberden machen will, sondern mit andern den großen GOtt in Gebethen und Liedern öffentlich um geistliche oder leibliche Wohlthaten anflehen, oder ihm davor Danck abstatten, sein Wort an- dächtig anzuhören, und es in einem feinen guten Hertzen zu verwahren, damit es hernach mancher- ley Früchte in Gedult bringen möge. Ein gewißer neuer Autor urtheilet nicht unrecht, wenn er spricht: Jch dürffte wohl nicht irren, wenn ich vorgäbe daß ein und das ander Frauenzimmer (doch er dürffte nur die Manns-Personen auch zugleich mit dazu nehmen) ihre Knie die gantze Woche lang nicht so offt vor ihrem GOtt und Schöpffer gebeugt, als sie am Sonntage in der Kirche, bey ihren überflüßi- gen, und dazu offtermahls höchst-unanständigen Complimens zu thun pflegen.
§. 31. Da ich in dem vorhergehenden jungen Leuten angerathen, daß sie ihre Complimens mehr nach einer angenehmen und beliebten Kürtze, denn unnöthigen Weitläufftigkeit, einrichten sollen, so verstehe ich solches vornemlich von dem Antrag den sie gegen andere zu thun haben. Bey dem Ge- gen-Compliment hat es bißweilen eine andere Be- wandniß: Bey diesem müssen sie sich reguliren nach dem, der ihnen ein Compliment gemacht. Hat ihnen jemand von ihres gleichen, von den Hö-
hern
L 3
Von Complimens.
ſich weitlaͤufftige Complimens am allerwenigſten in das Gottes-Hauß ſchicken. Hier ſoll man nicht um deswillen zuſammen kommen, daß man halbe Stunden lange Complimens mit Worten und Geberden machen will, ſondern mit andern den großen GOtt in Gebethen und Liedern oͤffentlich um geiſtliche oder leibliche Wohlthaten anflehen, oder ihm davor Danck abſtatten, ſein Wort an- daͤchtig anzuhoͤren, und es in einem feinen guten Hertzen zu verwahren, damit es hernach mancher- ley Fruͤchte in Gedult bringen moͤge. Ein gewißer neuer Autor urtheilet nicht unrecht, wenn er ſpricht: Jch duͤrffte wohl nicht irren, wenn ich vorgaͤbe daß ein und das ander Frauenzimmer (doch er duͤrffte nur die Manns-Perſonen auch zugleich mit dazu nehmen) ihre Knie die gantze Woche lang nicht ſo offt vor ihrem GOtt und Schoͤpffer gebeugt, als ſie am Sonntage in der Kirche, bey ihren uͤberfluͤßi- gen, und dazu offtermahls hoͤchſt-unanſtaͤndigen Complimens zu thun pflegen.
§. 31. Da ich in dem vorhergehenden jungen Leuten angerathen, daß ſie ihre Complimens mehr nach einer angenehmen und beliebten Kuͤrtze, denn unnoͤthigen Weitlaͤufftigkeit, einrichten ſollen, ſo verſtehe ich ſolches vornemlich von dem Antrag den ſie gegen andere zu thun haben. Bey dem Ge- gen-Compliment hat es bißweilen eine andere Be- wandniß: Bey dieſem muͤſſen ſie ſich reguliren nach dem, der ihnen ein Compliment gemacht. Hat ihnen jemand von ihres gleichen, von den Hoͤ-
hern
L 3
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0185"n="165"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von <hirendition="#aq">Complimens.</hi></hi></fw><lb/>ſich weitlaͤufftige <hirendition="#aq">Complimens</hi> am allerwenigſten<lb/>
in das Gottes-Hauß ſchicken. Hier ſoll man nicht<lb/>
um deswillen zuſammen kommen, daß man halbe<lb/>
Stunden lange <hirendition="#aq">Complimens</hi> mit Worten und<lb/>
Geberden machen will, ſondern mit andern den<lb/>
großen GOtt in Gebethen und Liedern oͤffentlich<lb/>
um geiſtliche oder leibliche Wohlthaten anflehen,<lb/>
oder ihm davor Danck abſtatten, ſein Wort an-<lb/>
daͤchtig anzuhoͤren, und es in einem feinen guten<lb/>
Hertzen zu verwahren, damit es hernach mancher-<lb/>
ley Fruͤchte in Gedult bringen moͤge. Ein gewißer<lb/>
neuer <hirendition="#aq">Autor</hi> urtheilet nicht unrecht, wenn er ſpricht:<lb/>
Jch duͤrffte wohl nicht irren, wenn ich vorgaͤbe daß<lb/>
ein und das ander Frauenzimmer (doch er duͤrffte<lb/>
nur die Manns-Perſonen auch zugleich mit dazu<lb/>
nehmen) ihre Knie die gantze Woche lang nicht ſo<lb/>
offt vor ihrem GOtt und Schoͤpffer gebeugt, als<lb/>ſie am Sonntage in der Kirche, bey ihren uͤberfluͤßi-<lb/>
gen, und dazu offtermahls hoͤchſt-unanſtaͤndigen<lb/><hirendition="#aq">Complimens</hi> zu thun pflegen.</p><lb/><p>§. 31. Da ich in dem vorhergehenden jungen<lb/>
Leuten angerathen, daß ſie ihre <hirendition="#aq">Complimens</hi> mehr<lb/>
nach einer angenehmen und beliebten Kuͤrtze, denn<lb/>
unnoͤthigen Weitlaͤufftigkeit, einrichten ſollen, ſo<lb/>
verſtehe ich ſolches vornemlich von dem Antrag den<lb/>ſie gegen andere zu thun haben. Bey dem Ge-<lb/>
gen-<hirendition="#aq">Compliment</hi> hat es bißweilen eine andere Be-<lb/>
wandniß: Bey dieſem muͤſſen ſie ſich <hirendition="#aq">reguli</hi>ren<lb/>
nach dem, der ihnen ein <hirendition="#aq">Compliment</hi> gemacht.<lb/>
Hat ihnen jemand von ihres gleichen, von den Hoͤ-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">L 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">hern</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[165/0185]
Von Complimens.
ſich weitlaͤufftige Complimens am allerwenigſten
in das Gottes-Hauß ſchicken. Hier ſoll man nicht
um deswillen zuſammen kommen, daß man halbe
Stunden lange Complimens mit Worten und
Geberden machen will, ſondern mit andern den
großen GOtt in Gebethen und Liedern oͤffentlich
um geiſtliche oder leibliche Wohlthaten anflehen,
oder ihm davor Danck abſtatten, ſein Wort an-
daͤchtig anzuhoͤren, und es in einem feinen guten
Hertzen zu verwahren, damit es hernach mancher-
ley Fruͤchte in Gedult bringen moͤge. Ein gewißer
neuer Autor urtheilet nicht unrecht, wenn er ſpricht:
Jch duͤrffte wohl nicht irren, wenn ich vorgaͤbe daß
ein und das ander Frauenzimmer (doch er duͤrffte
nur die Manns-Perſonen auch zugleich mit dazu
nehmen) ihre Knie die gantze Woche lang nicht ſo
offt vor ihrem GOtt und Schoͤpffer gebeugt, als
ſie am Sonntage in der Kirche, bey ihren uͤberfluͤßi-
gen, und dazu offtermahls hoͤchſt-unanſtaͤndigen
Complimens zu thun pflegen.
§. 31. Da ich in dem vorhergehenden jungen
Leuten angerathen, daß ſie ihre Complimens mehr
nach einer angenehmen und beliebten Kuͤrtze, denn
unnoͤthigen Weitlaͤufftigkeit, einrichten ſollen, ſo
verſtehe ich ſolches vornemlich von dem Antrag den
ſie gegen andere zu thun haben. Bey dem Ge-
gen-Compliment hat es bißweilen eine andere Be-
wandniß: Bey dieſem muͤſſen ſie ſich reguliren
nach dem, der ihnen ein Compliment gemacht.
Hat ihnen jemand von ihres gleichen, von den Hoͤ-
hern
L 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/185>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.