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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von Complimens.
sich weitläufftige Complimens am allerwenigsten
in das Gottes-Hauß schicken. Hier soll man nicht
um deswillen zusammen kommen, daß man halbe
Stunden lange Complimens mit Worten und
Geberden machen will, sondern mit andern den
großen GOtt in Gebethen und Liedern öffentlich
um geistliche oder leibliche Wohlthaten anflehen,
oder ihm davor Danck abstatten, sein Wort an-
dächtig anzuhören, und es in einem feinen guten
Hertzen zu verwahren, damit es hernach mancher-
ley Früchte in Gedult bringen möge. Ein gewißer
neuer Autor urtheilet nicht unrecht, wenn er spricht:
Jch dürffte wohl nicht irren, wenn ich vorgäbe daß
ein und das ander Frauenzimmer (doch er dürffte
nur die Manns-Personen auch zugleich mit dazu
nehmen) ihre Knie die gantze Woche lang nicht so
offt vor ihrem GOtt und Schöpffer gebeugt, als
sie am Sonntage in der Kirche, bey ihren überflüßi-
gen, und dazu offtermahls höchst-unanständigen
Complimens zu thun pflegen.

§. 31. Da ich in dem vorhergehenden jungen
Leuten angerathen, daß sie ihre Complimens mehr
nach einer angenehmen und beliebten Kürtze, denn
unnöthigen Weitläufftigkeit, einrichten sollen, so
verstehe ich solches vornemlich von dem Antrag den
sie gegen andere zu thun haben. Bey dem Ge-
gen-Compliment hat es bißweilen eine andere Be-
wandniß: Bey diesem müssen sie sich reguliren
nach dem, der ihnen ein Compliment gemacht.
Hat ihnen jemand von ihres gleichen, von den Hö-

hern
L 3

Von Complimens.
ſich weitlaͤufftige Complimens am allerwenigſten
in das Gottes-Hauß ſchicken. Hier ſoll man nicht
um deswillen zuſammen kommen, daß man halbe
Stunden lange Complimens mit Worten und
Geberden machen will, ſondern mit andern den
großen GOtt in Gebethen und Liedern oͤffentlich
um geiſtliche oder leibliche Wohlthaten anflehen,
oder ihm davor Danck abſtatten, ſein Wort an-
daͤchtig anzuhoͤren, und es in einem feinen guten
Hertzen zu verwahren, damit es hernach mancher-
ley Fruͤchte in Gedult bringen moͤge. Ein gewißer
neuer Autor urtheilet nicht unrecht, wenn er ſpricht:
Jch duͤrffte wohl nicht irren, wenn ich vorgaͤbe daß
ein und das ander Frauenzimmer (doch er duͤrffte
nur die Manns-Perſonen auch zugleich mit dazu
nehmen) ihre Knie die gantze Woche lang nicht ſo
offt vor ihrem GOtt und Schoͤpffer gebeugt, als
ſie am Sonntage in der Kirche, bey ihren uͤberfluͤßi-
gen, und dazu offtermahls hoͤchſt-unanſtaͤndigen
Complimens zu thun pflegen.

§. 31. Da ich in dem vorhergehenden jungen
Leuten angerathen, daß ſie ihre Complimens mehr
nach einer angenehmen und beliebten Kuͤrtze, denn
unnoͤthigen Weitlaͤufftigkeit, einrichten ſollen, ſo
verſtehe ich ſolches vornemlich von dem Antrag den
ſie gegen andere zu thun haben. Bey dem Ge-
gen-Compliment hat es bißweilen eine andere Be-
wandniß: Bey dieſem muͤſſen ſie ſich reguliren
nach dem, der ihnen ein Compliment gemacht.
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[165/0185] Von Complimens. ſich weitlaͤufftige Complimens am allerwenigſten in das Gottes-Hauß ſchicken. Hier ſoll man nicht um deswillen zuſammen kommen, daß man halbe Stunden lange Complimens mit Worten und Geberden machen will, ſondern mit andern den großen GOtt in Gebethen und Liedern oͤffentlich um geiſtliche oder leibliche Wohlthaten anflehen, oder ihm davor Danck abſtatten, ſein Wort an- daͤchtig anzuhoͤren, und es in einem feinen guten Hertzen zu verwahren, damit es hernach mancher- ley Fruͤchte in Gedult bringen moͤge. Ein gewißer neuer Autor urtheilet nicht unrecht, wenn er ſpricht: Jch duͤrffte wohl nicht irren, wenn ich vorgaͤbe daß ein und das ander Frauenzimmer (doch er duͤrffte nur die Manns-Perſonen auch zugleich mit dazu nehmen) ihre Knie die gantze Woche lang nicht ſo offt vor ihrem GOtt und Schoͤpffer gebeugt, als ſie am Sonntage in der Kirche, bey ihren uͤberfluͤßi- gen, und dazu offtermahls hoͤchſt-unanſtaͤndigen Complimens zu thun pflegen. §. 31. Da ich in dem vorhergehenden jungen Leuten angerathen, daß ſie ihre Complimens mehr nach einer angenehmen und beliebten Kuͤrtze, denn unnoͤthigen Weitlaͤufftigkeit, einrichten ſollen, ſo verſtehe ich ſolches vornemlich von dem Antrag den ſie gegen andere zu thun haben. Bey dem Ge- gen-Compliment hat es bißweilen eine andere Be- wandniß: Bey dieſem muͤſſen ſie ſich reguliren nach dem, der ihnen ein Compliment gemacht. Hat ihnen jemand von ihres gleichen, von den Hoͤ- hern L 3

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/185>, abgerufen am 26.11.2024.