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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. V. Capitul.
hern oder Geringern, ein kurtz Compliment ge-
macht, so machen sie auch ein kurtz Gegen-Compli-
ment,
es wäre denn, daß der Respect vor dem Hö-
hern, und die grosse Ungleichheit, die unter ihnen
wäre, ein anders erforderte. Sind sie aber von
denen, die entweder mit ihnen in gleichen Umstän-
den, oder die auch noch wohl etwas mehrers be-
deuten, mit einem obligeanten und etwas weitläuff-
tigen Compliment beehret worden, so ist es aller-
dings dem Wohlstand gemäß, daß sie ein gleiches
wieder abstatten; denn sonst möchte es ihnen entwe-
der vor eine Grobheit und Geringachtung, die sie
gegen dem andern bezeigten, oder vor eine Einfalt
und Unwissenheit, ausgelegt werden.

§. 32. Mit der Gegen-Antwort der grossen Mi-
nistres
hat es eine andere Bewandniß: Die Kürtze
im Reden ist ihrem Character anständig. Wenn
ein grosser Herr wider seinen Clienten sagt: Jch
will dem Herrn hierinnen dienen, oder, der Herr
soll haben, warum er ansucht, so ist dieses das grö-
ste und beste Compliment, das ein solcher armer
Tropff nur immermehr wünschen und verlangen
mag; Und schlägt er ihm etwas ab, so wirds auch
gleich viel seyn, ob es mit viel oder wenig Worten
geschiehet. Was aber ein grosser Minister thut,
darff darum ein anderer nicht thun, der nicht so viel
Macht und Ansehen hat.

§. 33. Es ist also in der That ein ziemlicher Feh-
ler, wenn einige junge Hof-Leute/ die doch in der
Rang-Ordnung noch ziemlich unten an stehen, auf

ein

I. Theil. V. Capitul.
hern oder Geringern, ein kurtz Compliment ge-
macht, ſo machen ſie auch ein kurtz Gegen-Compli-
ment,
es waͤre denn, daß der Reſpect vor dem Hoͤ-
hern, und die groſſe Ungleichheit, die unter ihnen
waͤre, ein anders erforderte. Sind ſie aber von
denen, die entweder mit ihnen in gleichen Umſtaͤn-
den, oder die auch noch wohl etwas mehrers be-
deuten, mit einem obligeanten und etwas weitlaͤuff-
tigen Compliment beehret worden, ſo iſt es aller-
dings dem Wohlſtand gemaͤß, daß ſie ein gleiches
wieder abſtatten; denn ſonſt moͤchte es ihnen entwe-
der vor eine Grobheit und Geringachtung, die ſie
gegen dem andern bezeigten, oder vor eine Einfalt
und Unwiſſenheit, ausgelegt werden.

§. 32. Mit der Gegen-Antwort der groſſen Mi-
niſtres
hat es eine andere Bewandniß: Die Kuͤrtze
im Reden iſt ihrem Character anſtaͤndig. Wenn
ein groſſer Herr wider ſeinen Clienten ſagt: Jch
will dem Herrn hierinnen dienen, oder, der Herr
ſoll haben, warum er anſucht, ſo iſt dieſes das groͤ-
ſte und beſte Compliment, das ein ſolcher armer
Tropff nur immermehr wuͤnſchen und verlangen
mag; Und ſchlaͤgt er ihm etwas ab, ſo wirds auch
gleich viel ſeyn, ob es mit viel oder wenig Worten
geſchiehet. Was aber ein groſſer Miniſter thut,
darff darum ein anderer nicht thun, der nicht ſo viel
Macht und Anſehen hat.

§. 33. Es iſt alſo in der That ein ziemlicher Feh-
ler, wenn einige junge Hof-Leute/ die doch in der
Rang-Ordnung noch ziemlich unten an ſtehen, auf

ein
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[166/0186] I. Theil. V. Capitul. hern oder Geringern, ein kurtz Compliment ge- macht, ſo machen ſie auch ein kurtz Gegen-Compli- ment, es waͤre denn, daß der Reſpect vor dem Hoͤ- hern, und die groſſe Ungleichheit, die unter ihnen waͤre, ein anders erforderte. Sind ſie aber von denen, die entweder mit ihnen in gleichen Umſtaͤn- den, oder die auch noch wohl etwas mehrers be- deuten, mit einem obligeanten und etwas weitlaͤuff- tigen Compliment beehret worden, ſo iſt es aller- dings dem Wohlſtand gemaͤß, daß ſie ein gleiches wieder abſtatten; denn ſonſt moͤchte es ihnen entwe- der vor eine Grobheit und Geringachtung, die ſie gegen dem andern bezeigten, oder vor eine Einfalt und Unwiſſenheit, ausgelegt werden. §. 32. Mit der Gegen-Antwort der groſſen Mi- niſtres hat es eine andere Bewandniß: Die Kuͤrtze im Reden iſt ihrem Character anſtaͤndig. Wenn ein groſſer Herr wider ſeinen Clienten ſagt: Jch will dem Herrn hierinnen dienen, oder, der Herr ſoll haben, warum er anſucht, ſo iſt dieſes das groͤ- ſte und beſte Compliment, das ein ſolcher armer Tropff nur immermehr wuͤnſchen und verlangen mag; Und ſchlaͤgt er ihm etwas ab, ſo wirds auch gleich viel ſeyn, ob es mit viel oder wenig Worten geſchiehet. Was aber ein groſſer Miniſter thut, darff darum ein anderer nicht thun, der nicht ſo viel Macht und Anſehen hat. §. 33. Es iſt alſo in der That ein ziemlicher Feh- ler, wenn einige junge Hof-Leute/ die doch in der Rang-Ordnung noch ziemlich unten an ſtehen, auf ein

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/186>, abgerufen am 26.11.2024.