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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von Complimens.
ein manierlich Compliment, so ihnen der andere
gemacht, der noch wohl darzu gar ihres gleichen ist,
eine so kurtze Antwort geben, daß man sich nichts
draus nehmen kan, auch wohl öffters nichts anders,
als einen oblissant Serviteur erwiedern. Dieses
allgemeine Compliment, durch welches man nichts
bejahet noch verneinet, ist bey manchen Fällen, den
Regeln der Klugheit nach, wohl zu gebrauchen, in-
dem man ihm nach Gefallen mancherley Bedeu-
tungen zuschreiben kan, schicket sich aber im gering-
sten nicht, wo der Nothwendigkeit oder der Höf-
lichkeit nach, ein deutliches Gegen-Compliment
oder Antwort wieder abzulegen. Die allzu kurtzen
Complimens rühren bey einigen her, aus Unge-
schicklichkeit, sie besitzen von Natur keine sonderliche
Beredsamkeit, haben weder in ihrer Jugend noch
auf Universitäten in der Oratorie etwas gethan,
und sind daher nicht im Stande, ein zierlich und or-
dentlich Compliment zu machen. Bey andern, aus
einem besondern Vorurtheil und aus Unwissenheit,
weil sie gehört, daß allzu weitläufftige Complimens
von einigen Leuten vor schulfüchsig geachtet werden,
so fallen sie auf das andere extremum, und thun
der Sache gar zu wenig. Vielmahls sind sie auch
eine Frucht des Hochmuths: Mancher denckt, es
sey seiner Grandesse zu viel, wenn er dem andern ein
höflich Gegen-Compliment machen soll, und bildet
sich ein, er sey schon ein grosser Minister, wenn er
einen andern mit sehr kurtzen Worten ab-
speiset.

§. 34.
L 4

Von Complimens.
ein manierlich Compliment, ſo ihnen der andere
gemacht, der noch wohl darzu gar ihres gleichen iſt,
eine ſo kurtze Antwort geben, daß man ſich nichts
draus nehmen kan, auch wohl oͤffters nichts anders,
als einen obliſſant Serviteur erwiedern. Dieſes
allgemeine Compliment, durch welches man nichts
bejahet noch verneinet, iſt bey manchen Faͤllen, den
Regeln der Klugheit nach, wohl zu gebrauchen, in-
dem man ihm nach Gefallen mancherley Bedeu-
tungen zuſchreiben kan, ſchicket ſich aber im gering-
ſten nicht, wo der Nothwendigkeit oder der Hoͤf-
lichkeit nach, ein deutliches Gegen-Compliment
oder Antwort wieder abzulegen. Die allzu kurtzen
Complimens ruͤhren bey einigen her, aus Unge-
ſchicklichkeit, ſie beſitzen von Natur keine ſonderliche
Beredſamkeit, haben weder in ihrer Jugend noch
auf Univerſitaͤten in der Oratorie etwas gethan,
und ſind daher nicht im Stande, ein zierlich und or-
dentlich Compliment zu machen. Bey andern, aus
einem beſondern Vorurtheil und aus Unwiſſenheit,
weil ſie gehoͤrt, daß allzu weitlaͤufftige Complimens
von einigen Leuten vor ſchulfuͤchſig geachtet werden,
ſo fallen ſie auf das andere extremum, und thun
der Sache gar zu wenig. Vielmahls ſind ſie auch
eine Frucht des Hochmuths: Mancher denckt, es
ſey ſeiner Grandeſſe zu viel, wenn er dem andern ein
hoͤflich Gegen-Compliment machen ſoll, und bildet
ſich ein, er ſey ſchon ein groſſer Miniſter, wenn er
einen andern mit ſehr kurtzen Worten ab-
ſpeiſet.

§. 34.
L 4
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[167/0187] Von Complimens. ein manierlich Compliment, ſo ihnen der andere gemacht, der noch wohl darzu gar ihres gleichen iſt, eine ſo kurtze Antwort geben, daß man ſich nichts draus nehmen kan, auch wohl oͤffters nichts anders, als einen obliſſant Serviteur erwiedern. Dieſes allgemeine Compliment, durch welches man nichts bejahet noch verneinet, iſt bey manchen Faͤllen, den Regeln der Klugheit nach, wohl zu gebrauchen, in- dem man ihm nach Gefallen mancherley Bedeu- tungen zuſchreiben kan, ſchicket ſich aber im gering- ſten nicht, wo der Nothwendigkeit oder der Hoͤf- lichkeit nach, ein deutliches Gegen-Compliment oder Antwort wieder abzulegen. Die allzu kurtzen Complimens ruͤhren bey einigen her, aus Unge- ſchicklichkeit, ſie beſitzen von Natur keine ſonderliche Beredſamkeit, haben weder in ihrer Jugend noch auf Univerſitaͤten in der Oratorie etwas gethan, und ſind daher nicht im Stande, ein zierlich und or- dentlich Compliment zu machen. Bey andern, aus einem beſondern Vorurtheil und aus Unwiſſenheit, weil ſie gehoͤrt, daß allzu weitlaͤufftige Complimens von einigen Leuten vor ſchulfuͤchſig geachtet werden, ſo fallen ſie auf das andere extremum, und thun der Sache gar zu wenig. Vielmahls ſind ſie auch eine Frucht des Hochmuths: Mancher denckt, es ſey ſeiner Grandeſſe zu viel, wenn er dem andern ein hoͤflich Gegen-Compliment machen ſoll, und bildet ſich ein, er ſey ſchon ein groſſer Miniſter, wenn er einen andern mit ſehr kurtzen Worten ab- ſpeiſet. §. 34. L 4

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/187>, abgerufen am 26.11.2024.