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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. V. Capitul.

§. 34. Es ereignen sich auch bißweilen einige
Fälle, bey welchen man seine Complimens etwas
weitläufftiger einzurichten hat. Diesen sind, mei-
nes Erachtens, folgende mit beyzuzehlen: (1) Wenn
man als ein Abgeordneter an einem Fürstlichen
Hof geschickt wird, die Herrschafft, im Nahmen der
sämtlichen Stände, oder eines Collegii, u. s. w. zu
becomplimentiren. Weil ein solch Compliment
nicht von einer Privat-Person als einer Privat-Per-
son, sondern im Nahmen vieler abgestattet wird,
und unter die solennen gehört, so kan es auch schon
etwas weitläufftiger seyn, als sonst. (2) Wenn
man einem gelehrten Mann, adelichen oder bürger-
lichen Standes, auf Universitäten, bey Hofe, oder
in seinem Hause aufwartet, der in der Oratorie sehr
wohl erfahren, und von dem man gewiß versichert,
daß er Zeit und Gedult habe, unsern Antrag anzu-
hören. (3) Wenn die Sache, die wir anzubrin-
gen haben, so beschaffen, daß man sie, wenn man
sie nicht verstümmelt vortragen, und manches aus-
lassen solte, unmöglich kurtz fassen kan, zumahl, wenn
dem andern selbst daran gelegen wäre; und (4)
wenn der andere von weitläufftigen Complimens
ein Liebhaber, und in den Gedancken stehet, daß
man ihm mehr und grössere Ehrerbietung erzeige,
wenn man ihn mit einem langen Compliment be-
ehrte, als wenn man so kurtz abschnappen solte.

§. 35. Nachdem nun die Leute, auch bey Anneh-
mung der Complimens, so gar sehr unterschiedenen
Humeurs sind, und der eine ein gantz kurtz Com-

pli-
I. Theil. V. Capitul.

§. 34. Es ereignen ſich auch bißweilen einige
Faͤlle, bey welchen man ſeine Complimens etwas
weitlaͤufftiger einzurichten hat. Dieſen ſind, mei-
nes Erachtens, folgende mit beyzuzehlen: (1) Wenn
man als ein Abgeordneter an einem Fuͤrſtlichen
Hof geſchickt wird, die Herrſchafft, im Nahmen der
ſaͤmtlichen Staͤnde, oder eines Collegii, u. ſ. w. zu
becomplimentiren. Weil ein ſolch Compliment
nicht von einer Privat-Perſon als einer Privat-Per-
ſon, ſondern im Nahmen vieler abgeſtattet wird,
und unter die ſolennen gehoͤrt, ſo kan es auch ſchon
etwas weitlaͤufftiger ſeyn, als ſonſt. (2) Wenn
man einem gelehrten Mann, adelichen oder buͤrger-
lichen Standes, auf Univerſitaͤten, bey Hofe, oder
in ſeinem Hauſe aufwartet, der in der Oratorie ſehr
wohl erfahren, und von dem man gewiß verſichert,
daß er Zeit und Gedult habe, unſern Antrag anzu-
hoͤren. (3) Wenn die Sache, die wir anzubrin-
gen haben, ſo beſchaffen, daß man ſie, wenn man
ſie nicht verſtuͤmmelt vortragen, und manches aus-
laſſen ſolte, unmoͤglich kurtz faſſen kan, zumahl, wenn
dem andern ſelbſt daran gelegen waͤre; und (4)
wenn der andere von weitlaͤufftigen Complimens
ein Liebhaber, und in den Gedancken ſtehet, daß
man ihm mehr und groͤſſere Ehrerbietung erzeige,
wenn man ihn mit einem langen Compliment be-
ehrte, als wenn man ſo kurtz abſchnappen ſolte.

§. 35. Nachdem nun die Leute, auch bey Anneh-
mung der Complimens, ſo gar ſehr unterſchiedenen
Humeurs ſind, und der eine ein gantz kurtz Com-

pli-
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[168/0188] I. Theil. V. Capitul. §. 34. Es ereignen ſich auch bißweilen einige Faͤlle, bey welchen man ſeine Complimens etwas weitlaͤufftiger einzurichten hat. Dieſen ſind, mei- nes Erachtens, folgende mit beyzuzehlen: (1) Wenn man als ein Abgeordneter an einem Fuͤrſtlichen Hof geſchickt wird, die Herrſchafft, im Nahmen der ſaͤmtlichen Staͤnde, oder eines Collegii, u. ſ. w. zu becomplimentiren. Weil ein ſolch Compliment nicht von einer Privat-Perſon als einer Privat-Per- ſon, ſondern im Nahmen vieler abgeſtattet wird, und unter die ſolennen gehoͤrt, ſo kan es auch ſchon etwas weitlaͤufftiger ſeyn, als ſonſt. (2) Wenn man einem gelehrten Mann, adelichen oder buͤrger- lichen Standes, auf Univerſitaͤten, bey Hofe, oder in ſeinem Hauſe aufwartet, der in der Oratorie ſehr wohl erfahren, und von dem man gewiß verſichert, daß er Zeit und Gedult habe, unſern Antrag anzu- hoͤren. (3) Wenn die Sache, die wir anzubrin- gen haben, ſo beſchaffen, daß man ſie, wenn man ſie nicht verſtuͤmmelt vortragen, und manches aus- laſſen ſolte, unmoͤglich kurtz faſſen kan, zumahl, wenn dem andern ſelbſt daran gelegen waͤre; und (4) wenn der andere von weitlaͤufftigen Complimens ein Liebhaber, und in den Gedancken ſtehet, daß man ihm mehr und groͤſſere Ehrerbietung erzeige, wenn man ihn mit einem langen Compliment be- ehrte, als wenn man ſo kurtz abſchnappen ſolte. §. 35. Nachdem nun die Leute, auch bey Anneh- mung der Complimens, ſo gar ſehr unterſchiedenen Humeurs ſind, und der eine ein gantz kurtz Com- pli-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/188>, abgerufen am 26.11.2024.