pliment verlangt, der andere hingegen lieber mit einer grossen Oration angeredet seyn will, so thut ein junger Cavalier überaus wohl, wenn er sich vor- her erkundigt, wie es einem jeden am angenehmsten, und entweder bey einem guten Freund, dem er in diesem Stück trauen kan, zufragt, oder auch wohl bey einem von ihren Cavalieren, da es Standes- Personen oder Abgesandte, oder auch bey ihren Se- cretairen, Cammer-Diener, u. s. w. Nachricht ein- geholet, und sich inzwischen in der Oratorie fleißig übet, damit er im Stande sey, nach eines jeden Willkühr, Geschicklichkeit oder Ungeschicklichkeit, oder nach dem Unterscheid eines jeden sich ereignen- den Falles, einem andern mit einem kurtzen oder lan- gen Compliment zu begegnen, oder zu antworten.
§. 36. Viele von den jungen Leuten, an statt daß sie sich einer natürlichen Beredsamkeit befleißigen, oder nach den Regeln einer vernünfftigen Rede- Kunst lernen solten, aus ihrem eigenen Gehirne, bey allerhand in dem menschlichen Leben vorkommen- den Umständen, einen manierlichen und ordentlichen Vortrag zu thun, oder darauf zu antworten, neh- men ihre Zuflucht zu denen Complimentir-Bü- chern, und bilden sich ein, wenn sie deren eine gute Menge besäßen, so könten sie sich schon helffen, und dürfften sich den Kopff nicht allein zubrechen. Nun will ich zwar nicht derjenige seyn, der allen Compli- mentir-Büchern ihren Nutzen absprechen solte; Jch läugne nicht, daß in Talanders, Menantes, Neukirchs und andern Schrifften, die jungen Leu-
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Von Complimens.
pliment verlangt, der andere hingegen lieber mit einer groſſen Oration angeredet ſeyn will, ſo thut ein junger Cavalier uͤberaus wohl, wenn er ſich vor- her erkundigt, wie es einem jeden am angenehmſten, und entweder bey einem guten Freund, dem er in dieſem Stuͤck trauen kan, zufragt, oder auch wohl bey einem von ihren Cavalieren, da es Standes- Perſonen oder Abgeſandte, oder auch bey ihren Se- cretairen, Cammer-Diener, u. ſ. w. Nachricht ein- geholet, und ſich inzwiſchen in der Oratorie fleißig uͤbet, damit er im Stande ſey, nach eines jeden Willkuͤhr, Geſchicklichkeit oder Ungeſchicklichkeit, oder nach dem Unterſcheid eines jeden ſich ereignen- den Falles, einem andern mit einem kurtzen oder lan- gen Compliment zu begegnen, oder zu antworten.
§. 36. Viele von den jungen Leuten, an ſtatt daß ſie ſich einer natuͤrlichen Beredſamkeit befleißigen, oder nach den Regeln einer vernuͤnfftigen Rede- Kunſt lernen ſolten, aus ihrem eigenen Gehirne, bey allerhand in dem menſchlichen Leben vorkommen- den Umſtaͤnden, einen manierlichen und ordentlichen Vortrag zu thun, oder darauf zu antworten, neh- men ihre Zuflucht zu denen Complimentir-Buͤ- chern, und bilden ſich ein, wenn ſie deren eine gute Menge beſaͤßen, ſo koͤnten ſie ſich ſchon helffen, und duͤrfften ſich den Kopff nicht allein zubrechen. Nun will ich zwar nicht derjenige ſeyn, der allen Compli- mentir-Buͤchern ihren Nutzen abſprechen ſolte; Jch laͤugne nicht, daß in Talanders, Menantes, Neukirchs und andern Schrifften, die jungen Leu-
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Von Complimens.
pliment verlangt, der andere hingegen lieber mit
einer groſſen Oration angeredet ſeyn will, ſo thut
ein junger Cavalier uͤberaus wohl, wenn er ſich vor-
her erkundigt, wie es einem jeden am angenehmſten,
und entweder bey einem guten Freund, dem er in
dieſem Stuͤck trauen kan, zufragt, oder auch wohl
bey einem von ihren Cavalieren, da es Standes-
Perſonen oder Abgeſandte, oder auch bey ihren Se-
cretairen, Cammer-Diener, u. ſ. w. Nachricht ein-
geholet, und ſich inzwiſchen in der Oratorie fleißig
uͤbet, damit er im Stande ſey, nach eines jeden
Willkuͤhr, Geſchicklichkeit oder Ungeſchicklichkeit,
oder nach dem Unterſcheid eines jeden ſich ereignen-
den Falles, einem andern mit einem kurtzen oder lan-
gen Compliment zu begegnen, oder zu antworten.
§. 36. Viele von den jungen Leuten, an ſtatt daß
ſie ſich einer natuͤrlichen Beredſamkeit befleißigen,
oder nach den Regeln einer vernuͤnfftigen Rede-
Kunſt lernen ſolten, aus ihrem eigenen Gehirne, bey
allerhand in dem menſchlichen Leben vorkommen-
den Umſtaͤnden, einen manierlichen und ordentlichen
Vortrag zu thun, oder darauf zu antworten, neh-
men ihre Zuflucht zu denen Complimentir-Buͤ-
chern, und bilden ſich ein, wenn ſie deren eine gute
Menge beſaͤßen, ſo koͤnten ſie ſich ſchon helffen, und
duͤrfften ſich den Kopff nicht allein zubrechen. Nun
will ich zwar nicht derjenige ſeyn, der allen Compli-
mentir-Buͤchern ihren Nutzen abſprechen ſolte;
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/189>, abgerufen am 26.11.2024.
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