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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von Manieren u. Stellungen des Leibes.
XXI. Capitul sehr viel Anmerckungen von der Con-
tenance
vor; er nimmt sie aber meines Ermeßens
in allzuweitläufftigem Verstande; ich glaube, daß
sie auf folgende Art am besten und natürlichsten
können erklähret werden, wenn man sagt, sie ent-
stehe, wenn man seine Handlungen mit einer guten
Ordnung, Sittsamkeit und anständigen Freyheit
verrichtet, ohne daß man sich durch die Personen,
sonderlich die Frembden oder Höhern, die man bey
dieser oder jener Handlung zu Zuschauern oder Zu-
hörern hat, sich in einige Unordnung oder Verwir-
rung setzen lasse.

§. 8. Je größer Geschicklichkeit einer besitzt, de-
sto weniger affectirter Wesen muß er dabey bli-
cken lassen. Denn dieses pflegt der gemeine
Schandfleck zu seyn, dadurch alle Qualitaeten ver-
dorben werden. Die höchsten und vollkommen-
sten Eigenschafften verliehren ihren Werth, wenn
sie mit Affectation verbunden; ein jederman sie-
het sie so dann mehr vor einen gekünstelten Zwang,
als vor eine freye und natürliche Würcknng einer
wahrhafften Geschicklichkeit an. S. 123. Maxime
vom Gracian. Ein natürliches Wesen, das nicht
nach dem Ceremoniel eingerichtet, läst bißweilen
manierlicher, als eine gezwungene Wohlanständig-
keit.

§. 9. Diese gezwungene Einrichtung der äußer-
lichen Handlungen rühret offtmahls daher, wenn
die Menschen den Höhern entweder allzugeschwin-
de, oder allzueigendlich nachahmen wollen, und er-

wegen
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Von Manieren u. Stellungen des Leibes.
XXI. Capitul ſehr viel Anmerckungen von der Con-
tenance
vor; er nimmt ſie aber meines Ermeßens
in allzuweitlaͤufftigem Verſtande; ich glaube, daß
ſie auf folgende Art am beſten und natuͤrlichſten
koͤnnen erklaͤhret werden, wenn man ſagt, ſie ent-
ſtehe, wenn man ſeine Handlungen mit einer guten
Ordnung, Sittſamkeit und anſtaͤndigen Freyheit
verrichtet, ohne daß man ſich durch die Perſonen,
ſonderlich die Frembden oder Hoͤhern, die man bey
dieſer oder jener Handlung zu Zuſchauern oder Zu-
hoͤrern hat, ſich in einige Unordnung oder Verwir-
rung ſetzen laſſe.

§. 8. Je groͤßer Geſchicklichkeit einer beſitzt, de-
ſto weniger affectirter Weſen muß er dabey bli-
cken laſſen. Denn dieſes pflegt der gemeine
Schandfleck zu ſeyn, dadurch alle Qualitæten ver-
dorben werden. Die hoͤchſten und vollkommen-
ſten Eigenſchafften verliehren ihren Werth, wenn
ſie mit Affectation verbunden; ein jederman ſie-
het ſie ſo dann mehr vor einen gekuͤnſtelten Zwang,
als vor eine freye und natuͤrliche Wuͤrcknng einer
wahrhafften Geſchicklichkeit an. S. 123. Maxime
vom Gracian. Ein natuͤrliches Weſen, das nicht
nach dem Ceremoniel eingerichtet, laͤſt bißweilen
manierlicher, als eine gezwungene Wohlanſtaͤndig-
keit.

§. 9. Dieſe gezwungene Einrichtung der aͤußer-
lichen Handlungen ruͤhret offtmahls daher, wenn
die Menſchen den Hoͤhern entweder allzugeſchwin-
de, oder allzueigendlich nachahmen wollen, und er-

wegen
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[185/0205] Von Manieren u. Stellungen des Leibes. XXI. Capitul ſehr viel Anmerckungen von der Con- tenance vor; er nimmt ſie aber meines Ermeßens in allzuweitlaͤufftigem Verſtande; ich glaube, daß ſie auf folgende Art am beſten und natuͤrlichſten koͤnnen erklaͤhret werden, wenn man ſagt, ſie ent- ſtehe, wenn man ſeine Handlungen mit einer guten Ordnung, Sittſamkeit und anſtaͤndigen Freyheit verrichtet, ohne daß man ſich durch die Perſonen, ſonderlich die Frembden oder Hoͤhern, die man bey dieſer oder jener Handlung zu Zuſchauern oder Zu- hoͤrern hat, ſich in einige Unordnung oder Verwir- rung ſetzen laſſe. §. 8. Je groͤßer Geſchicklichkeit einer beſitzt, de- ſto weniger affectirter Weſen muß er dabey bli- cken laſſen. Denn dieſes pflegt der gemeine Schandfleck zu ſeyn, dadurch alle Qualitæten ver- dorben werden. Die hoͤchſten und vollkommen- ſten Eigenſchafften verliehren ihren Werth, wenn ſie mit Affectation verbunden; ein jederman ſie- het ſie ſo dann mehr vor einen gekuͤnſtelten Zwang, als vor eine freye und natuͤrliche Wuͤrcknng einer wahrhafften Geſchicklichkeit an. S. 123. Maxime vom Gracian. Ein natuͤrliches Weſen, das nicht nach dem Ceremoniel eingerichtet, laͤſt bißweilen manierlicher, als eine gezwungene Wohlanſtaͤndig- keit. §. 9. Dieſe gezwungene Einrichtung der aͤußer- lichen Handlungen ruͤhret offtmahls daher, wenn die Menſchen den Hoͤhern entweder allzugeſchwin- de, oder allzueigendlich nachahmen wollen, und er- wegen M 5

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/205>, abgerufen am 09.11.2024.