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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. VI. Capitul.
ten Abwege auf den andern. Wenn manchen
jungen Leuten ihre übermäßige Ernsthafftigkeit, ihre
bleyerne Erbarkeit, und fast unbewegliche Sittsam-
keit, als etwas unanständiges, vorgestellt wird, so
gerathen sie nachgehends in ein gar zu flüchtiges,
unstetes nnd bewegliches Wesen. Jene gleichen
den Statuen, oder den eisernen Gänsen, diese aber
den Arlequins, Taschen-Spielern, Seildän-
tzern und Gaucklern, die alle ihre Minen des Ge-
sichts, Stellungen des Leibes und ihrer Gliedmas-
sen, auf eine vielfache Weise, in Veränderung setzen
können. Der Fehler einer allzugroßen Freyheit und
Leichtsinnigkeit hänget ohnedem insgemein den-
jenigen an, die sich entweder viele und lange Jahre
in Franckreich oder sonst unter der Frantzösischen
Nation aufgehalten, oder von derselben aufgezogen
worden. Denen, die eines ernsthafften, allzustillen,
und trägen Temperaments, ist der Umgang mit den
Frantzosen zuträglicher, als denen, die ohnedem von
flüchtigen, feurigen und lebhafften Humeur. Al-
so ist es ferner ein irriger Weg, wenn einige von
dem Frauenzimmer so treuhertzig sind, daß sie
fremden Manns-Personen ohne Untenrscheid die
Hände drücken, oder ihnen sonst allerhand andere
Caressen erzeigen, oder von ihnen annehmen. Es
ist auch wider den Wohlstand gewesen, da ein
Frauenzimmer, wie der Autor der galanten Frau-
enzimmer-Morale anführt, als sie einen Hand-Kuß
bekommen sollen, so zurück gesprungen, als ob ihr
etwas Böses wiederfahren wäre.

§. 13.

I. Theil. VI. Capitul.
ten Abwege auf den andern. Wenn manchen
jungen Leuten ihre uͤbermaͤßige Ernſthafftigkeit, ihre
bleyerne Erbarkeit, und faſt unbewegliche Sittſam-
keit, als etwas unanſtaͤndiges, vorgeſtellt wird, ſo
gerathen ſie nachgehends in ein gar zu fluͤchtiges,
unſtetes nnd bewegliches Weſen. Jene gleichen
den Statuen, oder den eiſernen Gaͤnſen, dieſe aber
den Arlequins, Taſchen-Spielern, Seildaͤn-
tzern und Gaucklern, die alle ihre Minen des Ge-
ſichts, Stellungen des Leibes und ihrer Gliedmaſ-
ſen, auf eine vielfache Weiſe, in Veraͤnderung ſetzen
koͤnnen. Der Fehler einer allzugroßen Freyheit und
Leichtſinnigkeit haͤnget ohnedem insgemein den-
jenigen an, die ſich entweder viele und lange Jahre
in Franckreich oder ſonſt unter der Frantzoͤſiſchen
Nation aufgehalten, oder von derſelben aufgezogen
worden. Denen, die eines ernſthafften, allzuſtillen,
und traͤgen Temperaments, iſt der Umgang mit den
Frantzoſen zutraͤglicher, als denen, die ohnedem von
fluͤchtigen, feurigen und lebhafften Humeur. Al-
ſo iſt es ferner ein irriger Weg, wenn einige von
dem Frauenzimmer ſo treuhertzig ſind, daß ſie
fremden Manns-Perſonen ohne Untẽrſcheid die
Haͤnde druͤcken, oder ihnen ſonſt allerhand andere
Careſſen erzeigen, oder von ihnen annehmen. Es
iſt auch wider den Wohlſtand geweſen, da ein
Frauenzimmer, wie der Autor der galanten Frau-
enzimmer-Morale anfuͤhrt, als ſie einen Hand-Kuß
bekommen ſollen, ſo zuruͤck geſprungen, als ob ihr
etwas Boͤſes wiederfahren waͤre.

§. 13.
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[188/0208] I. Theil. VI. Capitul. ten Abwege auf den andern. Wenn manchen jungen Leuten ihre uͤbermaͤßige Ernſthafftigkeit, ihre bleyerne Erbarkeit, und faſt unbewegliche Sittſam- keit, als etwas unanſtaͤndiges, vorgeſtellt wird, ſo gerathen ſie nachgehends in ein gar zu fluͤchtiges, unſtetes nnd bewegliches Weſen. Jene gleichen den Statuen, oder den eiſernen Gaͤnſen, dieſe aber den Arlequins, Taſchen-Spielern, Seildaͤn- tzern und Gaucklern, die alle ihre Minen des Ge- ſichts, Stellungen des Leibes und ihrer Gliedmaſ- ſen, auf eine vielfache Weiſe, in Veraͤnderung ſetzen koͤnnen. Der Fehler einer allzugroßen Freyheit und Leichtſinnigkeit haͤnget ohnedem insgemein den- jenigen an, die ſich entweder viele und lange Jahre in Franckreich oder ſonſt unter der Frantzoͤſiſchen Nation aufgehalten, oder von derſelben aufgezogen worden. Denen, die eines ernſthafften, allzuſtillen, und traͤgen Temperaments, iſt der Umgang mit den Frantzoſen zutraͤglicher, als denen, die ohnedem von fluͤchtigen, feurigen und lebhafften Humeur. Al- ſo iſt es ferner ein irriger Weg, wenn einige von dem Frauenzimmer ſo treuhertzig ſind, daß ſie fremden Manns-Perſonen ohne Untẽrſcheid die Haͤnde druͤcken, oder ihnen ſonſt allerhand andere Careſſen erzeigen, oder von ihnen annehmen. Es iſt auch wider den Wohlſtand geweſen, da ein Frauenzimmer, wie der Autor der galanten Frau- enzimmer-Morale anfuͤhrt, als ſie einen Hand-Kuß bekommen ſollen, ſo zuruͤck geſprungen, als ob ihr etwas Boͤſes wiederfahren waͤre. §. 13.

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/208>, abgerufen am 09.11.2024.