§. 13. Ein junger Mensch muß sich bemühen die Falten seines Gesichts, so viel als möglich, so ein- zurichten, daß andere Leute nach der Beschaffenheit ihrer Urtheile, die sie insgemein zu fällen gewohnt sind, gütig davon urtheilen mögen. Kan er durch seine Bemühung zuwege bringen, daß seine Phy- siognomie ihnen gefälliger wird, so ist es gut, wo aber nicht, so kan er deswegen auch unbesorgt seyn, es ist besser, daß einer andern Leuten seine guten Qualitaeten in der That zeiget, ob sie ihm schon die- selben nicht in dem Gesicht ansehen, als daß einer ein kluges und trefflich favorables Gesicht hat, da aber nichts weiter dahinter steckt.
§. 14. Jnsonderheit muß er sich angelegen seyn lassen, diejenigen Minen anzunehmen, die sich vor seine Umstände, und nach seiner Lebens-Art schicken, oder dem Willen seiner Obern und Vorgesetzten gemäß sind. Also wird eine freventliche und lä- chelnde Mine einem Officierer, der ein Regiment oder eine Compagnie Granadierer commandiren soll, vor unanständig geachtet, ein anderer hingegen, der ein sauer und finster Gesicht zu machen weiß, wird schon vor braves angesehen. Will sich aber einer zu einem Hof-Mann qnalificiren, so wird ihm das finstere Soldaten-Gesicht zu keinem Recom- mendation-Schreiben dienen. Manch ansehn- lich geistlich und weltlich Amt, erfodert eine gravi- taetische und ernsthaffte Mine, und hilfft auch biß- weilen bey den Subalternen und bey den Geringern, die alle Tritte, Schritte, Reden und Minen ihrer
Vor-
Von Manieren u. Stellungen des Leibes.
§. 13. Ein junger Menſch muß ſich bemuͤhen die Falten ſeines Geſichts, ſo viel als moͤglich, ſo ein- zurichten, daß andere Leute nach der Beſchaffenheit ihrer Urtheile, die ſie insgemein zu faͤllen gewohnt ſind, guͤtig davon urtheilen moͤgen. Kan er durch ſeine Bemuͤhung zuwege bringen, daß ſeine Phy- ſiognomie ihnen gefaͤlliger wird, ſo iſt es gut, wo aber nicht, ſo kan er deswegen auch unbeſorgt ſeyn, es iſt beſſer, daß einer andern Leuten ſeine guten Qualitæten in der That zeiget, ob ſie ihm ſchon die- ſelben nicht in dem Geſicht anſehen, als daß einer ein kluges und trefflich favorables Geſicht hat, da aber nichts weiter dahinter ſteckt.
§. 14. Jnſonderheit muß er ſich angelegen ſeyn laſſen, diejenigen Minen anzunehmen, die ſich vor ſeine Umſtaͤnde, und nach ſeiner Lebens-Art ſchicken, oder dem Willen ſeiner Obern und Vorgeſetzten gemaͤß ſind. Alſo wird eine freventliche und laͤ- chelnde Mine einem Officierer, der ein Regiment oder eine Compagnie Granadierer commandiren ſoll, vor unanſtaͤndig geachtet, ein anderer hingegen, der ein ſauer und finſter Geſicht zu machen weiß, wird ſchon vor braves angeſehen. Will ſich aber einer zu einem Hof-Mann qnalificiren, ſo wird ihm das finſtere Soldaten-Geſicht zu keinem Recom- mendation-Schreiben dienen. Manch anſehn- lich geiſtlich und weltlich Amt, erfodert eine gravi- tætiſche und ernſthaffte Mine, und hilfft auch biß- weilen bey den Subalternen und bey den Geringern, die alle Tritte, Schritte, Reden und Minen ihrer
Vor-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0209"n="189"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von Manieren u. Stellungen des Leibes.</hi></fw><lb/><p>§. 13. Ein junger Menſch muß ſich bemuͤhen<lb/>
die Falten ſeines Geſichts, ſo viel als moͤglich, ſo ein-<lb/>
zurichten, daß andere Leute nach der Beſchaffenheit<lb/>
ihrer Urtheile, die ſie insgemein zu faͤllen gewohnt<lb/>ſind, guͤtig davon urtheilen moͤgen. Kan er durch<lb/>ſeine Bemuͤhung zuwege bringen, daß ſeine <hirendition="#aq">Phy-<lb/>ſiognomie</hi> ihnen gefaͤlliger wird, ſo iſt es gut, wo<lb/>
aber nicht, ſo kan er deswegen auch unbeſorgt ſeyn,<lb/>
es iſt beſſer, daß einer andern Leuten ſeine guten<lb/><hirendition="#aq">Qualitæt</hi>en in der That zeiget, ob ſie ihm ſchon die-<lb/>ſelben nicht in dem Geſicht anſehen, als daß einer<lb/>
ein kluges und trefflich <hirendition="#aq">favorables</hi> Geſicht hat, da<lb/>
aber nichts weiter dahinter ſteckt.</p><lb/><p>§. 14. Jnſonderheit muß er ſich angelegen ſeyn<lb/>
laſſen, diejenigen <hirendition="#aq">Min</hi>en anzunehmen, die ſich vor<lb/>ſeine Umſtaͤnde, und nach ſeiner Lebens-Art ſchicken,<lb/>
oder dem Willen ſeiner Obern und Vorgeſetzten<lb/>
gemaͤß ſind. Alſo wird eine freventliche und laͤ-<lb/>
chelnde <hirendition="#aq">Mine</hi> einem Officierer, der ein Regiment<lb/>
oder eine <hirendition="#aq">Compagnie Granadier</hi>er <hirendition="#aq">commandi</hi>ren<lb/>ſoll, vor unanſtaͤndig geachtet, ein anderer hingegen,<lb/>
der ein ſauer und finſter Geſicht zu machen weiß,<lb/>
wird ſchon vor <hirendition="#aq">braves</hi> angeſehen. Will ſich aber<lb/>
einer zu einem Hof-Mann <hirendition="#aq">qnalifici</hi>ren, ſo wird ihm<lb/>
das finſtere Soldaten-Geſicht zu keinem <hirendition="#aq">Recom-<lb/>
mendation-</hi>Schreiben dienen. Manch anſehn-<lb/>
lich geiſtlich und weltlich Amt, erfodert eine <hirendition="#aq">gravi-<lb/>
tæti</hi>ſche und ernſthaffte <hirendition="#aq">Mine,</hi> und hilfft auch biß-<lb/>
weilen bey den <hirendition="#aq">Subaltern</hi>en und bey den Geringern,<lb/>
die alle Tritte, Schritte, Reden und <hirendition="#aq">Min</hi>en ihrer<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Vor-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[189/0209]
Von Manieren u. Stellungen des Leibes.
§. 13. Ein junger Menſch muß ſich bemuͤhen
die Falten ſeines Geſichts, ſo viel als moͤglich, ſo ein-
zurichten, daß andere Leute nach der Beſchaffenheit
ihrer Urtheile, die ſie insgemein zu faͤllen gewohnt
ſind, guͤtig davon urtheilen moͤgen. Kan er durch
ſeine Bemuͤhung zuwege bringen, daß ſeine Phy-
ſiognomie ihnen gefaͤlliger wird, ſo iſt es gut, wo
aber nicht, ſo kan er deswegen auch unbeſorgt ſeyn,
es iſt beſſer, daß einer andern Leuten ſeine guten
Qualitæten in der That zeiget, ob ſie ihm ſchon die-
ſelben nicht in dem Geſicht anſehen, als daß einer
ein kluges und trefflich favorables Geſicht hat, da
aber nichts weiter dahinter ſteckt.
§. 14. Jnſonderheit muß er ſich angelegen ſeyn
laſſen, diejenigen Minen anzunehmen, die ſich vor
ſeine Umſtaͤnde, und nach ſeiner Lebens-Art ſchicken,
oder dem Willen ſeiner Obern und Vorgeſetzten
gemaͤß ſind. Alſo wird eine freventliche und laͤ-
chelnde Mine einem Officierer, der ein Regiment
oder eine Compagnie Granadierer commandiren
ſoll, vor unanſtaͤndig geachtet, ein anderer hingegen,
der ein ſauer und finſter Geſicht zu machen weiß,
wird ſchon vor braves angeſehen. Will ſich aber
einer zu einem Hof-Mann qnalificiren, ſo wird ihm
das finſtere Soldaten-Geſicht zu keinem Recom-
mendation-Schreiben dienen. Manch anſehn-
lich geiſtlich und weltlich Amt, erfodert eine gravi-
tætiſche und ernſthaffte Mine, und hilfft auch biß-
weilen bey den Subalternen und bey den Geringern,
die alle Tritte, Schritte, Reden und Minen ihrer
Vor-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/209>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.