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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Gottesdienste.
der Sabbath-Feyer noch so sehr eifern, und ihnen
die schärffsten Strafen androhen; Christliche Pre-
diger, die nicht allein den Nahmen, sondern auch
der That nach Geistliche sind, mögen mündlich und
schrifftlich die Heiligung der Sonn- und Fest-Ta-
ge, als eine höchst-nöthige Christen-Pflicht allen
Leuten einschärffen, so bleibet die Welt, dem un-
geachtet doch bey ihrer Weise: Der gröste Theil
denn, so die andern an manchen Stücken der äus-
serlichen Glückseligkeit übertreffen, halten diese Ta-
ge am bequemsten zu ihren Divertissemens, zu ih-
ren Bällen, Assembleen, Gastgebothen, Visiten
u. s. w. Haben nun die andern diese zu Vorgän-
gern, so ahmen sie ihnen getreulich nach, und also
ist in den meisten Städten, Flecken und Dörffern,
nach geendigtem Gottesdienst, nichts als lauter üp-
pige Welt-Freude, da wird am meisten gefressen
und gesoffen, gedantzet und gesprungen, gelärmet
und geschwärmet.

§. 10. Gleichwie aber das Christenthum, den
Regeln der Gewohnheit, Ziel und Maaß vor-
schreibt, also läst sich ein vernünfftiger Christ hier-
innen im geringsten nicht von dem Wahn der
gottlosen Welt hinreißen. Ein wahrer Gläubiger,
er sey im übrigen seinem Stand und Character
nach wer er wolle, hält nichts vor privilegirt, was
wider GOtt und sein Wort ist. Er giebt der
Welt was der Welt gehört, das ist, er beobach-
tet, so viel möglich, alle Regeln des Wohlstandes,
die nicht mit dem Christenthum streiten, er giebt

aber

Vom Gottesdienſte.
der Sabbath-Feyer noch ſo ſehr eifern, und ihnen
die ſchaͤrffſten Strafen androhen; Chriſtliche Pre-
diger, die nicht allein den Nahmen, ſondern auch
der That nach Geiſtliche ſind, moͤgen muͤndlich und
ſchrifftlich die Heiligung der Sonn- und Feſt-Ta-
ge, als eine hoͤchſt-noͤthige Chriſten-Pflicht allen
Leuten einſchaͤrffen, ſo bleibet die Welt, dem un-
geachtet doch bey ihrer Weiſe: Der groͤſte Theil
denn, ſo die andern an manchen Stuͤcken der aͤuſ-
ſerlichen Gluͤckſeligkeit uͤbertreffen, halten dieſe Ta-
ge am bequemſten zu ihren Divertiſſemens, zu ih-
ren Baͤllen, Aſſembleen, Gaſtgebothen, Viſiten
u. ſ. w. Haben nun die andern dieſe zu Vorgaͤn-
gern, ſo ahmen ſie ihnen getreulich nach, und alſo
iſt in den meiſten Staͤdten, Flecken und Doͤrffern,
nach geendigtem Gottesdienſt, nichts als lauter uͤp-
pige Welt-Freude, da wird am meiſten gefreſſen
und geſoffen, gedantzet und geſprungen, gelaͤrmet
und geſchwaͤrmet.

§. 10. Gleichwie aber das Chriſtenthum, den
Regeln der Gewohnheit, Ziel und Maaß vor-
ſchreibt, alſo laͤſt ſich ein vernuͤnfftiger Chriſt hier-
innen im geringſten nicht von dem Wahn der
gottloſen Welt hinreißen. Ein wahrer Glaͤubiger,
er ſey im uͤbrigen ſeinem Stand und Character
nach wer er wolle, haͤlt nichts vor privilegirt, was
wider GOtt und ſein Wort iſt. Er giebt der
Welt was der Welt gehoͤrt, das iſt, er beobach-
tet, ſo viel moͤglich, alle Regeln des Wohlſtandes,
die nicht mit dem Chriſtenthum ſtreiten, er giebt

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[253/0273] Vom Gottesdienſte. der Sabbath-Feyer noch ſo ſehr eifern, und ihnen die ſchaͤrffſten Strafen androhen; Chriſtliche Pre- diger, die nicht allein den Nahmen, ſondern auch der That nach Geiſtliche ſind, moͤgen muͤndlich und ſchrifftlich die Heiligung der Sonn- und Feſt-Ta- ge, als eine hoͤchſt-noͤthige Chriſten-Pflicht allen Leuten einſchaͤrffen, ſo bleibet die Welt, dem un- geachtet doch bey ihrer Weiſe: Der groͤſte Theil denn, ſo die andern an manchen Stuͤcken der aͤuſ- ſerlichen Gluͤckſeligkeit uͤbertreffen, halten dieſe Ta- ge am bequemſten zu ihren Divertiſſemens, zu ih- ren Baͤllen, Aſſembleen, Gaſtgebothen, Viſiten u. ſ. w. Haben nun die andern dieſe zu Vorgaͤn- gern, ſo ahmen ſie ihnen getreulich nach, und alſo iſt in den meiſten Staͤdten, Flecken und Doͤrffern, nach geendigtem Gottesdienſt, nichts als lauter uͤp- pige Welt-Freude, da wird am meiſten gefreſſen und geſoffen, gedantzet und geſprungen, gelaͤrmet und geſchwaͤrmet. §. 10. Gleichwie aber das Chriſtenthum, den Regeln der Gewohnheit, Ziel und Maaß vor- ſchreibt, alſo laͤſt ſich ein vernuͤnfftiger Chriſt hier- innen im geringſten nicht von dem Wahn der gottloſen Welt hinreißen. Ein wahrer Glaͤubiger, er ſey im uͤbrigen ſeinem Stand und Character nach wer er wolle, haͤlt nichts vor privilegirt, was wider GOtt und ſein Wort iſt. Er giebt der Welt was der Welt gehoͤrt, das iſt, er beobach- tet, ſo viel moͤglich, alle Regeln des Wohlſtandes, die nicht mit dem Chriſtenthum ſtreiten, er giebt aber

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/273>, abgerufen am 21.11.2024.