Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

Vom Gottesdienste.
Landes herrliche Mandata und scharffe Verbothe
diesem Hochmuth nicht steuern, so werden sich die
höhern, ansehnlichern und reichern aus mancher-
ley Ständen, des heiligen Nachtmahls in der Kir-
che schämen, als wie des Trauens und Kind-
taufens.

§. 29. Ein vernünfftiger Christ richtet zwar bey
der Beichte und bey dem heiligen Abendmahl sei-
ne Gedancken mehr auf die innerliche Zubereitung
des Hertzens, als auf das äußerliche Ceremonien-
Werck; inzwischen aber setzt er auch die äus-
serliche Zucht hierbey nicht aus den Augen. Er
wendet eine besondere Behutsamkeit an, damit er
nicht bey seinen äußerlichen Handlungen in einen
und den andern seinen schwachen Mit-Brüdern zu
einigem Anstoß oder Aergerniß werde, er läst das
äußerliche von dem innerlichen zeugen, vermeydet
aber dabey alle pharisäische Heuchler-Geberden,
und auch alle freche Minen der Welt-Kinder, er er-
weiset bey den heiligen Handlungen eine besondere
Demuth und Ehrerbietigkeit, und beobachtet die-
jenigen Gebräuche, die von der hohen Landes-
Obrigkeit und der Kirchen einmahl eingeführet
worden.

§. 30. Einige werffen die Frage auf, ob man
wohl bey dem lieben Gebet vor dem Tische, in der
Kirche, und in specie bey dem heiligen Altar, ei-
nen alamodischen Reverenz machen dürffe,
oder ob es nicht besser sey, daß man zu derselben
Zeit bey der alten Teutschen ihren einfältigen

Knie-
S 3

Vom Gottesdienſte.
Landes herrliche Mandata und ſcharffe Verbothe
dieſem Hochmuth nicht ſteuern, ſo werden ſich die
hoͤhern, anſehnlichern und reichern aus mancher-
ley Staͤnden, des heiligen Nachtmahls in der Kir-
che ſchaͤmen, als wie des Trauens und Kind-
taufens.

§. 29. Ein vernuͤnfftiger Chriſt richtet zwar bey
der Beichte und bey dem heiligen Abendmahl ſei-
ne Gedancken mehr auf die innerliche Zubereitung
des Hertzens, als auf das aͤußerliche Ceremonien-
Werck; inzwiſchen aber ſetzt er auch die aͤuſ-
ſerliche Zucht hierbey nicht aus den Augen. Er
wendet eine beſondere Behutſamkeit an, damit er
nicht bey ſeinen aͤußerlichen Handlungen in einen
und den andern ſeinen ſchwachen Mit-Bruͤdern zu
einigem Anſtoß oder Aergerniß werde, er laͤſt das
aͤußerliche von dem innerlichen zeugen, vermeydet
aber dabey alle phariſaͤiſche Heuchler-Geberden,
und auch alle freche Minen der Welt-Kinder, er er-
weiſet bey den heiligen Handlungen eine beſondere
Demuth und Ehrerbietigkeit, und beobachtet die-
jenigen Gebraͤuche, die von der hohen Landes-
Obrigkeit und der Kirchen einmahl eingefuͤhret
worden.

§. 30. Einige werffen die Frage auf, ob man
wohl bey dem lieben Gebet vor dem Tiſche, in der
Kirche, und in ſpecie bey dem heiligen Altar, ei-
nen alamodiſchen Reverenz machen duͤrffe,
oder ob es nicht beſſer ſey, daß man zu derſelben
Zeit bey der alten Teutſchen ihren einfaͤltigen

Knie-
S 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0297" n="277"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vom Gottesdien&#x017F;te.</hi></fw><lb/>
Landes herrliche <hi rendition="#aq">Mandata</hi> und &#x017F;charffe Verbothe<lb/>
die&#x017F;em Hochmuth nicht &#x017F;teuern, &#x017F;o werden &#x017F;ich die<lb/>
ho&#x0364;hern, an&#x017F;ehnlichern und reichern aus mancher-<lb/>
ley Sta&#x0364;nden, des heiligen Nachtmahls in der Kir-<lb/>
che &#x017F;cha&#x0364;men, als wie des Trauens und Kind-<lb/>
taufens.</p><lb/>
        <p>§. 29. Ein vernu&#x0364;nfftiger Chri&#x017F;t richtet zwar bey<lb/>
der Beichte und bey dem heiligen Abendmahl &#x017F;ei-<lb/>
ne Gedancken mehr auf die innerliche Zubereitung<lb/>
des Hertzens, als auf das a&#x0364;ußerliche <hi rendition="#aq">Ceremoni</hi>en-<lb/>
Werck; inzwi&#x017F;chen aber &#x017F;etzt er auch die a&#x0364;u&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erliche Zucht hierbey nicht aus den Augen. Er<lb/>
wendet eine be&#x017F;ondere Behut&#x017F;amkeit an, damit er<lb/>
nicht bey &#x017F;einen a&#x0364;ußerlichen Handlungen in einen<lb/>
und den andern &#x017F;einen &#x017F;chwachen Mit-Bru&#x0364;dern zu<lb/>
einigem An&#x017F;toß oder Aergerniß werde, er la&#x0364;&#x017F;t das<lb/>
a&#x0364;ußerliche von dem innerlichen zeugen, vermeydet<lb/>
aber dabey alle phari&#x017F;a&#x0364;i&#x017F;che Heuchler-Geberden,<lb/>
und auch alle freche Minen der Welt-Kinder, er er-<lb/>
wei&#x017F;et bey den heiligen Handlungen eine be&#x017F;ondere<lb/>
Demuth und Ehrerbietigkeit, und beobachtet die-<lb/>
jenigen Gebra&#x0364;uche, die von der hohen Landes-<lb/>
Obrigkeit und der Kirchen einmahl eingefu&#x0364;hret<lb/>
worden.</p><lb/>
        <p>§. 30. Einige werffen die Frage auf, ob man<lb/>
wohl bey dem lieben Gebet vor dem Ti&#x017F;che, in der<lb/>
Kirche, und <hi rendition="#aq">in &#x017F;pecie</hi> bey dem heiligen Altar, ei-<lb/>
nen <hi rendition="#aq">alamodi</hi>&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Reverenz</hi> machen du&#x0364;rffe,<lb/>
oder ob es nicht be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ey, daß man zu der&#x017F;elben<lb/>
Zeit bey der alten Teut&#x017F;chen ihren einfa&#x0364;ltigen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Knie-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277/0297] Vom Gottesdienſte. Landes herrliche Mandata und ſcharffe Verbothe dieſem Hochmuth nicht ſteuern, ſo werden ſich die hoͤhern, anſehnlichern und reichern aus mancher- ley Staͤnden, des heiligen Nachtmahls in der Kir- che ſchaͤmen, als wie des Trauens und Kind- taufens. §. 29. Ein vernuͤnfftiger Chriſt richtet zwar bey der Beichte und bey dem heiligen Abendmahl ſei- ne Gedancken mehr auf die innerliche Zubereitung des Hertzens, als auf das aͤußerliche Ceremonien- Werck; inzwiſchen aber ſetzt er auch die aͤuſ- ſerliche Zucht hierbey nicht aus den Augen. Er wendet eine beſondere Behutſamkeit an, damit er nicht bey ſeinen aͤußerlichen Handlungen in einen und den andern ſeinen ſchwachen Mit-Bruͤdern zu einigem Anſtoß oder Aergerniß werde, er laͤſt das aͤußerliche von dem innerlichen zeugen, vermeydet aber dabey alle phariſaͤiſche Heuchler-Geberden, und auch alle freche Minen der Welt-Kinder, er er- weiſet bey den heiligen Handlungen eine beſondere Demuth und Ehrerbietigkeit, und beobachtet die- jenigen Gebraͤuche, die von der hohen Landes- Obrigkeit und der Kirchen einmahl eingefuͤhret worden. §. 30. Einige werffen die Frage auf, ob man wohl bey dem lieben Gebet vor dem Tiſche, in der Kirche, und in ſpecie bey dem heiligen Altar, ei- nen alamodiſchen Reverenz machen duͤrffe, oder ob es nicht beſſer ſey, daß man zu derſelben Zeit bey der alten Teutſchen ihren einfaͤltigen Knie- S 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/297
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/297>, abgerufen am 21.11.2024.