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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von der Ceremoniel-Wissensch. überh.
sintemahl die Welt aus den Fehlern, welche wider
dem Wohlstand begangen werden, und die sonst
nach den Regeln der Welt-Weißheit vor kleine
Splitter anzusehen wären, sehr grosse Balcken zu
machen pflegt. Versuchet es bißweilen ein junger
Mensch im Spielen, bey dem Dantzen, bey einem
Compliment u. s. w. so wird von manchen Leuten
ein grösser Verbrechen daraus gemacht, als wenn
er wider göttliche und weltliche Gesetze gesündiget
hätte. Jhrer viele bekümmern sich mehr um die
äusserlichen Handlungen und um das Ceremonien-
Wesen, als um die Glaubens Puncte und Lebens-
Pflichten. Ein grosser Theil der Menschen schließt
von dem äusserlichen auf das innerliche; wer sich
nach der opinion der Leute in dem äusserlichen wohl
zu schicken weiß, der wird von vielen nicht allein vor
manierlich, sondern auch vor klug und weise gehal-
ten, und hergegen der andere, der bey dem Cere-
moniel
einen Fehler begehet, vor einen Phantasten
angesehen. Die äusserlichen Handlungen fallen
allen Leuten in die Augen, dem Narren so wohl als
dem Klugen, und es geschicht nicht selten, daß man-
cher, der sonst wenig Witz im Kopff hat, an dem
andern einen Fehler, den er bey dem äusserlichen be-
gehet, wahrnehmen kan.

§. 29. Ob man gleich die Anfangs-Gründe der
Ceremoniel-Wissenschafft aus einer und der an-
dern wohlabgefaßten Schrifft erlernen kan, so muß
man doch dieselbe durch den Umgang mit der gros-
sen Welt am meisten excoliren. Jnsonderheit

sind
B 5

Von der Ceremoniel-Wiſſenſch. uͤberh.
ſintemahl die Welt aus den Fehlern, welche wider
dem Wohlſtand begangen werden, und die ſonſt
nach den Regeln der Welt-Weißheit vor kleine
Splitter anzuſehen waͤren, ſehr groſſe Balcken zu
machen pflegt. Verſuchet es bißweilen ein junger
Menſch im Spielen, bey dem Dantzen, bey einem
Compliment u. ſ. w. ſo wird von manchen Leuten
ein groͤſſer Verbrechen daraus gemacht, als wenn
er wider goͤttliche und weltliche Geſetze geſuͤndiget
haͤtte. Jhrer viele bekuͤmmern ſich mehr um die
aͤuſſerlichen Handlungen und um das Ceremonien-
Weſen, als um die Glaubens Puncte und Lebens-
Pflichten. Ein groſſer Theil der Menſchen ſchließt
von dem aͤuſſerlichen auf das innerliche; wer ſich
nach der opinion der Leute in dem aͤuſſerlichen wohl
zu ſchicken weiß, der wird von vielen nicht allein vor
manierlich, ſondern auch vor klug und weiſe gehal-
ten, und hergegen der andere, der bey dem Cere-
moniel
einen Fehler begehet, vor einen Phantaſten
angeſehen. Die aͤuſſerlichen Handlungen fallen
allen Leuten in die Augen, dem Narren ſo wohl als
dem Klugen, und es geſchicht nicht ſelten, daß man-
cher, der ſonſt wenig Witz im Kopff hat, an dem
andern einen Fehler, den er bey dem aͤuſſerlichen be-
gehet, wahrnehmen kan.

§. 29. Ob man gleich die Anfangs-Gruͤnde der
Ceremoniel-Wiſſenſchafft aus einer und der an-
dern wohlabgefaßten Schrifft erlernen kan, ſo muß
man doch dieſelbe durch den Umgang mit der groſ-
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[25/0045] Von der Ceremoniel-Wiſſenſch. uͤberh. ſintemahl die Welt aus den Fehlern, welche wider dem Wohlſtand begangen werden, und die ſonſt nach den Regeln der Welt-Weißheit vor kleine Splitter anzuſehen waͤren, ſehr groſſe Balcken zu machen pflegt. Verſuchet es bißweilen ein junger Menſch im Spielen, bey dem Dantzen, bey einem Compliment u. ſ. w. ſo wird von manchen Leuten ein groͤſſer Verbrechen daraus gemacht, als wenn er wider goͤttliche und weltliche Geſetze geſuͤndiget haͤtte. Jhrer viele bekuͤmmern ſich mehr um die aͤuſſerlichen Handlungen und um das Ceremonien- Weſen, als um die Glaubens Puncte und Lebens- Pflichten. Ein groſſer Theil der Menſchen ſchließt von dem aͤuſſerlichen auf das innerliche; wer ſich nach der opinion der Leute in dem aͤuſſerlichen wohl zu ſchicken weiß, der wird von vielen nicht allein vor manierlich, ſondern auch vor klug und weiſe gehal- ten, und hergegen der andere, der bey dem Cere- moniel einen Fehler begehet, vor einen Phantaſten angeſehen. Die aͤuſſerlichen Handlungen fallen allen Leuten in die Augen, dem Narren ſo wohl als dem Klugen, und es geſchicht nicht ſelten, daß man- cher, der ſonſt wenig Witz im Kopff hat, an dem andern einen Fehler, den er bey dem aͤuſſerlichen be- gehet, wahrnehmen kan. §. 29. Ob man gleich die Anfangs-Gruͤnde der Ceremoniel-Wiſſenſchafft aus einer und der an- dern wohlabgefaßten Schrifft erlernen kan, ſo muß man doch dieſelbe durch den Umgang mit der groſ- ſen Welt am meiſten excoliren. Jnſonderheit ſind B 5

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/45>, abgerufen am 21.11.2024.