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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. XIII. Capitul.
haben so wenig Hochachtung vor sie, als die Zu-
schauer vor einer Comoediantin oder Operistin, die
dem Schein nach in einer Comoedie oder Opera
wie eine Princeßin gekleidet ist, und von der sie doch
wissen, daß sie bloß ein gemein Bürgers-Mädgen,
die sich um des Gewinsts willen in mancherley Klei-
dungen, Geberden und Figuren zur Schau darstellt.
Der Herr M. Bernd hält in seiner Predigt vor die
Kleider-Narren und Mode-Schwestern folgende
Anrede in dem III. Theile an dergleichen Leute, die
sich in ihrer Kleidung über ihren Stand erheben:
Sagt mir doch, spricht er, wer soll euch denn nun
wegen eurer schönen Kleider ehren und hoch achten?
Sie wissen ja, wer dein Vater ist, wo er sich auf-
hält, wie viel Ursache du hast dich eher zu demüthi-
gen als zu erheben. Sie wissen wer dein Mann
ist, und wie groß seine Bestallung. Von denen
so niedriger als du sind, z. E. von Handwercks-Leu-
ten, von gemeinen Bürgers-Leuten, und von ar-
men Leuten, darffst du dir noch viel weniger ein gut
Urthel versprechen. Diese sind voll bittrer Galle
gegen dich, wegen deiner Kleider-Hoffarth. Diese
schreiben Krieg, Hunger, Pestilentz und alle Land-
Plagen deinen Hochmuth und deiner Kleider-
Pracht zu, oder sollen dich diejenigen ehren, die dei-
nes gleichen, und die sich eben so tragen wie du
dich trägest? Warlich das Urthel, das sie von dir
fällen werden, wird mäßig seyn, sie werden sich eben
so gar sehr nicht verwundern, so wenig ich mich ver-
wundere, daß ein anderer, der eben in dem Amte

steht,

II. Theil. XIII. Capitul.
haben ſo wenig Hochachtung vor ſie, als die Zu-
ſchauer vor einer Comœdiantin oder Operiſtin, die
dem Schein nach in einer Comœdie oder Opera
wie eine Princeßin gekleidet iſt, und von der ſie doch
wiſſen, daß ſie bloß ein gemein Buͤrgers-Maͤdgen,
die ſich um des Gewinſts willen in mancherley Klei-
dungen, Geberden und Figuren zur Schau darſtellt.
Der Herr M. Bernd haͤlt in ſeiner Predigt vor die
Kleider-Narren und Mode-Schweſtern folgende
Anrede in dem III. Theile an dergleichen Leute, die
ſich in ihrer Kleidung uͤber ihren Stand erheben:
Sagt mir doch, ſpricht er, wer ſoll euch denn nun
wegen eurer ſchoͤnen Kleider ehren und hoch achten?
Sie wiſſen ja, wer dein Vater iſt, wo er ſich auf-
haͤlt, wie viel Urſache du haſt dich eher zu demuͤthi-
gen als zu erheben. Sie wiſſen wer dein Mann
iſt, und wie groß ſeine Beſtallung. Von denen
ſo niedriger als du ſind, z. E. von Handwercks-Leu-
ten, von gemeinen Buͤrgers-Leuten, und von ar-
men Leuten, darffſt du dir noch viel weniger ein gut
Urthel verſprechen. Dieſe ſind voll bittrer Galle
gegen dich, wegen deiner Kleider-Hoffarth. Dieſe
ſchreiben Krieg, Hunger, Peſtilentz und alle Land-
Plagen deinen Hochmuth und deiner Kleider-
Pracht zu, oder ſollen dich diejenigen ehren, die dei-
nes gleichen, und die ſich eben ſo tragen wie du
dich traͤgeſt? Warlich das Urthel, das ſie von dir
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ſo gar ſehr nicht verwundern, ſo wenig ich mich ver-
wundere, daß ein anderer, der eben in dem Amte

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[548/0568] II. Theil. XIII. Capitul. haben ſo wenig Hochachtung vor ſie, als die Zu- ſchauer vor einer Comœdiantin oder Operiſtin, die dem Schein nach in einer Comœdie oder Opera wie eine Princeßin gekleidet iſt, und von der ſie doch wiſſen, daß ſie bloß ein gemein Buͤrgers-Maͤdgen, die ſich um des Gewinſts willen in mancherley Klei- dungen, Geberden und Figuren zur Schau darſtellt. Der Herr M. Bernd haͤlt in ſeiner Predigt vor die Kleider-Narren und Mode-Schweſtern folgende Anrede in dem III. Theile an dergleichen Leute, die ſich in ihrer Kleidung uͤber ihren Stand erheben: Sagt mir doch, ſpricht er, wer ſoll euch denn nun wegen eurer ſchoͤnen Kleider ehren und hoch achten? Sie wiſſen ja, wer dein Vater iſt, wo er ſich auf- haͤlt, wie viel Urſache du haſt dich eher zu demuͤthi- gen als zu erheben. Sie wiſſen wer dein Mann iſt, und wie groß ſeine Beſtallung. Von denen ſo niedriger als du ſind, z. E. von Handwercks-Leu- ten, von gemeinen Buͤrgers-Leuten, und von ar- men Leuten, darffſt du dir noch viel weniger ein gut Urthel verſprechen. Dieſe ſind voll bittrer Galle gegen dich, wegen deiner Kleider-Hoffarth. Dieſe ſchreiben Krieg, Hunger, Peſtilentz und alle Land- Plagen deinen Hochmuth und deiner Kleider- Pracht zu, oder ſollen dich diejenigen ehren, die dei- nes gleichen, und die ſich eben ſo tragen wie du dich traͤgeſt? Warlich das Urthel, das ſie von dir faͤllen werden, wird maͤßig ſeyn, ſie werden ſich eben ſo gar ſehr nicht verwundern, ſo wenig ich mich ver- wundere, daß ein anderer, der eben in dem Amte ſteht,

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/568>, abgerufen am 21.11.2024.