steht, in welchem ich stehe, eben ein solch Kleid und einen solchen Kragen trägt, wie ich zu tragen pflege.
§. 8. Ob zwar eine propre Kleidung bey Hofe gantz angenehm ist, so recommandiren sich doch diejenigen, wenn sie es schon in Vermögen ha- ben, nicht allezeit, die dasjenige, was sie bey der Fürstlichen Herrschafft oder bey großen Ministris gesehen, alsobald nachahmen, und es ihnen an prächtiger Kleidung gleich thun wollen; Sie ver- letzen hiedurch in etwas den Respect, so sie Hö- hern schuldig sind, und erzeigen eine gewisse Art einer Demuth und Sittsamkeit, wenn sie jenen auch in diesem Stück einige Vorzüge zu überlas- sen. Nachdem die Dames mehrentheils in der- gleichen Dingen accurater auch rigoureuser sind, so pflegt das Frauenzimmer bißweilen bey Durch- lauchtigster Herrschafft sich vorhero zu erkundigen, ob ihnen wohl erlaubet seyn möchte, dieses oder je- nes an ihrer Kleidung zu tragen, damit sie hierbey nicht verstoßen, und sich dieserwegen keine Ungna- de zuziehen.
§. 9. Die meisten Menschen haben eine allzu große Hochachtung vor sich selbst, und eignen sich so wohl sonsten, als auch bey der Kleidung mancher- ley Praerogativen vor ihrem Nächsten zu, und schneiden solche ihm hingegen ab. Sie dencken, sie wären gar wohl berechtiget, dieses oder jenes zu tragen, andere aber, die sie als weit geringer anse- hen, hingegen nicht, sie beklagen sich, daß sich die andern so gar sehr über ihren Stand erheben, und
gar
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Von der Kleidung.
ſteht, in welchem ich ſtehe, eben ein ſolch Kleid und einen ſolchen Kragen traͤgt, wie ich zu tragen pflege.
§. 8. Ob zwar eine propre Kleidung bey Hofe gantz angenehm iſt, ſo recommandiren ſich doch diejenigen, wenn ſie es ſchon in Vermoͤgen ha- ben, nicht allezeit, die dasjenige, was ſie bey der Fuͤrſtlichen Herrſchafft oder bey großen Miniſtris geſehen, alſobald nachahmen, und es ihnen an praͤchtiger Kleidung gleich thun wollen; Sie ver- letzen hiedurch in etwas den Reſpect, ſo ſie Hoͤ- hern ſchuldig ſind, und erzeigen eine gewiſſe Art einer Demuth und Sittſamkeit, wenn ſie jenen auch in dieſem Stuͤck einige Vorzuͤge zu uͤberlaſ- ſen. Nachdem die Dames mehrentheils in der- gleichen Dingen accurater auch rigoureuſer ſind, ſo pflegt das Frauenzimmer bißweilen bey Durch- lauchtigſter Herrſchafft ſich vorhero zu erkundigen, ob ihnen wohl erlaubet ſeyn moͤchte, dieſes oder je- nes an ihrer Kleidung zu tragen, damit ſie hierbey nicht verſtoßen, und ſich dieſerwegen keine Ungna- de zuziehen.
§. 9. Die meiſten Menſchen haben eine allzu große Hochachtung vor ſich ſelbſt, und eignen ſich ſo wohl ſonſten, als auch bey der Kleidung mancher- ley Prærogativen vor ihrem Naͤchſten zu, und ſchneiden ſolche ihm hingegen ab. Sie dencken, ſie waͤren gar wohl berechtiget, dieſes oder jenes zu tragen, andere aber, die ſie als weit geringer anſe- hen, hingegen nicht, ſie beklagen ſich, daß ſich die andern ſo gar ſehr uͤber ihren Stand erheben, und
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Von der Kleidung.
ſteht, in welchem ich ſtehe, eben ein ſolch Kleid und
einen ſolchen Kragen traͤgt, wie ich zu tragen pflege.
§. 8. Ob zwar eine propre Kleidung bey Hofe
gantz angenehm iſt, ſo recommandiren ſich doch
diejenigen, wenn ſie es ſchon in Vermoͤgen ha-
ben, nicht allezeit, die dasjenige, was ſie bey der
Fuͤrſtlichen Herrſchafft oder bey großen Miniſtris
geſehen, alſobald nachahmen, und es ihnen an
praͤchtiger Kleidung gleich thun wollen; Sie ver-
letzen hiedurch in etwas den Reſpect, ſo ſie Hoͤ-
hern ſchuldig ſind, und erzeigen eine gewiſſe Art
einer Demuth und Sittſamkeit, wenn ſie jenen
auch in dieſem Stuͤck einige Vorzuͤge zu uͤberlaſ-
ſen. Nachdem die Dames mehrentheils in der-
gleichen Dingen accurater auch rigoureuſer ſind,
ſo pflegt das Frauenzimmer bißweilen bey Durch-
lauchtigſter Herrſchafft ſich vorhero zu erkundigen,
ob ihnen wohl erlaubet ſeyn moͤchte, dieſes oder je-
nes an ihrer Kleidung zu tragen, damit ſie hierbey
nicht verſtoßen, und ſich dieſerwegen keine Ungna-
de zuziehen.
§. 9. Die meiſten Menſchen haben eine allzu
große Hochachtung vor ſich ſelbſt, und eignen ſich
ſo wohl ſonſten, als auch bey der Kleidung mancher-
ley Prærogativen vor ihrem Naͤchſten zu, und
ſchneiden ſolche ihm hingegen ab. Sie dencken,
ſie waͤren gar wohl berechtiget, dieſes oder jenes zu
tragen, andere aber, die ſie als weit geringer anſe-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/569>, abgerufen am 22.11.2024.
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