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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. XIII. Capitul.
gar kein Einsehen darinne sey, und vermeynen
nicht, daß die Höhern Ursache haben, sich über sie
so wohl zu beschweren, als sie über die Geringern
Beschwerden führen; Einige von den Adelichen
Dames klagen, daß diese oder jene Art sich zu klei-
den, so gemein würde, daß sie dieselben gar nicht vor
sich behalten könten, sondern daß das Bürgerliche
Frauenzimmer ihnen alles gleich nachthäte. Das
Bürgerliche Frauenzimmer, deren Väter oder
Ehemänner in höhern Characteren stehn, und
dasjenige, was sie den Adelichen abgesehen, gar
glücklich nachahmen, ereifern sich gewaltig, wenn
sie wahrnehmen, daß die andern von bürgerlichen
Stande, die ihnen doch im Range weit nachgien-
gen, es ihnen in der Kleidung entweder gleich, oder
noch zuvor thäten. Hierauf kommen die Schnei-
der-Weiber in großen Städten, und lamenti-
ren, daß bey der Kleidung keine Ordnung gehalten
würde, ein jedes kleidete sich, wie es wolte, und kein
Mensch fragte darnach, eine jede Magd unterstün-
de sich dasjenige zu tragen, welches doch nur repu-
ti
rlichen Weibern, denen sie sich beyzehlen, zukäme;
Und also wollen sich alle, die es nur einigermaßen
in Vermögen haben, einer ungebundenen Frey-
heit sich nach zu Gefallen zu kleiden, anmaßen,
und bloß die allerärmsten Bauers- und Dienst-
Leute, hierinnen einschräncken.

§. 10. Ein vernünfftiger Mensch beunruhiget
sich im geringsten nicht, wenn er siehet, daß ande-
re, die geringer sind, als er, es ihm in Kleidung ent-

weder

II. Theil. XIII. Capitul.
gar kein Einſehen darinne ſey, und vermeynen
nicht, daß die Hoͤhern Urſache haben, ſich uͤber ſie
ſo wohl zu beſchweren, als ſie uͤber die Geringern
Beſchwerden fuͤhren; Einige von den Adelichen
Dames klagen, daß dieſe oder jene Art ſich zu klei-
den, ſo gemein wuͤrde, daß ſie dieſelben gar nicht vor
ſich behalten koͤnten, ſondern daß das Buͤrgerliche
Frauenzimmer ihnen alles gleich nachthaͤte. Das
Buͤrgerliche Frauenzimmer, deren Vaͤter oder
Ehemaͤnner in hoͤhern Charactéren ſtehn, und
dasjenige, was ſie den Adelichen abgeſehen, gar
gluͤcklich nachahmen, ereifern ſich gewaltig, wenn
ſie wahrnehmen, daß die andern von buͤrgerlichen
Stande, die ihnen doch im Range weit nachgien-
gen, es ihnen in der Kleidung entweder gleich, oder
noch zuvor thaͤten. Hierauf kommen die Schnei-
der-Weiber in großen Staͤdten, und lamenti-
ren, daß bey der Kleidung keine Ordnung gehalten
wuͤrde, ein jedes kleidete ſich, wie es wolte, und kein
Menſch fragte darnach, eine jede Magd unterſtuͤn-
de ſich dasjenige zu tragen, welches doch nur repu-
ti
rlichen Weibern, denen ſie ſich beyzehlen, zukaͤme;
Und alſo wollen ſich alle, die es nur einigermaßen
in Vermoͤgen haben, einer ungebundenen Frey-
heit ſich nach zu Gefallen zu kleiden, anmaßen,
und bloß die alleraͤrmſten Bauers- und Dienſt-
Leute, hierinnen einſchraͤncken.

§. 10. Ein vernuͤnfftiger Menſch beunruhiget
ſich im geringſten nicht, wenn er ſiehet, daß ande-
re, die geringer ſind, als er, es ihm in Kleidung ent-

weder
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[550/0570] II. Theil. XIII. Capitul. gar kein Einſehen darinne ſey, und vermeynen nicht, daß die Hoͤhern Urſache haben, ſich uͤber ſie ſo wohl zu beſchweren, als ſie uͤber die Geringern Beſchwerden fuͤhren; Einige von den Adelichen Dames klagen, daß dieſe oder jene Art ſich zu klei- den, ſo gemein wuͤrde, daß ſie dieſelben gar nicht vor ſich behalten koͤnten, ſondern daß das Buͤrgerliche Frauenzimmer ihnen alles gleich nachthaͤte. Das Buͤrgerliche Frauenzimmer, deren Vaͤter oder Ehemaͤnner in hoͤhern Charactéren ſtehn, und dasjenige, was ſie den Adelichen abgeſehen, gar gluͤcklich nachahmen, ereifern ſich gewaltig, wenn ſie wahrnehmen, daß die andern von buͤrgerlichen Stande, die ihnen doch im Range weit nachgien- gen, es ihnen in der Kleidung entweder gleich, oder noch zuvor thaͤten. Hierauf kommen die Schnei- der-Weiber in großen Staͤdten, und lamenti- ren, daß bey der Kleidung keine Ordnung gehalten wuͤrde, ein jedes kleidete ſich, wie es wolte, und kein Menſch fragte darnach, eine jede Magd unterſtuͤn- de ſich dasjenige zu tragen, welches doch nur repu- tirlichen Weibern, denen ſie ſich beyzehlen, zukaͤme; Und alſo wollen ſich alle, die es nur einigermaßen in Vermoͤgen haben, einer ungebundenen Frey- heit ſich nach zu Gefallen zu kleiden, anmaßen, und bloß die alleraͤrmſten Bauers- und Dienſt- Leute, hierinnen einſchraͤncken. §. 10. Ein vernuͤnfftiger Menſch beunruhiget ſich im geringſten nicht, wenn er ſiehet, daß ande- re, die geringer ſind, als er, es ihm in Kleidung ent- weder

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/570>, abgerufen am 22.11.2024.