Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Kleidung.
keit und äußerlichen guten Ansehen einen beson-
dern Vorzug habe, ist wohl gewiß genug. Die
langen Pluder-Hosen, die biß auf die Knöchel her-
unter hiengen, waren zur Last, die großen Degen-
Scheiden, die Anno 1570. aufkamen, und mit so
großen Knöpffen versehen waren, daß sie fast wie
die kleinen Kinder-Köpffe aussahen, gereichten we-
der zum guten Ansehen noch zur Commodität. Die
Thurm-Hüte, auf welchen an die 300. Ellen Band
saßen, desgleichen. Hingegen übertraffen uns un-
sere Vorfahren an der Sparsamkeit in der Klei-
dung, sie waren nicht so auf stetswährende Ab-
wechselungen und Veränderungen ihrer Kleider
erpicht, als wie wir. Die Kinder und Kindes-
Kindes erbten bißweilen noch manches Stück der
Kleidung, welches ihre Mütter und Groß-Mütter
getragen hatten.

§. 20. Ein vernünfftiger Mensch thut wohl, wenn
er, bey der Art sich zu kleiden, so viel als möglich, der
heutigen eingeführten Mode folget. Eine Person,
die sich wider die Mode, als einem starcken Strohm,
auflehnen wolte, und eine allzu grosse Nachläßigkeit
hierinnen bezeigen, würde sich in der That lächer-
lich machen, und sich der Gefahr unterwerffen, daß
man ihr nachlieffe, und mit Fingern auf sie wiese.
S. Traite de Civilite p. 111. Man muß hiebey
nicht allein auf die allgemeine Mode des Landes se-
hen, die zu dieser oder jener Zeit eingeführt, sondern
auch auf die besondere, die an diesem oder jenem Ort

unter

Von der Kleidung.
keit und aͤußerlichen guten Anſehen einen beſon-
dern Vorzug habe, iſt wohl gewiß genug. Die
langen Pluder-Hoſen, die biß auf die Knoͤchel her-
unter hiengen, waren zur Laſt, die großen Degen-
Scheiden, die Anno 1570. aufkamen, und mit ſo
großen Knoͤpffen verſehen waren, daß ſie faſt wie
die kleinen Kinder-Koͤpffe ausſahen, gereichten we-
der zum guten Anſehen noch zur Commoditaͤt. Die
Thurm-Huͤte, auf welchen an die 300. Ellen Band
ſaßen, desgleichen. Hingegen uͤbertraffen uns un-
ſere Vorfahren an der Sparſamkeit in der Klei-
dung, ſie waren nicht ſo auf ſtetswaͤhrende Ab-
wechſelungen und Veraͤnderungen ihrer Kleider
erpicht, als wie wir. Die Kinder und Kindes-
Kindes erbten bißweilen noch manches Stuͤck der
Kleidung, welches ihre Muͤtter und Groß-Muͤtter
getragen hatten.

§. 20. Ein vernuͤnfftiger Menſch thut wohl, wenn
er, bey der Art ſich zu kleiden, ſo viel als moͤglich, der
heutigen eingefuͤhrten Mode folget. Eine Perſon,
die ſich wider die Mode, als einem ſtarcken Strohm,
auflehnen wolte, und eine allzu groſſe Nachlaͤßigkeit
hierinnen bezeigen, wuͤrde ſich in der That laͤcher-
lich machen, und ſich der Gefahr unterwerffen, daß
man ihr nachlieffe, und mit Fingern auf ſie wieſe.
S. Traité de Civilité p. 111. Man muß hiebey
nicht allein auf die allgemeine Mode des Landes ſe-
hen, die zu dieſer oder jener Zeit eingefuͤhrt, ſondern
auch auf die beſondere, die an dieſem oder jenem Ort

unter
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0577" n="557"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Kleidung.</hi></fw><lb/>
keit und a&#x0364;ußerlichen guten An&#x017F;ehen einen be&#x017F;on-<lb/>
dern Vorzug habe, i&#x017F;t wohl gewiß genug. Die<lb/>
langen Pluder-Ho&#x017F;en, die biß auf die Kno&#x0364;chel her-<lb/>
unter hiengen, waren zur La&#x017F;t, die großen Degen-<lb/>
Scheiden, die <hi rendition="#aq">Anno</hi> 1570. aufkamen, und mit &#x017F;o<lb/>
großen Kno&#x0364;pffen ver&#x017F;ehen waren, daß &#x017F;ie fa&#x017F;t wie<lb/>
die kleinen Kinder-Ko&#x0364;pffe aus&#x017F;ahen, gereichten we-<lb/>
der zum guten An&#x017F;ehen noch zur <hi rendition="#aq">Commodit</hi>a&#x0364;t. Die<lb/>
Thurm-Hu&#x0364;te, auf welchen an die 300. Ellen Band<lb/>
&#x017F;aßen, desgleichen. Hingegen u&#x0364;bertraffen uns un-<lb/>
&#x017F;ere Vorfahren an der Spar&#x017F;amkeit in der Klei-<lb/>
dung, &#x017F;ie waren nicht &#x017F;o auf &#x017F;tetswa&#x0364;hrende Ab-<lb/>
wech&#x017F;elungen und Vera&#x0364;nderungen ihrer Kleider<lb/>
erpicht, als wie wir. Die Kinder und Kindes-<lb/>
Kindes erbten bißweilen noch manches Stu&#x0364;ck der<lb/>
Kleidung, welches ihre Mu&#x0364;tter und Groß-Mu&#x0364;tter<lb/>
getragen hatten.</p><lb/>
        <p>§. 20. Ein vernu&#x0364;nfftiger Men&#x017F;ch thut wohl, wenn<lb/>
er, bey der Art &#x017F;ich zu kleiden, &#x017F;o viel als mo&#x0364;glich, der<lb/>
heutigen eingefu&#x0364;hrten <hi rendition="#aq">Mode</hi> folget. Eine Per&#x017F;on,<lb/>
die &#x017F;ich wider die <hi rendition="#aq">Mode,</hi> als einem &#x017F;tarcken Strohm,<lb/>
auflehnen wolte, und eine allzu gro&#x017F;&#x017F;e Nachla&#x0364;ßigkeit<lb/>
hierinnen bezeigen, wu&#x0364;rde &#x017F;ich in der That la&#x0364;cher-<lb/>
lich machen, und &#x017F;ich der Gefahr unterwerffen, daß<lb/>
man ihr nachlieffe, und mit Fingern auf &#x017F;ie wie&#x017F;e.<lb/>
S. <hi rendition="#aq">Traité de Civilité p.</hi> 111. Man muß hiebey<lb/>
nicht allein auf die allgemeine <hi rendition="#aq">Mode</hi> des Landes &#x017F;e-<lb/>
hen, die zu die&#x017F;er oder jener Zeit eingefu&#x0364;hrt, &#x017F;ondern<lb/>
auch auf die be&#x017F;ondere, die an die&#x017F;em oder jenem Ort<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">unter</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[557/0577] Von der Kleidung. keit und aͤußerlichen guten Anſehen einen beſon- dern Vorzug habe, iſt wohl gewiß genug. Die langen Pluder-Hoſen, die biß auf die Knoͤchel her- unter hiengen, waren zur Laſt, die großen Degen- Scheiden, die Anno 1570. aufkamen, und mit ſo großen Knoͤpffen verſehen waren, daß ſie faſt wie die kleinen Kinder-Koͤpffe ausſahen, gereichten we- der zum guten Anſehen noch zur Commoditaͤt. Die Thurm-Huͤte, auf welchen an die 300. Ellen Band ſaßen, desgleichen. Hingegen uͤbertraffen uns un- ſere Vorfahren an der Sparſamkeit in der Klei- dung, ſie waren nicht ſo auf ſtetswaͤhrende Ab- wechſelungen und Veraͤnderungen ihrer Kleider erpicht, als wie wir. Die Kinder und Kindes- Kindes erbten bißweilen noch manches Stuͤck der Kleidung, welches ihre Muͤtter und Groß-Muͤtter getragen hatten. §. 20. Ein vernuͤnfftiger Menſch thut wohl, wenn er, bey der Art ſich zu kleiden, ſo viel als moͤglich, der heutigen eingefuͤhrten Mode folget. Eine Perſon, die ſich wider die Mode, als einem ſtarcken Strohm, auflehnen wolte, und eine allzu groſſe Nachlaͤßigkeit hierinnen bezeigen, wuͤrde ſich in der That laͤcher- lich machen, und ſich der Gefahr unterwerffen, daß man ihr nachlieffe, und mit Fingern auf ſie wieſe. S. Traité de Civilité p. 111. Man muß hiebey nicht allein auf die allgemeine Mode des Landes ſe- hen, die zu dieſer oder jener Zeit eingefuͤhrt, ſondern auch auf die beſondere, die an dieſem oder jenem Ort unter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/577
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/577>, abgerufen am 21.11.2024.