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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. XIII. Capitul.
unter denen Vornehmsten und Galantesten im
Schwange und Ansehen ist.

§. 21. Man muß, so viel als man kan, beurthei-
len, ob auch dieser oder jener Ort eine gewisse Mode
vertragen könte, indem man sich allenthalben den
Neigungen derjenigen, an denen uns etwas gelegen,
gefällig und gleichförmig erzeigen muß. Wenn
also ein junger Cavalier aus Franckreich kommt,
und will an einem Ort, der nicht gar zu neumodisch,
mit einer gantz nagel-neuen Mode, die auf eine be-
sondere Weise von derjenigen, so allbereits bekandt
geworden, abgehet, paradiren, kan sich hiedurch
nicht selten, ob er gleich noch so ein stracker galant
homme
wäre, lächerlich machen; Sie würden ihn
ansehen, wie die Kuh das neue Thor, oder wie der
Pöbel, einen nach einer fremden Nation gekleide-
ten, ansiehet. Der Frantzösische Autor der Per-
sianischen Briefe macht in dem XXXIII. Schrei-
ben des I. Tomi eine artige Beschreibung hievon,
ermeldet, daß er in seinem Persianischen Habit in
der Stadt Paris jederzeit von einem großen Cir-
cul Volcks umgeben, und vor eine besondere
Ebentheuer angesehen worden. So bald ihn
aber der Schneider ein Europäisch Kleid angezo-
gen, hätte alle Veränderung aufgehört, und kein
Mensch hätte sich mehr die Mühe gegeben, ihn zu
betrachten.

§. 22. Zu Verfertigung der Kleider, erwehle
man einen Schneider, der in Renomme ist, man
gebe lieber etwas mehr, und stehe nicht in Gefahr,

daß

II. Theil. XIII. Capitul.
unter denen Vornehmſten und Galanteſten im
Schwange und Anſehen iſt.

§. 21. Man muß, ſo viel als man kan, beurthei-
len, ob auch dieſer oder jener Ort eine gewiſſe Mode
vertragen koͤnte, indem man ſich allenthalben den
Neigungen derjenigen, an denen uns etwas gelegen,
gefaͤllig und gleichfoͤrmig erzeigen muß. Wenn
alſo ein junger Cavalier aus Franckreich kommt,
und will an einem Ort, der nicht gar zu neumodiſch,
mit einer gantz nagel-neuen Mode, die auf eine be-
ſondere Weiſe von derjenigen, ſo allbereits bekandt
geworden, abgehet, paradiren, kan ſich hiedurch
nicht ſelten, ob er gleich noch ſo ein ſtracker galant
homme
waͤre, laͤcherlich machen; Sie wuͤrden ihn
anſehen, wie die Kuh das neue Thor, oder wie der
Poͤbel, einen nach einer fremden Nation gekleide-
ten, anſiehet. Der Frantzoͤſiſche Autor der Per-
ſianiſchen Briefe macht in dem XXXIII. Schrei-
ben des I. Tomi eine artige Beſchreibung hievon,
ermeldet, daß er in ſeinem Perſianiſchen Habit in
der Stadt Paris jederzeit von einem großen Cir-
cul Volcks umgeben, und vor eine beſondere
Ebentheuer angeſehen worden. So bald ihn
aber der Schneider ein Europaͤiſch Kleid angezo-
gen, haͤtte alle Veraͤnderung aufgehoͤrt, und kein
Menſch haͤtte ſich mehr die Muͤhe gegeben, ihn zu
betrachten.

§. 22. Zu Verfertigung der Kleider, erwehle
man einen Schneider, der in Renommè iſt, man
gebe lieber etwas mehr, und ſtehe nicht in Gefahr,

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[558/0578] II. Theil. XIII. Capitul. unter denen Vornehmſten und Galanteſten im Schwange und Anſehen iſt. §. 21. Man muß, ſo viel als man kan, beurthei- len, ob auch dieſer oder jener Ort eine gewiſſe Mode vertragen koͤnte, indem man ſich allenthalben den Neigungen derjenigen, an denen uns etwas gelegen, gefaͤllig und gleichfoͤrmig erzeigen muß. Wenn alſo ein junger Cavalier aus Franckreich kommt, und will an einem Ort, der nicht gar zu neumodiſch, mit einer gantz nagel-neuen Mode, die auf eine be- ſondere Weiſe von derjenigen, ſo allbereits bekandt geworden, abgehet, paradiren, kan ſich hiedurch nicht ſelten, ob er gleich noch ſo ein ſtracker galant homme waͤre, laͤcherlich machen; Sie wuͤrden ihn anſehen, wie die Kuh das neue Thor, oder wie der Poͤbel, einen nach einer fremden Nation gekleide- ten, anſiehet. Der Frantzoͤſiſche Autor der Per- ſianiſchen Briefe macht in dem XXXIII. Schrei- ben des I. Tomi eine artige Beſchreibung hievon, ermeldet, daß er in ſeinem Perſianiſchen Habit in der Stadt Paris jederzeit von einem großen Cir- cul Volcks umgeben, und vor eine beſondere Ebentheuer angeſehen worden. So bald ihn aber der Schneider ein Europaͤiſch Kleid angezo- gen, haͤtte alle Veraͤnderung aufgehoͤrt, und kein Menſch haͤtte ſich mehr die Muͤhe gegeben, ihn zu betrachten. §. 22. Zu Verfertigung der Kleider, erwehle man einen Schneider, der in Renommè iſt, man gebe lieber etwas mehr, und ſtehe nicht in Gefahr, daß

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/578>, abgerufen am 22.11.2024.