er hier und dort in einem andern Winckel einen Bastart-Sohn, oder unehliche Kinder sitzen hat. Welch einen Schaden thuts bey den Unterthanen, wenn die von Adel so manche Beyschläferin, als manchen Hof oder Vorwerg sie haben, auf die Steuer halten, solche unzüchtige Weiber für an- dern sonderlich hübsch kleiden, in Gast-Höfen ne- ben sich setzen, auf Kutschen mit sich im Lande her- um führen, und nicht geringe Aergerniß geben. Was Spangenberg von seiner Zeit geschrieben, trifft in der jetzigen auch wohl ein, jedoch nicht allein bey einigen unter dem Adel, sondern auch unter vie- len vom Bürgerlichen und Bauern-Stand.
§. 16. Bißher haben wir von der entweder auf Lebens lang oder auf eine gewisse Zeit geschloßenen Verbindung der meisten Menschen gehandelt, das ist derjenigen, welchen die Gabe der Enthaltung feh- let, und die vor die fleischlichen Lüste und Begier- den, damit sie angefochten werden/ ein Hülffs- Mittel suchen müssen. Nun will ich noch eines be- sondern Casus Erwehnung thun, wenn nemlich ein paar Personen ungleichen Geschlechts, so die Ga- be der Enthaltung haben, und also nicht verbun- den sind, in den Stand der Ehe zu treten, wegen ihrer völligen Gleichförmigkeit der Gemüther/ nach geschehener und genugsamen Prüfung und Uberle- gung, und mit Vorwissen und Einwilligung derer, unter deren Direction sie stehen, ein unauflößliches Freundschaffts-Bündniß schlüßen, daß sie biß in Tod einander lieben, und einander, jedoch in Keusch-
heit,
Von der Verehlichung.
er hier und dort in einem andern Winckel einen Baſtart-Sohn, oder unehliche Kinder ſitzen hat. Welch einen Schaden thuts bey den Unterthanen, wenn die von Adel ſo manche Beyſchlaͤferin, als manchen Hof oder Vorwerg ſie haben, auf die Steuer halten, ſolche unzuͤchtige Weiber fuͤr an- dern ſonderlich huͤbſch kleiden, in Gaſt-Hoͤfen ne- ben ſich ſetzen, auf Kutſchen mit ſich im Lande her- um fuͤhren, und nicht geringe Aergerniß geben. Was Spangenberg von ſeiner Zeit geſchrieben, trifft in der jetzigen auch wohl ein, jedoch nicht allein bey einigen unter dem Adel, ſondern auch unter vie- len vom Buͤrgerlichen und Bauern-Stand.
§. 16. Bißher haben wir von der entweder auf Lebens lang oder auf eine gewiſſe Zeit geſchloßenen Verbindung der meiſten Menſchen gehandelt, das iſt derjenigen, welchen die Gabe der Enthaltung feh- let, und die vor die fleiſchlichen Luͤſte und Begier- den, damit ſie angefochten werden/ ein Huͤlffs- Mittel ſuchen muͤſſen. Nun will ich noch eines be- ſondern Caſus Erwehnung thun, wenn nemlich ein paar Perſonen ungleichen Geſchlechts, ſo die Ga- be der Enthaltung haben, und alſo nicht verbun- den ſind, in den Stand der Ehe zu treten, wegen ihrer voͤlligen Gleichfoͤrmigkeit der Gemuͤther/ nach geſchehener und genugſamen Pruͤfung und Uberle- gung, und mit Vorwiſſen und Einwilligung derer, unter deren Direction ſie ſtehen, ein unaufloͤßliches Freundſchaffts-Buͤndniß ſchluͤßen, daß ſie biß in Tod einander lieben, und einander, jedoch in Keuſch-
heit,
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Von der Verehlichung.
er hier und dort in einem andern Winckel einen
Baſtart-Sohn, oder unehliche Kinder ſitzen hat.
Welch einen Schaden thuts bey den Unterthanen,
wenn die von Adel ſo manche Beyſchlaͤferin, als
manchen Hof oder Vorwerg ſie haben, auf die
Steuer halten, ſolche unzuͤchtige Weiber fuͤr an-
dern ſonderlich huͤbſch kleiden, in Gaſt-Hoͤfen ne-
ben ſich ſetzen, auf Kutſchen mit ſich im Lande her-
um fuͤhren, und nicht geringe Aergerniß geben.
Was Spangenberg von ſeiner Zeit geſchrieben,
trifft in der jetzigen auch wohl ein, jedoch nicht allein
bey einigen unter dem Adel, ſondern auch unter vie-
len vom Buͤrgerlichen und Bauern-Stand.
§. 16. Bißher haben wir von der entweder auf
Lebens lang oder auf eine gewiſſe Zeit geſchloßenen
Verbindung der meiſten Menſchen gehandelt, das
iſt derjenigen, welchen die Gabe der Enthaltung feh-
let, und die vor die fleiſchlichen Luͤſte und Begier-
den, damit ſie angefochten werden/ ein Huͤlffs-
Mittel ſuchen muͤſſen. Nun will ich noch eines be-
ſondern Caſus Erwehnung thun, wenn nemlich ein
paar Perſonen ungleichen Geſchlechts, ſo die Ga-
be der Enthaltung haben, und alſo nicht verbun-
den ſind, in den Stand der Ehe zu treten, wegen
ihrer voͤlligen Gleichfoͤrmigkeit der Gemuͤther/ nach
geſchehener und genugſamen Pruͤfung und Uberle-
gung, und mit Vorwiſſen und Einwilligung derer,
unter deren Direction ſie ſtehen, ein unaufloͤßliches
Freundſchaffts-Buͤndniß ſchluͤßen, daß ſie biß in
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 605. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/625>, abgerufen am 22.11.2024.
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