völligen Gleichförmigkeit der Gemüther eine wah- re und beständige Freundschafft mit einander schlies- sen; es ist möglich, daß ein paar solche vertraute Freunde sich freywillig alles desjenigen enthalten, wodurch sie sich oder den andern Theil reitzen kön- ten.
§. 19. Sie sind auch weder den göttlichen noch natürlichen Gesetzen zuwider. Die Menschen wer- den ja nicht von GOtt zum Ehestand, und zur Fort- pflantzung ihres Geschlechts gezwungen, sondern ein jeder der keine Brunst leidet, hat die Freyheit, ob er heyrathen will oder nicht. Der Ehestand ist ja nicht vor ein Joch anzusehen, der einem jeden wider seinem Willen auf den Hals geleget werden müste. Jn der heiligen Schrifft finden wir, nach dem Aus- spruch aller drey Personen in der Gottheit, daß eini- ge wenige Personen das Wort der Keuschheit fas- sen; und aus der alltäglichen Erfahrung nehmen wir wahr, daß einige wenige, von beyderley Ge- schlecht, die vortheilhafftesten Heyrathen ausschla- gen, und doch ausser der Ehe keusch leben. Denen das mehrere erlaubt, stehet ja noch vielmehr, das weniger ist, frey. Die sich mit einander verehli- chen, und Kinder zusammen zeugen können, dürffen ja auch wohl, wenn ihnen dieses besser gefällt, als treue und vertraute Freunde in Keuschheit zusam- men leben; da ohnedem die auf Gottesfurcht, Tu- gend und eine völlige Gleichförmigkeit der Gemü- ther sich gründende Freundschafft ein sehr rares, je- doch höchst schätzbares Gut ist.
§. 20.
Von der Verehlichung.
voͤlligen Gleichfoͤrmigkeit der Gemuͤther eine wah- re und beſtaͤndige Freundſchafft mit einander ſchlieſ- ſen; es iſt moͤglich, daß ein paar ſolche vertraute Freunde ſich freywillig alles desjenigen enthalten, wodurch ſie ſich oder den andern Theil reitzen koͤn- ten.
§. 19. Sie ſind auch weder den goͤttlichen noch natuͤrlichen Geſetzen zuwider. Die Menſchen wer- den ja nicht von GOtt zum Eheſtand, und zur Fort- pflantzung ihres Geſchlechts gezwungen, ſondern ein jeder der keine Brunſt leidet, hat die Freyheit, ob er heyrathen will oder nicht. Der Eheſtand iſt ja nicht vor ein Joch anzuſehen, der einem jeden wider ſeinem Willen auf den Hals geleget werden muͤſte. Jn der heiligen Schrifft finden wir, nach dem Aus- ſpruch aller drey Perſonen in der Gottheit, daß eini- ge wenige Perſonen das Wort der Keuſchheit faſ- ſen; und aus der alltaͤglichen Erfahrung nehmen wir wahr, daß einige wenige, von beyderley Ge- ſchlecht, die vortheilhaffteſten Heyrathen ausſchla- gen, und doch auſſer der Ehe keuſch leben. Denen das mehrere erlaubt, ſtehet ja noch vielmehr, das weniger iſt, frey. Die ſich mit einander verehli- chen, und Kinder zuſammen zeugen koͤnnen, duͤrffen ja auch wohl, wenn ihnen dieſes beſſer gefaͤllt, als treue und vertraute Freunde in Keuſchheit zuſam- men leben; da ohnedem die auf Gottesfurcht, Tu- gend und eine voͤllige Gleichfoͤrmigkeit der Gemuͤ- ther ſich gruͤndende Freundſchafft ein ſehr rares, je- doch hoͤchſt ſchaͤtzbares Gut iſt.
§. 20.
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Von der Verehlichung.
voͤlligen Gleichfoͤrmigkeit der Gemuͤther eine wah-
re und beſtaͤndige Freundſchafft mit einander ſchlieſ-
ſen; es iſt moͤglich, daß ein paar ſolche vertraute
Freunde ſich freywillig alles desjenigen enthalten,
wodurch ſie ſich oder den andern Theil reitzen koͤn-
ten.
§. 19. Sie ſind auch weder den goͤttlichen noch
natuͤrlichen Geſetzen zuwider. Die Menſchen wer-
den ja nicht von GOtt zum Eheſtand, und zur Fort-
pflantzung ihres Geſchlechts gezwungen, ſondern ein
jeder der keine Brunſt leidet, hat die Freyheit, ob
er heyrathen will oder nicht. Der Eheſtand iſt ja
nicht vor ein Joch anzuſehen, der einem jeden wider
ſeinem Willen auf den Hals geleget werden muͤſte.
Jn der heiligen Schrifft finden wir, nach dem Aus-
ſpruch aller drey Perſonen in der Gottheit, daß eini-
ge wenige Perſonen das Wort der Keuſchheit faſ-
ſen; und aus der alltaͤglichen Erfahrung nehmen
wir wahr, daß einige wenige, von beyderley Ge-
ſchlecht, die vortheilhaffteſten Heyrathen ausſchla-
gen, und doch auſſer der Ehe keuſch leben. Denen
das mehrere erlaubt, ſtehet ja noch vielmehr, das
weniger iſt, frey. Die ſich mit einander verehli-
chen, und Kinder zuſammen zeugen koͤnnen, duͤrffen
ja auch wohl, wenn ihnen dieſes beſſer gefaͤllt, als
treue und vertraute Freunde in Keuſchheit zuſam-
men leben; da ohnedem die auf Gottesfurcht, Tu-
gend und eine voͤllige Gleichfoͤrmigkeit der Gemuͤ-
ther ſich gruͤndende Freundſchafft ein ſehr rares, je-
doch hoͤchſt ſchaͤtzbares Gut iſt.
§. 20.
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/627>, abgerufen am 22.11.2024.
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