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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von Kindtauffen.
gen seltzame Einfälle, sie richten ihre Absicht weder
auf die Würdigkeit der Gevattern, noch auf den
Wohlstand, und andere Umstände, die doch hiebey
von rechtswegen in Betrachtung zu ziehen wären,
sondern bloß auf ihren Eigendünckel, wie es ihnen
einkommt. Also bitten manche von dem Pöbel,
ein vornehmes adeliches Fräulein und ein Schnei-
der-Pürschgen zugleich zu Gevattern, da sie doch
wohl von dem ehrbaren bürgerlichen Stand einen
andern rechtschaffenen Mann finden könten, den sie
mit besserer Manier dazu einladen könten. Da
GOtt ein GOtt der Ordnung ist, so muß man die-
selbe auch in diesem Stück, so viel als möglich, be-
obachten. Jn dem Hertzogthum Gotha ward auf
eine sehr löbliche Weise, anno 1713, angeordnet:
Daß ein jeder seines gleichen bitten solte; und wenn
gemeine Leute diejenigen, wo sie etliche Jahre in
Diensten gestanden, oder die Jhrigen zu Gevat-
tern bitten wolten, so solten sie sich vorher bey selbi-
gen um Erlaubniß bewerben, und wenn solche er-
langt, alsdenn die Gevatter-Briefe schreiben lassen,
eher solten sie aber nicht geschrieben werden, biß sie
die erhaltene Erlaubniß bey dem Kirch-Vater be-
scheiniget. Ein jeder solte sich bey dem Gevatter-
bitten der Bescheidenheit und Ordnung gebrauchen,
und sonderlich des Zusammenbittens der Jungfern
und Junggesellen, woraus gemeinigiich allerhand
Unfug entstünde, gäntzlich enthalten.

§. 9. Eine wunderliche Sache ists, wenn die Leu-
te bißweilen gantz Fremde zu Gevattern bitten, die

sie
R r 2

Von Kindtauffen.
gen ſeltzame Einfaͤlle, ſie richten ihre Abſicht weder
auf die Wuͤrdigkeit der Gevattern, noch auf den
Wohlſtand, und andere Umſtaͤnde, die doch hiebey
von rechtswegen in Betrachtung zu ziehen waͤren,
ſondern bloß auf ihren Eigenduͤnckel, wie es ihnen
einkommt. Alſo bitten manche von dem Poͤbel,
ein vornehmes adeliches Fraͤulein und ein Schnei-
der-Puͤrſchgen zugleich zu Gevattern, da ſie doch
wohl von dem ehrbaren buͤrgerlichen Stand einen
andern rechtſchaffenen Mann finden koͤnten, den ſie
mit beſſerer Manier dazu einladen koͤnten. Da
GOtt ein GOtt der Ordnung iſt, ſo muß man die-
ſelbe auch in dieſem Stuͤck, ſo viel als moͤglich, be-
obachten. Jn dem Hertzogthum Gotha ward auf
eine ſehr loͤbliche Weiſe, anno 1713, angeordnet:
Daß ein jeder ſeines gleichen bitten ſolte; und wenn
gemeine Leute diejenigen, wo ſie etliche Jahre in
Dienſten geſtanden, oder die Jhrigen zu Gevat-
tern bitten wolten, ſo ſolten ſie ſich vorher bey ſelbi-
gen um Erlaubniß bewerben, und wenn ſolche er-
langt, alsdenn die Gevatter-Briefe ſchreiben laſſen,
eher ſolten ſie aber nicht geſchrieben werden, biß ſie
die erhaltene Erlaubniß bey dem Kirch-Vater be-
ſcheiniget. Ein jeder ſolte ſich bey dem Gevatter-
bitten der Beſcheidenheit und Ordnung gebrauchen,
und ſonderlich des Zuſammenbittens der Jungfern
und Junggeſellen, woraus gemeinigiich allerhand
Unfug entſtuͤnde, gaͤntzlich enthalten.

§. 9. Eine wunderliche Sache iſts, wenn die Leu-
te bißweilen gantz Fremde zu Gevattern bitten, die

ſie
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[627/0647] Von Kindtauffen. gen ſeltzame Einfaͤlle, ſie richten ihre Abſicht weder auf die Wuͤrdigkeit der Gevattern, noch auf den Wohlſtand, und andere Umſtaͤnde, die doch hiebey von rechtswegen in Betrachtung zu ziehen waͤren, ſondern bloß auf ihren Eigenduͤnckel, wie es ihnen einkommt. Alſo bitten manche von dem Poͤbel, ein vornehmes adeliches Fraͤulein und ein Schnei- der-Puͤrſchgen zugleich zu Gevattern, da ſie doch wohl von dem ehrbaren buͤrgerlichen Stand einen andern rechtſchaffenen Mann finden koͤnten, den ſie mit beſſerer Manier dazu einladen koͤnten. Da GOtt ein GOtt der Ordnung iſt, ſo muß man die- ſelbe auch in dieſem Stuͤck, ſo viel als moͤglich, be- obachten. Jn dem Hertzogthum Gotha ward auf eine ſehr loͤbliche Weiſe, anno 1713, angeordnet: Daß ein jeder ſeines gleichen bitten ſolte; und wenn gemeine Leute diejenigen, wo ſie etliche Jahre in Dienſten geſtanden, oder die Jhrigen zu Gevat- tern bitten wolten, ſo ſolten ſie ſich vorher bey ſelbi- gen um Erlaubniß bewerben, und wenn ſolche er- langt, alsdenn die Gevatter-Briefe ſchreiben laſſen, eher ſolten ſie aber nicht geſchrieben werden, biß ſie die erhaltene Erlaubniß bey dem Kirch-Vater be- ſcheiniget. Ein jeder ſolte ſich bey dem Gevatter- bitten der Beſcheidenheit und Ordnung gebrauchen, und ſonderlich des Zuſammenbittens der Jungfern und Junggeſellen, woraus gemeinigiich allerhand Unfug entſtuͤnde, gaͤntzlich enthalten. §. 9. Eine wunderliche Sache iſts, wenn die Leu- te bißweilen gantz Fremde zu Gevattern bitten, die ſie R r 2

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/647>, abgerufen am 21.11.2024.