§. 17. Gleichwie bey Geburth der Menschen, zwischen Standes-Personen und gemeinen Leuten kein Unterschied. Also bringen so wohl jene als diese Zwillinge auf die Welt. Wo das Recht der Erst- geburth eingeführt, so ist ein grosses daran gelegen, daß man beobachte, welcher unter selbigen der erste, oder der andere gebohrne. Einige Rechts-Lehrer ziehen in solchem Fall, bald den schönsten, bald den stärcksten, bald den verständigsten und klügsten vor, andere stellen hierunter die Determination dem Willen des Vaters anheim, noch andere ach- ten vor billich, daß die commoda Primogeniturae, wegen des sonderbahren hiebey mit unterlauffenden Zweiffels, zwischen beyde getheilet werden; hinge- gen sind wiederum viele, die allen diesen Wegen das Looß vorziehen, als dessen Führer der allwissen- de GOtt selbst wäre.
§. 18. Die Römisch-Catholischen Printzen ha- ben vor vielen apanagirten Printzen, die sich zu der Protestantischen Religion bekennen, und nicht Ge- legenheit haben, sich im Kriege zu poussiren, den Vortheil, daß sie in mancherley geistlichen Digni- täten ascendiren, und dabey ihren Fürstl. Staat führen können. Also hat das Hauß Bayern sich einige Secula durch, bey den Stifften und Ertz- Stifften, zu deren Besitz es gekommen, sehr wohl befunden.
§. 19. An manchen Höfen, bey manchen Um- ständen, und zu manchen Zeiten, wird die heilige Tauffe ohne prächtige Ceremonien vollzogen;
Die
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Von Geburth u. Tauffe Fuͤrſtl. Kinder.
§. 17. Gleichwie bey Geburth der Menſchen, zwiſchen Standes-Perſonen und gemeinen Leuten kein Unterſchied. Alſo bringen ſo wohl jene als dieſe Zwillinge auf die Welt. Wo das Recht der Erſt- geburth eingefuͤhrt, ſo iſt ein groſſes daran gelegen, daß man beobachte, welcher unter ſelbigen der erſte, oder der andere gebohrne. Einige Rechts-Lehrer ziehen in ſolchem Fall, bald den ſchoͤnſten, bald den ſtaͤrckſten, bald den verſtaͤndigſten und kluͤgſten vor, andere ſtellen hierunter die Determination dem Willen des Vaters anheim, noch andere ach- ten vor billich, daß die commoda Primogenituræ, wegen des ſonderbahren hiebey mit unterlauffenden Zweiffels, zwiſchen beyde getheilet werden; hinge- gen ſind wiederum viele, die allen dieſen Wegen das Looß vorziehen, als deſſen Fuͤhrer der allwiſſen- de GOtt ſelbſt waͤre.
§. 18. Die Roͤmiſch-Catholiſchen Printzen ha- ben vor vielen apanagirten Printzen, die ſich zu der Proteſtantiſchen Religion bekennen, und nicht Ge- legenheit haben, ſich im Kriege zu pouſſiren, den Vortheil, daß ſie in mancherley geiſtlichen Digni- taͤten aſcendiren, und dabey ihren Fuͤrſtl. Staat fuͤhren koͤnnen. Alſo hat das Hauß Bayern ſich einige Secula durch, bey den Stifften und Ertz- Stifften, zu deren Beſitz es gekommen, ſehr wohl befunden.
§. 19. An manchen Hoͤfen, bey manchen Um- ſtaͤnden, und zu manchen Zeiten, wird die heilige Tauffe ohne praͤchtige Ceremonien vollzogen;
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Von Geburth u. Tauffe Fuͤrſtl. Kinder.
§. 17. Gleichwie bey Geburth der Menſchen,
zwiſchen Standes-Perſonen und gemeinen Leuten
kein Unterſchied. Alſo bringen ſo wohl jene als dieſe
Zwillinge auf die Welt. Wo das Recht der Erſt-
geburth eingefuͤhrt, ſo iſt ein groſſes daran gelegen,
daß man beobachte, welcher unter ſelbigen der erſte,
oder der andere gebohrne. Einige Rechts-Lehrer
ziehen in ſolchem Fall, bald den ſchoͤnſten, bald den
ſtaͤrckſten, bald den verſtaͤndigſten und kluͤgſten
vor, andere ſtellen hierunter die Determination
dem Willen des Vaters anheim, noch andere ach-
ten vor billich, daß die commoda Primogenituræ,
wegen des ſonderbahren hiebey mit unterlauffenden
Zweiffels, zwiſchen beyde getheilet werden; hinge-
gen ſind wiederum viele, die allen dieſen Wegen
das Looß vorziehen, als deſſen Fuͤhrer der allwiſſen-
de GOtt ſelbſt waͤre.
§. 18. Die Roͤmiſch-Catholiſchen Printzen ha-
ben vor vielen apanagirten Printzen, die ſich zu der
Proteſtantiſchen Religion bekennen, und nicht Ge-
legenheit haben, ſich im Kriege zu pouſſiren, den
Vortheil, daß ſie in mancherley geiſtlichen Digni-
taͤten aſcendiren, und dabey ihren Fuͤrſtl. Staat
fuͤhren koͤnnen. Alſo hat das Hauß Bayern ſich
einige Secula durch, bey den Stifften und Ertz-
Stifften, zu deren Beſitz es gekommen, ſehr wohl
befunden.
§. 19. An manchen Hoͤfen, bey manchen Um-
ſtaͤnden, und zu manchen Zeiten, wird die heilige
Tauffe ohne praͤchtige Ceremonien vollzogen;
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/203>, abgerufen am 21.11.2024.
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