Herren in Teutschland ihre Princeßinnen Töchter noch vor dem Tische bethen lassen, ob sie schon be- reits erwachsen, ja wohl gar an andere Printzen versprochen gewesen; welches bey der heutigen Welt manchen trefflich spöttisch vorkommen würde.
§. 8. Sie suchen sich die schönsten und herrlich- sten Lieder aus, daran sie in ihrem Leben ihr gröstes Vergnügen gefunden, sie befehlen, welche davon auf ihrem Sterbe-Bette ihnen sollen vorgelesen und vorgesungen werden, und verordnen wohl gar, daß sie sollen zusammen gedruckt werden, wie wir zu unsern Zeiten dieses von der Allerdurchlauchtig- sten und Großmächtigsten Königin in Pohlen und Chur-Fürstin zu Sachsen, Frauen Christinen Eberhardinen, deren Verlust das gantze Chur- Fürstenthum Sachsen noch höchst-schmertzlich be- klaget, nachrühmen können.
§. 9. An unterschiedenen Höfen muß der Hof- oder Schloß-Prediger des Morgens und Abends eine Bethstunde halten, welcher die Durchlauch- tigste Herrschafft nebst der gantzen Hof-Gemeinde mit beywohnen; an andern hingegen verrichten sie dieselben in den besondern Beth-Stübchen, die sie zu dem Ende in ihren Fürstlichen Residentz-Häu- sern anlegen lassen, und darff sich alsdenn kein Mensch unterstehen sie darinnen zu stöhren.
§. 10. Jn den Schloß-Kirchen wird entweder Früh und Nachmittags geprediget, oder nur früh Morgens. An einigen Orten sind die Schloß-
Kirchen
Von den heiligen Handlungen.
Herren in Teutſchland ihre Princeßinnen Toͤchter noch vor dem Tiſche bethen laſſen, ob ſie ſchon be- reits erwachſen, ja wohl gar an andere Printzen verſprochen geweſen; welches bey der heutigen Welt manchen trefflich ſpoͤttiſch vorkommen wuͤrde.
§. 8. Sie ſuchen ſich die ſchoͤnſten und herrlich- ſten Lieder aus, daran ſie in ihrem Leben ihr groͤſtes Vergnuͤgen gefunden, ſie befehlen, welche davon auf ihrem Sterbe-Bette ihnen ſollen vorgeleſen und vorgeſungen werden, und verordnen wohl gar, daß ſie ſollen zuſammen gedruckt werden, wie wir zu unſern Zeiten dieſes von der Allerdurchlauchtig- ſten und Großmaͤchtigſten Koͤnigin in Pohlen und Chur-Fuͤrſtin zu Sachſen, Frauen Chriſtinen Eberhardinen, deren Verluſt das gantze Chur- Fuͤrſtenthum Sachſen noch hoͤchſt-ſchmertzlich be- klaget, nachruͤhmen koͤnnen.
§. 9. An unterſchiedenen Hoͤfen muß der Hof- oder Schloß-Prediger des Morgens und Abends eine Bethſtunde halten, welcher die Durchlauch- tigſte Herrſchafft nebſt der gantzen Hof-Gemeinde mit beywohnen; an andern hingegen verrichten ſie dieſelben in den beſondern Beth-Stuͤbchen, die ſie zu dem Ende in ihren Fuͤrſtlichen Reſidentz-Haͤu- ſern anlegen laſſen, und darff ſich alsdenn kein Menſch unterſtehen ſie darinnen zu ſtoͤhren.
§. 10. Jn den Schloß-Kirchen wird entweder Fruͤh und Nachmittags geprediget, oder nur fruͤh Morgens. An einigen Orten ſind die Schloß-
Kirchen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0069"n="45"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von den heiligen Handlungen.</hi></fw><lb/>
Herren in Teutſchland ihre Princeßinnen Toͤchter<lb/>
noch vor dem Tiſche bethen laſſen, ob ſie ſchon be-<lb/>
reits erwachſen, ja wohl gar an andere Printzen<lb/>
verſprochen geweſen; welches bey der heutigen<lb/>
Welt manchen trefflich ſpoͤttiſch vorkommen<lb/>
wuͤrde.</p><lb/><p>§. 8. Sie ſuchen ſich die ſchoͤnſten und herrlich-<lb/>ſten Lieder aus, daran ſie in ihrem Leben ihr groͤſtes<lb/>
Vergnuͤgen gefunden, ſie befehlen, welche davon<lb/>
auf ihrem Sterbe-Bette ihnen ſollen vorgeleſen<lb/>
und vorgeſungen werden, und verordnen wohl gar,<lb/>
daß ſie ſollen zuſammen gedruckt werden, wie wir<lb/>
zu unſern Zeiten dieſes von der Allerdurchlauchtig-<lb/>ſten und Großmaͤchtigſten Koͤnigin in Pohlen und<lb/>
Chur-Fuͤrſtin zu Sachſen, Frauen Chriſtinen<lb/>
Eberhardinen, deren Verluſt das gantze Chur-<lb/>
Fuͤrſtenthum Sachſen noch hoͤchſt-ſchmertzlich be-<lb/>
klaget, nachruͤhmen koͤnnen.</p><lb/><p>§. 9. An unterſchiedenen Hoͤfen muß der Hof-<lb/>
oder Schloß-Prediger des Morgens und Abends<lb/>
eine Bethſtunde halten, welcher die Durchlauch-<lb/>
tigſte Herrſchafft nebſt der gantzen Hof-Gemeinde<lb/>
mit beywohnen; an andern hingegen verrichten ſie<lb/>
dieſelben in den beſondern Beth-Stuͤbchen, die ſie<lb/>
zu dem Ende in ihren Fuͤrſtlichen Reſidentz-Haͤu-<lb/>ſern anlegen laſſen, und darff ſich alsdenn kein<lb/>
Menſch unterſtehen ſie darinnen zu ſtoͤhren.</p><lb/><p>§. 10. Jn den Schloß-Kirchen wird entweder<lb/>
Fruͤh und Nachmittags geprediget, oder nur fruͤh<lb/>
Morgens. An einigen Orten ſind die Schloß-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Kirchen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[45/0069]
Von den heiligen Handlungen.
Herren in Teutſchland ihre Princeßinnen Toͤchter
noch vor dem Tiſche bethen laſſen, ob ſie ſchon be-
reits erwachſen, ja wohl gar an andere Printzen
verſprochen geweſen; welches bey der heutigen
Welt manchen trefflich ſpoͤttiſch vorkommen
wuͤrde.
§. 8. Sie ſuchen ſich die ſchoͤnſten und herrlich-
ſten Lieder aus, daran ſie in ihrem Leben ihr groͤſtes
Vergnuͤgen gefunden, ſie befehlen, welche davon
auf ihrem Sterbe-Bette ihnen ſollen vorgeleſen
und vorgeſungen werden, und verordnen wohl gar,
daß ſie ſollen zuſammen gedruckt werden, wie wir
zu unſern Zeiten dieſes von der Allerdurchlauchtig-
ſten und Großmaͤchtigſten Koͤnigin in Pohlen und
Chur-Fuͤrſtin zu Sachſen, Frauen Chriſtinen
Eberhardinen, deren Verluſt das gantze Chur-
Fuͤrſtenthum Sachſen noch hoͤchſt-ſchmertzlich be-
klaget, nachruͤhmen koͤnnen.
§. 9. An unterſchiedenen Hoͤfen muß der Hof-
oder Schloß-Prediger des Morgens und Abends
eine Bethſtunde halten, welcher die Durchlauch-
tigſte Herrſchafft nebſt der gantzen Hof-Gemeinde
mit beywohnen; an andern hingegen verrichten ſie
dieſelben in den beſondern Beth-Stuͤbchen, die ſie
zu dem Ende in ihren Fuͤrſtlichen Reſidentz-Haͤu-
ſern anlegen laſſen, und darff ſich alsdenn kein
Menſch unterſtehen ſie darinnen zu ſtoͤhren.
§. 10. Jn den Schloß-Kirchen wird entweder
Fruͤh und Nachmittags geprediget, oder nur fruͤh
Morgens. An einigen Orten ſind die Schloß-
Kirchen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/69>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.