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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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dienen sollen, wird einem Fürsten nicht mehr,
denn einem Privato oder einem Zeugen, wider
den nichts zu excipiren ist, geglaubet. Denn
in solchen gemeinen Negotiis wird ein Fürst
nur bloß als ein Mensch consideriret. Will
aber ein Fürst von seinem eignen Contract ein
Zeugniß ablegen, so ist sein Testimonium, das
er in seiner eignen Sache ausstellt, gantz und
gar ungültig.

§. 21. Es sind unterschiedene, die behaup-
ten, daß ein Fürst diejenigen Zusagen und Con-
tracte,
die er in Ansehung seiner und seines
Landes Noth geschlossen, bey cessirender Noth
wiederum cassiren könne, welches mit Machia-
velli Principio
überein kömmt, der davor hält,
daß nicht die Schrifft oder die Obligation ei-
nen Fürsten vinculirte, sondern das Interesse,
nachdem dasselbe beschaffen wäre, nachdem
könte ein Fürst Contracte schliessen und wieder
aufheben. Da aber hierdurch alle Treu und
Glauben aufgehoben, die Socialität turbiret
und dem Fürsten selbst an seiner Reputation
praejudici
ret wird, weil hernach kein Mensch
mehr gerne mit einem solchen Regenten, der al-
les nur nach seinem Interesse einrichtete, wür-
de zu thun haben, so ist diese Meynung, als
unrechtmäßig, billig zu verwerffen, und auch
von den Fürstlichen Contracten das Interesse

von
F 3



dienen ſollen, wird einem Fuͤrſten nicht mehr,
denn einem Privato oder einem Zeugen, wider
den nichts zu excipiren iſt, geglaubet. Denn
in ſolchen gemeinen Negotiis wird ein Fuͤrſt
nur bloß als ein Menſch conſideriret. Will
aber ein Fuͤrſt von ſeinem eignen Contract ein
Zeugniß ablegen, ſo iſt ſein Teſtimonium, das
er in ſeiner eignen Sache ausſtellt, gantz und
gar unguͤltig.

§. 21. Es ſind unterſchiedene, die behaup-
ten, daß ein Fuͤrſt diejenigen Zuſagen und Con-
tracte,
die er in Anſehung ſeiner und ſeines
Landes Noth geſchloſſen, bey ceſſirender Noth
wiederum caſſiren koͤnne, welches mit Machia-
velli Principio
uͤberein koͤmmt, der davor haͤlt,
daß nicht die Schrifft oder die Obligation ei-
nen Fuͤrſten vinculirte, ſondern das Intereſſe,
nachdem daſſelbe beſchaffen waͤre, nachdem
koͤnte ein Fuͤrſt Contracte ſchlieſſen und wieder
aufheben. Da aber hierdurch alle Treu und
Glauben aufgehoben, die Socialitaͤt turbiret
und dem Fuͤrſten ſelbſt an ſeiner Reputation
præjudici
ret wird, weil hernach kein Menſch
mehr gerne mit einem ſolchen Regenten, der al-
les nur nach ſeinem Intereſſe einrichtete, wuͤr-
de zu thun haben, ſo iſt dieſe Meynung, als
unrechtmaͤßig, billig zu verwerffen, und auch
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von
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[85/0105] dienen ſollen, wird einem Fuͤrſten nicht mehr, denn einem Privato oder einem Zeugen, wider den nichts zu excipiren iſt, geglaubet. Denn in ſolchen gemeinen Negotiis wird ein Fuͤrſt nur bloß als ein Menſch conſideriret. Will aber ein Fuͤrſt von ſeinem eignen Contract ein Zeugniß ablegen, ſo iſt ſein Teſtimonium, das er in ſeiner eignen Sache ausſtellt, gantz und gar unguͤltig. §. 21. Es ſind unterſchiedene, die behaup- ten, daß ein Fuͤrſt diejenigen Zuſagen und Con- tracte, die er in Anſehung ſeiner und ſeines Landes Noth geſchloſſen, bey ceſſirender Noth wiederum caſſiren koͤnne, welches mit Machia- velli Principio uͤberein koͤmmt, der davor haͤlt, daß nicht die Schrifft oder die Obligation ei- nen Fuͤrſten vinculirte, ſondern das Intereſſe, nachdem daſſelbe beſchaffen waͤre, nachdem koͤnte ein Fuͤrſt Contracte ſchlieſſen und wieder aufheben. Da aber hierdurch alle Treu und Glauben aufgehoben, die Socialitaͤt turbiret und dem Fuͤrſten ſelbſt an ſeiner Reputation præjudiciret wird, weil hernach kein Menſch mehr gerne mit einem ſolchen Regenten, der al- les nur nach ſeinem Intereſſe einrichtete, wuͤr- de zu thun haben, ſo iſt dieſe Meynung, als unrechtmaͤßig, billig zu verwerffen, und auch von den Fuͤrſtlichen Contracten das Intereſſe von F 3

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/105>, abgerufen am 24.11.2024.