der Natur scheinen verhindert zu werden, als Blinde, Stumme, Lahme und Krüpel, auch die Blödsinnigen, sich etwas durch Arbeit zuver- dienen und sich also gemüsiget sehen, dem Müs- siggang und Betteln nachzugehen, versorget und gewisse Mittel ausgedacht würden, durch gewisse Arbeit nach eines iedweden Zustand et- was zu erwerben und sie zu erhalten. Es werden aber alle diese Leute nicht so wohl von Natur, als aus Mangel guter Anstalten ver- hindert.
§. 22. Wie denen Blinden eine Nahrung und Arbeit zuverschaffen, haben die klugen Si- neser schon gewiesen, von welchen geschrieben wird, daß sie auff 4000. Blinde zu nöthiger Arbeit angestellet, die Früchte nemlich und den Reiß zu mahlen. Solte man nun nicht in Teuschland auch Gelegenheit finden, denen von Natur Blinden und am Gesichte verunglückten Personen eine Arbeit auffzugeben, welche bes- ser wäre als das Betteln und darbey sie ehrlich ernehret würden? Hat man doch auch unter- schiedene Exempel gelehrter Leute, so blind ge- wesen, und doch schöne Bücher ausgehen las- sen. Wenn nun die Blindheit eine Verhin- derung des Fleisses wäre, so hätten auch diese nichts lernen, noch die Früchte ihres Fleisses se- hen lassen können.
§. 23.
der Natur ſcheinen verhindert zu werden, als Blinde, Stumme, Lahme und Kruͤpel, auch die Bloͤdſinnigen, ſich etwas durch Arbeit zuver- dienen und ſich alſo gemuͤſiget ſehen, dem Muͤſ- ſiggang und Betteln nachzugehen, verſorget und gewiſſe Mittel ausgedacht wuͤrden, durch gewiſſe Arbeit nach eines iedweden Zuſtand et- was zu erwerben und ſie zu erhalten. Es werden aber alle dieſe Leute nicht ſo wohl von Natur, als aus Mangel guter Anſtalten ver- hindert.
§. 22. Wie denen Blinden eine Nahrung und Arbeit zuverſchaffen, haben die klugen Si- neſer ſchon gewieſen, von welchen geſchrieben wird, daß ſie auff 4000. Blinde zu noͤthiger Arbeit angeſtellet, die Fruͤchte nemlich und den Reiß zu mahlen. Solte man nun nicht in Teuſchland auch Gelegenheit finden, denen von Natur Blinden und am Geſichte verungluͤckten Perſonen eine Arbeit auffzugeben, welche beſ- ſer waͤre als das Betteln und darbey ſie ehrlich ernehret wuͤrden? Hat man doch auch unter- ſchiedene Exempel gelehrter Leute, ſo blind ge- weſen, und doch ſchoͤne Buͤcher ausgehen laſ- ſen. Wenn nun die Blindheit eine Verhin- derung des Fleiſſes waͤre, ſo haͤtten auch dieſe nichts lernen, noch die Fruͤchte ihres Fleiſſes ſe- hen laſſen koͤnnen.
§. 23.
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der Natur ſcheinen verhindert zu werden, als
Blinde, Stumme, Lahme und Kruͤpel, auch die
Bloͤdſinnigen, ſich etwas durch Arbeit zuver-
dienen und ſich alſo gemuͤſiget ſehen, dem Muͤſ-
ſiggang und Betteln nachzugehen, verſorget
und gewiſſe Mittel ausgedacht wuͤrden, durch
gewiſſe Arbeit nach eines iedweden Zuſtand et-
was zu erwerben und ſie zu erhalten. Es
werden aber alle dieſe Leute nicht ſo wohl von
Natur, als aus Mangel guter Anſtalten ver-
hindert.
§. 22. Wie denen Blinden eine Nahrung
und Arbeit zuverſchaffen, haben die klugen Si-
neſer ſchon gewieſen, von welchen geſchrieben
wird, daß ſie auff 4000. Blinde zu noͤthiger
Arbeit angeſtellet, die Fruͤchte nemlich und den
Reiß zu mahlen. Solte man nun nicht in
Teuſchland auch Gelegenheit finden, denen von
Natur Blinden und am Geſichte verungluͤckten
Perſonen eine Arbeit auffzugeben, welche beſ-
ſer waͤre als das Betteln und darbey ſie ehrlich
ernehret wuͤrden? Hat man doch auch unter-
ſchiedene Exempel gelehrter Leute, ſo blind ge-
weſen, und doch ſchoͤne Buͤcher ausgehen laſ-
ſen. Wenn nun die Blindheit eine Verhin-
derung des Fleiſſes waͤre, ſo haͤtten auch dieſe
nichts lernen, noch die Fruͤchte ihres Fleiſſes ſe-
hen laſſen koͤnnen.
§. 23.
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 1328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1348>, abgerufen am 23.11.2024.
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