Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

Bild:
<< vorherige Seite



lich gleich wissen, was zu ihren Frieden dienet,
so folgen sie doch ihren Vernunfft-Schlüssen
gar selten. Die meisten lassen sich von ihrer
Einbildung in Jrrthümer, oder von ihren Af-
fect
en in andere Abwege verleiten. Wie
wolte nun bey so vielen diversen Meynungen ei-
ne beständige Eintracht etabiliret werden, da
ein ieder vermeynen wird, seine Meynung sey
die beste und sein Consilium das klügste?

§. 8. Damit nun die Menschen allen diesen
Desordres aus dem Wege gehen möchten,
so haben sie sich verglichen, daß sie zu Beför-
derung des gemeinschafftlichen Nutzens und
procurirung ihrer Ruhe und Sicherheit ge-
wisse Personen das Regiment auftragen wol-
ten, die an statt ihrer judicirten, was ihnen ins-
gesamt und einem iedweden insonderheit heil-
sam und ersprießlich wäre, die alle Ubel von ih-
nen abwendeten und sie beschützten. Weil
nun dieser, den sie die Herrschafft aufftrugen,
ihrer intention sich nicht gemäß aufführen
konte, wenn sie ihm nicht gehorchten und Pari-
tion
leisteten, so haben sie sich resolviret, ih-
ren Willen seinem Willen zu unterwerffen, ihm
Gehorsam zu praestiren, und ihre Kräffte und
gantz Vermögeu zu seinem Dienst und zur Ge-
meinschafftlichen Ruhe und Sicherheit der
gantzen Imperans sie zu beschützen und ihren

gemein-



lich gleich wiſſen, was zu ihren Frieden dienet,
ſo folgen ſie doch ihren Vernunfft-Schluͤſſen
gar ſelten. Die meiſten laſſen ſich von ihrer
Einbildung in Jrrthuͤmer, oder von ihren Af-
fect
en in andere Abwege verleiten. Wie
wolte nun bey ſo vielen diverſen Meynungen ei-
ne beſtaͤndige Eintracht etabiliret werden, da
ein ieder vermeynen wird, ſeine Meynung ſey
die beſte und ſein Conſilium das kluͤgſte?

§. 8. Damit nun die Menſchen allen dieſen
Deſordres aus dem Wege gehen moͤchten,
ſo haben ſie ſich verglichen, daß ſie zu Befoͤr-
derung des gemeinſchafftlichen Nutzens und
procurirung ihrer Ruhe und Sicherheit ge-
wiſſe Perſonen das Regiment auftragen wol-
ten, die an ſtatt ihrer judicirten, was ihnen ins-
geſamt und einem iedweden inſonderheit heil-
ſam und erſprießlich waͤre, die alle Ubel von ih-
nen abwendeten und ſie beſchuͤtzten. Weil
nun dieſer, den ſie die Herrſchafft aufftrugen,
ihrer intention ſich nicht gemaͤß auffuͤhren
konte, wenn ſie ihm nicht gehorchten und Pari-
tion
leiſteten, ſo haben ſie ſich reſolviret, ih-
ren Willen ſeinem Willen zu unterwerffen, ihm
Gehorſam zu præſtiren, und ihre Kraͤffte und
gantz Vermoͤgeu zu ſeinem Dienſt und zur Ge-
meinſchafftlichen Ruhe und Sicherheit der
gantzen Imperans ſie zu beſchuͤtzen und ihren

gemein-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0268" n="248"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> lich gleich wi&#x017F;&#x017F;en, was zu ihren Frieden dienet,<lb/>
&#x017F;o folgen &#x017F;ie doch ihren Vernunfft-Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
gar &#x017F;elten. Die mei&#x017F;ten la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich von ihrer<lb/>
Einbildung in Jrrthu&#x0364;mer, oder von ihren <hi rendition="#aq">Af-<lb/>
fect</hi>en in andere Abwege verleiten. Wie<lb/>
wolte nun bey &#x017F;o vielen <hi rendition="#aq">diver&#x017F;</hi>en Meynungen ei-<lb/>
ne be&#x017F;ta&#x0364;ndige Eintracht <hi rendition="#aq">etabili</hi>ret werden, da<lb/>
ein ieder vermeynen wird, &#x017F;eine Meynung &#x017F;ey<lb/>
die be&#x017F;te und &#x017F;ein <hi rendition="#aq">Con&#x017F;ilium</hi> das klu&#x0364;g&#x017F;te?</p><lb/>
        <p>§. 8. Damit nun die Men&#x017F;chen allen die&#x017F;en<lb/><hi rendition="#aq">De&#x017F;ordres</hi> aus dem Wege gehen mo&#x0364;chten,<lb/>
&#x017F;o haben &#x017F;ie &#x017F;ich verglichen, daß &#x017F;ie zu Befo&#x0364;r-<lb/>
derung des gemein&#x017F;chafftlichen Nutzens und<lb/><hi rendition="#aq">procuri</hi>rung ihrer Ruhe und Sicherheit ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e Per&#x017F;onen das Regiment auftragen wol-<lb/>
ten, die an &#x017F;tatt ihrer <hi rendition="#aq">judicir</hi>ten, was ihnen ins-<lb/>
ge&#x017F;amt und einem iedweden in&#x017F;onderheit heil-<lb/>
&#x017F;am und er&#x017F;prießlich wa&#x0364;re, die alle Ubel von ih-<lb/>
nen abwendeten und &#x017F;ie be&#x017F;chu&#x0364;tzten. Weil<lb/>
nun die&#x017F;er, den &#x017F;ie die Herr&#x017F;chafft aufftrugen,<lb/>
ihrer <hi rendition="#aq">intention</hi> &#x017F;ich nicht gema&#x0364;ß auffu&#x0364;hren<lb/>
konte, wenn &#x017F;ie ihm nicht gehorchten und <hi rendition="#aq">Pari-<lb/>
tion</hi> lei&#x017F;teten, &#x017F;o haben &#x017F;ie &#x017F;ich <hi rendition="#aq">re&#x017F;olvi</hi>ret, ih-<lb/>
ren Willen &#x017F;einem Willen zu unterwerffen, ihm<lb/>
Gehor&#x017F;am zu <hi rendition="#aq">præ&#x017F;ti</hi>ren, und ihre Kra&#x0364;ffte und<lb/>
gantz Vermo&#x0364;geu zu &#x017F;einem Dien&#x017F;t und zur Ge-<lb/>
mein&#x017F;chafftlichen Ruhe und Sicherheit der<lb/>
gantzen <hi rendition="#aq">Imperans</hi> &#x017F;ie zu be&#x017F;chu&#x0364;tzen und ihren<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gemein-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[248/0268] lich gleich wiſſen, was zu ihren Frieden dienet, ſo folgen ſie doch ihren Vernunfft-Schluͤſſen gar ſelten. Die meiſten laſſen ſich von ihrer Einbildung in Jrrthuͤmer, oder von ihren Af- fecten in andere Abwege verleiten. Wie wolte nun bey ſo vielen diverſen Meynungen ei- ne beſtaͤndige Eintracht etabiliret werden, da ein ieder vermeynen wird, ſeine Meynung ſey die beſte und ſein Conſilium das kluͤgſte? §. 8. Damit nun die Menſchen allen dieſen Deſordres aus dem Wege gehen moͤchten, ſo haben ſie ſich verglichen, daß ſie zu Befoͤr- derung des gemeinſchafftlichen Nutzens und procurirung ihrer Ruhe und Sicherheit ge- wiſſe Perſonen das Regiment auftragen wol- ten, die an ſtatt ihrer judicirten, was ihnen ins- geſamt und einem iedweden inſonderheit heil- ſam und erſprießlich waͤre, die alle Ubel von ih- nen abwendeten und ſie beſchuͤtzten. Weil nun dieſer, den ſie die Herrſchafft aufftrugen, ihrer intention ſich nicht gemaͤß auffuͤhren konte, wenn ſie ihm nicht gehorchten und Pari- tion leiſteten, ſo haben ſie ſich reſolviret, ih- ren Willen ſeinem Willen zu unterwerffen, ihm Gehorſam zu præſtiren, und ihre Kraͤffte und gantz Vermoͤgeu zu ſeinem Dienſt und zur Ge- meinſchafftlichen Ruhe und Sicherheit der gantzen Imperans ſie zu beſchuͤtzen und ihren gemein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/268
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/268>, abgerufen am 21.11.2024.