angreiffen, sondern auch auff den Cantzeln auff einander schmählen und einander herunter ma- chen. Da aber die Zuhörer in ihrer Glau- bens-Lehre nur hierdurch irre gemacht und scandalisiret werden und das Ansehen des Pre- digt-Amts gewaltig hierunter mit leidet, so thun die Landes-Fürsten sehr wohl, wenn sie den Priestern anbefehlen, daß sie von solchen streiti- gen Puncten, dafern es quaestiones problema- ticae seyn, davon sichs pro & contra disputiren läßt und eben nicht nothwendige Glaubens-Ar- ticul sind, auf den Cantzeln gantz und gar nichts erwehnen sollen, bey den übrigen aber ihre Mey- nungen zwar sagen, aber der Meynung ihres Gegeners nicht sonderlich Erwehnung thun. Es kan ihnen wohl erlaubet werden, daß sie einige Schrifften deshalben wechseln mögen, es müs- sen aber solche, damit der gemeine Mann nicht gestöhret werde, in Lateinischer Sprache ge- schrieben und ohne alle personalien, calumn öse expressionen und Bitterkeit verfertiget wer- den.
§. 30. Jndem einige Prediger, die sich et- wan selbst gerne hören, durch unnöthige und verdrüßliche Wiederhohlungen und so genannte Tavtologien, um nur viel sagen zu können, ihre Predigten über die Gebühr verlängern, durch solches überflüßige Geschwätze aber den mei-
sten
angreiffen, ſondern auch auff den Cantzeln auff einander ſchmaͤhlen und einander herunter ma- chen. Da aber die Zuhoͤrer in ihrer Glau- bens-Lehre nur hierdurch irre gemacht und ſcandaliſiret werden und das Anſehen des Pre- digt-Amts gewaltig hierunter mit leidet, ſo thun die Landes-Fuͤrſten ſehr wohl, wenn ſie den Prieſtern anbefehlen, daß ſie von ſolchen ſtreiti- gen Puncten, dafern es quæſtiones problema- ticæ ſeyn, davon ſichs pro & contra diſputiren laͤßt und eben nicht nothwendige Glaubens-Ar- ticul ſind, auf den Cantzeln gantz und gar nichts erwehnen ſollen, bey den uͤbrigen aber ihre Mey- nungen zwar ſagen, aber der Meynung ihres Gegeners nicht ſonderlich Erwehnung thun. Es kan ihnen wohl erlaubet werden, daß ſie einige Schrifften deshalben wechſeln moͤgen, es muͤſ- ſen aber ſolche, damit der gemeine Mann nicht geſtoͤhret werde, in Lateiniſcher Sprache ge- ſchrieben und ohne alle perſonalien, calumn oͤſe expreſſionen und Bitterkeit verfertiget wer- den.
§. 30. Jndem einige Prediger, die ſich et- wan ſelbſt gerne hoͤren, durch unnoͤthige und verdruͤßliche Wiederhohlungen und ſo genannte Tavtologien, um nur viel ſagen zu koͤnnen, ihre Predigten uͤber die Gebuͤhr verlaͤngern, durch ſolches uͤberfluͤßige Geſchwaͤtze aber den mei-
ſten
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[282/0302]
angreiffen, ſondern auch auff den Cantzeln auff
einander ſchmaͤhlen und einander herunter ma-
chen. Da aber die Zuhoͤrer in ihrer Glau-
bens-Lehre nur hierdurch irre gemacht und
ſcandaliſiret werden und das Anſehen des Pre-
digt-Amts gewaltig hierunter mit leidet, ſo thun
die Landes-Fuͤrſten ſehr wohl, wenn ſie den
Prieſtern anbefehlen, daß ſie von ſolchen ſtreiti-
gen Puncten, dafern es quæſtiones problema-
ticæ ſeyn, davon ſichs pro & contra diſputiren
laͤßt und eben nicht nothwendige Glaubens-Ar-
ticul ſind, auf den Cantzeln gantz und gar nichts
erwehnen ſollen, bey den uͤbrigen aber ihre Mey-
nungen zwar ſagen, aber der Meynung ihres
Gegeners nicht ſonderlich Erwehnung thun. Es
kan ihnen wohl erlaubet werden, daß ſie einige
Schrifften deshalben wechſeln moͤgen, es muͤſ-
ſen aber ſolche, damit der gemeine Mann nicht
geſtoͤhret werde, in Lateiniſcher Sprache ge-
ſchrieben und ohne alle perſonalien, calumn oͤſe
expreſſionen und Bitterkeit verfertiget wer-
den.
§. 30. Jndem einige Prediger, die ſich et-
wan ſelbſt gerne hoͤren, durch unnoͤthige und
verdruͤßliche Wiederhohlungen und ſo genannte
Tavtologien, um nur viel ſagen zu koͤnnen, ihre
Predigten uͤber die Gebuͤhr verlaͤngern, durch
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/302>, abgerufen am 22.11.2024.
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