könten, nicht lesen und von den Predigern der- gleichen auch nicht hören. So wird auch auf den Cantzeln zu wenig geredet und gelehret von GOtt, seinen Eigenschafften, seinem zulassen- den und dirigirenden Willen und von der gött- lichen Providenz. Es ist Schande, daß unter Christen und unter denjenigen, die 30. 40. und mehr Jahre Prediger gehöret, solche atheisti- sche oder doch denselben sehr gleiche principia im Schwange gehen, welches grossen Theils auch dem Mangel des Unterrichts zuzuschrei- ben und daß ihrer so viele, aus Liebe zur Welt, solchen Unterricht nicht annehmen. Es wä- ren dergleichen Lehren in den heutigen Zeiten, da der Unglaube so sehr anfängt überhand zu nehmen, gar sehr nöthig. Jch weiß wohl, daß ei- nige Prediger deßwegen Bedencken tragen, sol- che Sachen auff die Cantzel zu bringen, weil sie besorgen, es möchten manche von den Zuhörern in ihrem Glauben irre werden und Scrupel be- kommen, wenn sie hörten, daß sich Leute fänden, die solche Grund-Wahrheiten in Zweiffel zö- gen, und daß durch wichtige Gründe diese Wahr- heiten müsten bestärcket und befestiget werden, da sie zuvor vielleicht nicht darauff gedacht hät- ten. Allein diese Bekümmerniß ist unnöthig, es können die nichtigen Einwürffe böser Leute der Wahrheit der Christl. Religion so wenig
schaden,
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koͤnten, nicht leſen und von den Predigern der- gleichen auch nicht hoͤren. So wird auch auf den Cantzeln zu wenig geredet und gelehret von GOtt, ſeinen Eigenſchafften, ſeinem zulaſſen- den und dirigirenden Willen und von der goͤtt- lichen Providenz. Es iſt Schande, daß unter Chriſten und unter denjenigen, die 30. 40. und mehr Jahre Prediger gehoͤret, ſolche atheiſti- ſche oder doch denſelben ſehr gleiche principia im Schwange gehen, welches groſſen Theils auch dem Mangel des Unterrichts zuzuſchrei- ben und daß ihrer ſo viele, aus Liebe zur Welt, ſolchen Unterricht nicht annehmen. Es waͤ- ren dergleichen Lehren in den heutigen Zeiten, da der Unglaube ſo ſehr anfaͤngt uͤberhand zu nehmen, gar ſehr noͤthig. Jch weiß wohl, daß ei- nige Prediger deßwegen Bedencken tragen, ſol- che Sachen auff die Cantzel zu bringen, weil ſie beſorgen, es moͤchten manche von den Zuhoͤrern in ihrem Glauben irre werden und Scrupel be- kommen, wenn ſie hoͤrten, daß ſich Leute faͤnden, die ſolche Grund-Wahrheiten in Zweiffel zoͤ- gen, und daß duꝛch wichtige Gruͤnde dieſe Wahr- heiten muͤſten beſtaͤrcket und befeſtiget werden, da ſie zuvor vielleicht nicht darauff gedacht haͤt- ten. Allein dieſe Bekuͤmmerniß iſt unnoͤthig, es koͤnnen die nichtigen Einwuͤrffe boͤſer Leute der Wahrheit der Chriſtl. Religion ſo wenig
ſchaden,
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koͤnten, nicht leſen und von den Predigern der-
gleichen auch nicht hoͤren. So wird auch auf
den Cantzeln zu wenig geredet und gelehret von
GOtt, ſeinen Eigenſchafften, ſeinem zulaſſen-
den und dirigirenden Willen und von der goͤtt-
lichen Providenz. Es iſt Schande, daß unter
Chriſten und unter denjenigen, die 30. 40. und
mehr Jahre Prediger gehoͤret, ſolche atheiſti-
ſche oder doch denſelben ſehr gleiche principia
im Schwange gehen, welches groſſen Theils
auch dem Mangel des Unterrichts zuzuſchrei-
ben und daß ihrer ſo viele, aus Liebe zur Welt,
ſolchen Unterricht nicht annehmen. Es waͤ-
ren dergleichen Lehren in den heutigen Zeiten,
da der Unglaube ſo ſehr anfaͤngt uͤberhand zu
nehmen, gar ſehr noͤthig. Jch weiß wohl, daß ei-
nige Prediger deßwegen Bedencken tragen, ſol-
che Sachen auff die Cantzel zu bringen, weil ſie
beſorgen, es moͤchten manche von den Zuhoͤrern
in ihrem Glauben irre werden und Scrupel be-
kommen, wenn ſie hoͤrten, daß ſich Leute faͤnden,
die ſolche Grund-Wahrheiten in Zweiffel zoͤ-
gen, und daß duꝛch wichtige Gruͤnde dieſe Wahr-
heiten muͤſten beſtaͤrcket und befeſtiget werden,
da ſie zuvor vielleicht nicht darauff gedacht haͤt-
ten. Allein dieſe Bekuͤmmerniß iſt unnoͤthig,
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/327>, abgerufen am 22.11.2024.
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