§. 24. Nun will ich noch mit wenigen mei- ne unmaßgebliche Gedancken eröffnen, was die Landes Herrschafften in Ansehung derglei- chen Inspirirten, die in das Land kommen, oder in demselben entstehen, anzuordnen oder zu ver- biethenhaben. Vors erste müssen sie verbiethen, daß sich niemand von dem gemeinen Volcke un- terstehen soll, an diejenigen Oerter zukommen, wo sie ihre Aussprachen haben und ihnen zu zuhören, oder ihren agitationen zuzusehen, theils damit das unwissende Volck nicht hier- durch geärgert, verführet und irre gemacht werde, theils auch, daß diese betrügerischen Propheten in ihrer Boßheit nicht gestärcket werden, wenn sie sehen, daß sie andere Leute admiriren. Sie dürfften hernach gar bald Anhänger bekommen, die sie lieber hören wür- den, denn die Prediger selbst. Hingegen sind gelehrte Theologi, Juristen und Medici ver- bunden, solche Leute zu frequentiren, alle ihre Umstände genau nach den Gründen der Heil. Schrifft und der gesunden Vernunfft zu unter- suchen, damit sie auff Erforderung ihr Gut- achten dißfalls erstatten können. Zum andern, sind solche Leute von einander zu sondern, und ein jedweder muß in Verwahrung gebracht werden, damit sie nicht zusammen colludiren können, noch sich eines gewissen mit einander
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§. 24. Nun will ich noch mit wenigen mei- ne unmaßgebliche Gedancken eroͤffnen, was die Landes Herrſchafften in Anſehung derglei- chen Inſpirirten, die in das Land kommen, oder in demſelben entſtehen, anzuordnen oder zu ver- biethenhaben. Voꝛs erſte muͤſſen ſie verbiethen, daß ſich niemand von dem gemeinen Volcke un- terſtehen ſoll, an diejenigen Oerter zukommen, wo ſie ihre Ausſprachen haben und ihnen zu zuhoͤren, oder ihren agitationen zuzuſehen, theils damit das unwiſſende Volck nicht hier- durch geaͤrgert, verfuͤhret und irre gemacht werde, theils auch, daß dieſe betruͤgeriſchen Propheten in ihrer Boßheit nicht geſtaͤrcket werden, wenn ſie ſehen, daß ſie andere Leute admiriren. Sie duͤrfften hernach gar bald Anhaͤnger bekommen, die ſie lieber hoͤren wuͤr- den, denn die Prediger ſelbſt. Hingegen ſind gelehrte Theologi, Juriſten und Medici ver- bunden, ſolche Leute zu frequentiren, alle ihre Umſtaͤnde genau nach den Gruͤnden der Heil. Schrifft und der geſunden Vernunfft zu unter- ſuchen, damit ſie auff Erforderung ihr Gut- achten dißfalls erſtatten koͤnnen. Zum andern, ſind ſolche Leute von einander zu ſondern, und ein jedweder muß in Verwahrung gebracht werden, damit ſie nicht zuſammen colludiren koͤnnen, noch ſich eines gewiſſen mit einander
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§. 24. Nun will ich noch mit wenigen mei-
ne unmaßgebliche Gedancken eroͤffnen, was
die Landes Herrſchafften in Anſehung derglei-
chen Inſpirirten, die in das Land kommen, oder
in demſelben entſtehen, anzuordnen oder zu ver-
biethenhaben. Voꝛs erſte muͤſſen ſie verbiethen,
daß ſich niemand von dem gemeinen Volcke un-
terſtehen ſoll, an diejenigen Oerter zukommen,
wo ſie ihre Ausſprachen haben und ihnen zu
zuhoͤren, oder ihren agitationen zuzuſehen,
theils damit das unwiſſende Volck nicht hier-
durch geaͤrgert, verfuͤhret und irre gemacht
werde, theils auch, daß dieſe betruͤgeriſchen
Propheten in ihrer Boßheit nicht geſtaͤrcket
werden, wenn ſie ſehen, daß ſie andere Leute
admiriren. Sie duͤrfften hernach gar bald
Anhaͤnger bekommen, die ſie lieber hoͤren wuͤr-
den, denn die Prediger ſelbſt. Hingegen ſind
gelehrte Theologi, Juriſten und Medici ver-
bunden, ſolche Leute zu frequentiren, alle ihre
Umſtaͤnde genau nach den Gruͤnden der Heil.
Schrifft und der geſunden Vernunfft zu unter-
ſuchen, damit ſie auff Erforderung ihr Gut-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/380>, abgerufen am 22.11.2024.
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