Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

Bild:
<< vorherige Seite



es sey schon gnug, wenn man so viel Latein schrei-
ben könte, daß man dem Prisciano nicht eine
Maulschelle gäbe. Die Autores classicos ne-
gligi
ren sie auch ziemlicher Maßen und glau-
ben, man solte jungen Leuten lieber solche Bü-
cher in die Hände geben, da sie nebst dem Latein
auch andre Wissenschafften daraus erkennen
könten. Vor das Haupt-Werck halten sie
die teutsche Sprache, und daß man eine wohl-
gesetzte Rede, ein zierliches Schreiben, eine
argute Inscription und ein beliebtes Carmen
verfertigen könte. Sie bringen einen grösten
Theil der Zeit damit zu, daß sie ihren Unterge-
benen weisen, wie sie anagrammata, Chrono-
disticha,
Rimgebäude, Echo, Pastorellen,
Duetten und andere dergleichen poetische Ra-
ri
täten und schöne Spiel-Wercke concipiren
können. Dieses wären die Mittel, in der
Welt sich beliebt zu machen und sein Glück zu
forciren. Nach der teutschen Oratorie und
Poesie führen sie dieselben an zu geographi-
schen, Historischen, genealogischen, heraldi-
schen und numismatischen Studiis. Sie le-
sen mit ihnen in Schulen allerhand Arten der
Zeitungen, machen ihnen ein Hauffen Refle-
xions-Politiques
drüber und zeigen, wie sie
dieselben auch machen sollen. Bey dem Stu-
dio Geographico recommendi
ren sie ihren

Un-
A a 4



es ſey ſchon gnug, wenn man ſo viel Latein ſchrei-
ben koͤnte, daß man dem Priſciano nicht eine
Maulſchelle gaͤbe. Die Autores claſſicos ne-
gligi
ren ſie auch ziemlicher Maßen und glau-
ben, man ſolte jungen Leuten lieber ſolche Buͤ-
cher in die Haͤnde geben, da ſie nebſt dem Latein
auch andre Wiſſenſchafften daraus erkennen
koͤnten. Vor das Haupt-Werck halten ſie
die teutſche Sprache, und daß man eine wohl-
geſetzte Rede, ein zierliches Schreiben, eine
argute Inſcription und ein beliebtes Carmen
verfertigen koͤnte. Sie bringen einen groͤſten
Theil der Zeit damit zu, daß ſie ihren Unterge-
benen weiſen, wie ſie anagrammata, Chrono-
diſticha,
Rimgebaͤude, Echo, Paſtorellen,
Duetten und andere dergleichen poetiſche Ra-
ri
taͤten und ſchoͤne Spiel-Wercke concipiren
koͤnnen. Dieſes waͤren die Mittel, in der
Welt ſich beliebt zu machen und ſein Gluͤck zu
forciren. Nach der teutſchen Oratorie und
Poeſie fuͤhren ſie dieſelben an zu geographi-
ſchen, Hiſtoriſchen, genealogiſchen, heraldi-
ſchen und numismatiſchen Studiis. Sie le-
ſen mit ihnen in Schulen allerhand Arten der
Zeitungen, machen ihnen ein Hauffen Refle-
xions-Politiques
druͤber und zeigen, wie ſie
dieſelben auch machen ſollen. Bey dem Stu-
dio Geographico recommendi
ren ſie ihren

Un-
A a 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0395" n="375"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> es &#x017F;ey &#x017F;chon gnug, wenn man &#x017F;o viel Latein &#x017F;chrei-<lb/>
ben ko&#x0364;nte, daß man dem <hi rendition="#aq">Pri&#x017F;ciano</hi> nicht eine<lb/>
Maul&#x017F;chelle ga&#x0364;be. Die <hi rendition="#aq">Autores cla&#x017F;&#x017F;icos ne-<lb/>
gligi</hi>ren &#x017F;ie auch ziemlicher Maßen und glau-<lb/>
ben, man &#x017F;olte jungen Leuten lieber &#x017F;olche Bu&#x0364;-<lb/>
cher in die Ha&#x0364;nde geben, da &#x017F;ie neb&#x017F;t dem Latein<lb/>
auch andre Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften daraus erkennen<lb/>
ko&#x0364;nten. Vor das Haupt-Werck halten &#x017F;ie<lb/>
die teut&#x017F;che Sprache, und daß man eine wohl-<lb/>
ge&#x017F;etzte Rede, ein zierliches Schreiben, eine<lb/><hi rendition="#aq">argute In&#x017F;cription</hi> und ein beliebtes <hi rendition="#aq">Carm</hi>en<lb/>
verfertigen ko&#x0364;nte. Sie bringen einen gro&#x0364;&#x017F;ten<lb/>
Theil der Zeit damit zu, daß &#x017F;ie ihren Unterge-<lb/>
benen wei&#x017F;en, wie &#x017F;ie <hi rendition="#aq">anagrammata, Chrono-<lb/>
di&#x017F;ticha,</hi> Rimgeba&#x0364;ude, <hi rendition="#aq">Echo, Pa&#x017F;torell</hi>en,<lb/><hi rendition="#aq">Duett</hi>en und andere dergleichen poeti&#x017F;che <hi rendition="#aq">Ra-<lb/>
ri</hi>ta&#x0364;ten und &#x017F;cho&#x0364;ne Spiel-Wercke <hi rendition="#aq">concipi</hi>ren<lb/>
ko&#x0364;nnen. Die&#x017F;es wa&#x0364;ren die Mittel, in der<lb/>
Welt &#x017F;ich beliebt zu machen und &#x017F;ein Glu&#x0364;ck zu<lb/><hi rendition="#aq">forci</hi>ren. Nach der teut&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Oratorie</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">Poe&#x017F;ie</hi> fu&#x0364;hren &#x017F;ie die&#x017F;elben an zu <hi rendition="#aq">geographi-</hi><lb/>
&#x017F;chen, Hi&#x017F;tori&#x017F;chen, <hi rendition="#aq">genealogi</hi>&#x017F;chen, <hi rendition="#aq">heraldi-</hi><lb/>
&#x017F;chen und <hi rendition="#aq">numismati</hi>&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Studiis.</hi> Sie le-<lb/>
&#x017F;en mit ihnen in Schulen allerhand Arten der<lb/>
Zeitungen, machen ihnen ein Hauffen <hi rendition="#aq">Refle-<lb/>
xions-Politiques</hi> dru&#x0364;ber und zeigen, wie &#x017F;ie<lb/>
die&#x017F;elben auch machen &#x017F;ollen. Bey dem <hi rendition="#aq">Stu-<lb/>
dio Geographico recommendi</hi>ren &#x017F;ie ihren<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Un-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[375/0395] es ſey ſchon gnug, wenn man ſo viel Latein ſchrei- ben koͤnte, daß man dem Priſciano nicht eine Maulſchelle gaͤbe. Die Autores claſſicos ne- gligiren ſie auch ziemlicher Maßen und glau- ben, man ſolte jungen Leuten lieber ſolche Buͤ- cher in die Haͤnde geben, da ſie nebſt dem Latein auch andre Wiſſenſchafften daraus erkennen koͤnten. Vor das Haupt-Werck halten ſie die teutſche Sprache, und daß man eine wohl- geſetzte Rede, ein zierliches Schreiben, eine argute Inſcription und ein beliebtes Carmen verfertigen koͤnte. Sie bringen einen groͤſten Theil der Zeit damit zu, daß ſie ihren Unterge- benen weiſen, wie ſie anagrammata, Chrono- diſticha, Rimgebaͤude, Echo, Paſtorellen, Duetten und andere dergleichen poetiſche Ra- ritaͤten und ſchoͤne Spiel-Wercke concipiren koͤnnen. Dieſes waͤren die Mittel, in der Welt ſich beliebt zu machen und ſein Gluͤck zu forciren. Nach der teutſchen Oratorie und Poeſie fuͤhren ſie dieſelben an zu geographi- ſchen, Hiſtoriſchen, genealogiſchen, heraldi- ſchen und numismatiſchen Studiis. Sie le- ſen mit ihnen in Schulen allerhand Arten der Zeitungen, machen ihnen ein Hauffen Refle- xions-Politiques druͤber und zeigen, wie ſie dieſelben auch machen ſollen. Bey dem Stu- dio Geographico recommendiren ſie ihren Un- A a 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/395
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/395>, abgerufen am 21.11.2024.