unterziehen, auch ihren Nächsten mit derjenigen Erkenntniß und Erfahrung, die sie in einem und andern Theil der Staats-Klugheit besitzen, gerne dienen möchten, so haben sie doch nicht das talent, mit einer guten Ordnung und Con- nexion, allerhand Materien, die zur Regen- ten-Klugheit gehören, schrifftlich aufzusetzen, und dem Druck anzuvertrauen; es fehlet ihnen auch wohl an der Gedult, sie können sich über solchen Sachen nicht Mühe geben, und sind zu commode darzu. Diesemnach siehet man hieraus, warum die Prudentia publica noch gröstentheils incultiviret sey.
§. 16. Es stecken viel Leute in dem Vorur- theil, daß einer die Staats-Klugheit erstlich er- lernen könte, wenn man in die Affairen käme, und in dergleichen Bedienungen stünde, sonst aber nicht. Ob gleich nun diese Meynung fast universel, so ist sie dennoch falsch. Jn Staats- Bedienungen ist es nicht Zeit zu lernen, sondern da muß man seine Klugheit erweisen. Dieses ist wohl gewiß, daß man sich, wenn man in Af- fairen gebraucht wird, in demjenigen, worauf man sich sonst appliciret, mehr perfectioni- ren, und dasselbe weit besser cultiviren kan, auch wohl in Praxi bey mancher Regul, die man in der theorie vor universel gehalten, einige exceptiones und limitationes findet, indessen
muß
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unterziehen, auch ihren Naͤchſten mit derjenigen Erkenntniß und Erfahrung, die ſie in einem und andern Theil der Staats-Klugheit beſitzen, gerne dienen moͤchten, ſo haben ſie doch nicht das talent, mit einer guten Ordnung und Con- nexion, allerhand Materien, die zur Regen- ten-Klugheit gehoͤren, ſchrifftlich aufzuſetzen, und dem Druck anzuvertrauen; es fehlet ihnen auch wohl an der Gedult, ſie koͤnnen ſich uͤber ſolchen Sachen nicht Muͤhe geben, und ſind zu commode darzu. Dieſemnach ſiehet man hieraus, warum die Prudentia publica noch groͤſtentheils incultiviret ſey.
§. 16. Es ſtecken viel Leute in dem Vorur- theil, daß einer die Staats-Klugheit erſtlich er- lernen koͤnte, wenn man in die Affairen kaͤme, und in dergleichen Bedienungen ſtuͤnde, ſonſt aber nicht. Ob gleich nun dieſe Meynung faſt univerſel, ſo iſt ſie dennoch falſch. Jn Staats- Bedienungen iſt es nicht Zeit zu lernen, ſondern da muß man ſeine Klugheit erweiſen. Dieſes iſt wohl gewiß, daß man ſich, wenn man in Af- fairen gebraucht wird, in demjenigen, worauf man ſich ſonſt appliciret, mehr perfectioni- ren, und daſſelbe weit beſſer cultiviren kan, auch wohl in Praxi bey mancher Regul, die man in der theorie vor univerſel gehalten, einige exceptiones und limitationes findet, indeſſen
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[21/0041]
unterziehen, auch ihren Naͤchſten mit derjenigen
Erkenntniß und Erfahrung, die ſie in einem und
andern Theil der Staats-Klugheit beſitzen,
gerne dienen moͤchten, ſo haben ſie doch nicht
das talent, mit einer guten Ordnung und Con-
nexion, allerhand Materien, die zur Regen-
ten-Klugheit gehoͤren, ſchrifftlich aufzuſetzen,
und dem Druck anzuvertrauen; es fehlet ihnen
auch wohl an der Gedult, ſie koͤnnen ſich uͤber
ſolchen Sachen nicht Muͤhe geben, und ſind zu
commode darzu. Dieſemnach ſiehet man
hieraus, warum die Prudentia publica noch
groͤſtentheils incultiviret ſey.
§. 16. Es ſtecken viel Leute in dem Vorur-
theil, daß einer die Staats-Klugheit erſtlich er-
lernen koͤnte, wenn man in die Affairen kaͤme,
und in dergleichen Bedienungen ſtuͤnde, ſonſt
aber nicht. Ob gleich nun dieſe Meynung faſt
univerſel, ſo iſt ſie dennoch falſch. Jn Staats-
Bedienungen iſt es nicht Zeit zu lernen, ſondern
da muß man ſeine Klugheit erweiſen. Dieſes
iſt wohl gewiß, daß man ſich, wenn man in Af-
fairen gebraucht wird, in demjenigen, worauf
man ſich ſonſt appliciret, mehr perfectioni-
ren, und daſſelbe weit beſſer cultiviren kan,
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/41>, abgerufen am 21.11.2024.
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