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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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und bestünde er nur darinnen wohl, so wäre es
schon gut, ob er gleich in den übrigen Wissen-
schafften wenig oder gar nichts gethan hätte.
Dabey müsten auch solche Fragen proponirt
werden, die sonderlich einen Nutzen in dem
menschlichen Leben hätten, und keine unnützen
Schul-Grillen wären.

§. 36. Es sind bey den übrigen Facultäten
die Examina überhaupt so anzustellen, daß man
nicht so wohl darauff siehet, ob die Candidaten
die Definitiones und Divisiones nach dem al-
ten Schlendrian herzuplappern wissen, sondern
die Wissenschafften cum judicio inne haben.
Also müste gnug seyn, wenn einer einen deutli-
chen Begriff von der Sachen hätte, ob er gleich
eben nicht praecise die Worte, wie es etwan in
dem Compendio stünde, herzusagen wüste.
Es hat mancher kein gutes Gedächniß, den die
eigentlichen Worte der Definitionum und Di-
visionum
nicht so beyfallen wollen, und der doch
seine Wissenschafft wohl verstehet. Diesem-
nach wäre es schon gut, wenn er durch Exempel
und Casus erweisen könte, daß er connoissance
von der Sachen hätte. Hingegen kan man-
cher die Worte der Beschreibungen und Ein-
theilungen hurtig hersagen und fehlet es ihm
doch wohl hernach an Geschicklichkeit, es zu
appliciren.

§. 37.



und beſtuͤnde er nur darinnen wohl, ſo waͤre es
ſchon gut, ob er gleich in den uͤbrigen Wiſſen-
ſchafften wenig oder gar nichts gethan haͤtte.
Dabey muͤſten auch ſolche Fragen proponirt
werden, die ſonderlich einen Nutzen in dem
menſchlichen Leben haͤtten, und keine unnuͤtzen
Schul-Grillen waͤren.

§. 36. Es ſind bey den uͤbrigen Facultaͤten
die Examina uͤberhaupt ſo anzuſtellen, daß man
nicht ſo wohl darauff ſiehet, ob die Candidaten
die Definitiones und Diviſiones nach dem al-
ten Schlendrian herzuplappern wiſſen, ſondern
die Wiſſenſchafften cum judicio inne haben.
Alſo muͤſte gnug ſeyn, wenn einer einen deutli-
chen Begriff von der Sachen haͤtte, ob er gleich
eben nicht præciſe die Worte, wie es etwan in
dem Compendio ſtuͤnde, herzuſagen wuͤſte.
Es hat mancher kein gutes Gedaͤchniß, den die
eigentlichen Worte der Definitionum und Di-
viſionum
nicht ſo beyfallen wollen, und der doch
ſeine Wiſſenſchafft wohl verſtehet. Dieſem-
nach waͤre es ſchon gut, wenn er durch Exempel
und Caſus erweiſen koͤnte, daß er connoiſſance
von der Sachen haͤtte. Hingegen kan man-
cher die Worte der Beſchreibungen und Ein-
theilungen hurtig herſagen und fehlet es ihm
doch wohl hernach an Geſchicklichkeit, es zu
appliciren.

§. 37.
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[434/0454] und beſtuͤnde er nur darinnen wohl, ſo waͤre es ſchon gut, ob er gleich in den uͤbrigen Wiſſen- ſchafften wenig oder gar nichts gethan haͤtte. Dabey muͤſten auch ſolche Fragen proponirt werden, die ſonderlich einen Nutzen in dem menſchlichen Leben haͤtten, und keine unnuͤtzen Schul-Grillen waͤren. §. 36. Es ſind bey den uͤbrigen Facultaͤten die Examina uͤberhaupt ſo anzuſtellen, daß man nicht ſo wohl darauff ſiehet, ob die Candidaten die Definitiones und Diviſiones nach dem al- ten Schlendrian herzuplappern wiſſen, ſondern die Wiſſenſchafften cum judicio inne haben. Alſo muͤſte gnug ſeyn, wenn einer einen deutli- chen Begriff von der Sachen haͤtte, ob er gleich eben nicht præciſe die Worte, wie es etwan in dem Compendio ſtuͤnde, herzuſagen wuͤſte. Es hat mancher kein gutes Gedaͤchniß, den die eigentlichen Worte der Definitionum und Di- viſionum nicht ſo beyfallen wollen, und der doch ſeine Wiſſenſchafft wohl verſtehet. Dieſem- nach waͤre es ſchon gut, wenn er durch Exempel und Caſus erweiſen koͤnte, daß er connoiſſance von der Sachen haͤtte. Hingegen kan man- cher die Worte der Beſchreibungen und Ein- theilungen hurtig herſagen und fehlet es ihm doch wohl hernach an Geſchicklichkeit, es zu appliciren. §. 37.

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/454>, abgerufen am 22.11.2024.