§. 37. Es ist auch in consideration zu zie- hen, ob einer von der Theorie einer gewissen Wissenschafft oder Praxi Profession machen will, damit sich die Herren Examinatores bey dem Examine darnach richten können und sol- len; wiewohl einer von rechtswegen beydes zu- gleich excoliren solte. Also ist es bey denen Juristen, die practiciren wollen, nicht gnug, wenn sie in den Antiquitäten der Römischen Gesetze noch so erfahren, die ihnen vorgegebenen Leges aus denen Römischen und Päbstischen Rechten noch so herrlich analysiren und ihre Leges gut inne haben, auch die obstantes wohl zu conciliiren wissen, sondern sie müssen auch tentiret werden, ob sie geschickt sind, eine Klage oder ein ander förmlich Concept, so im gemeinen Leben vorkommt, zu verfertigen, einen Abschied nach einem gewissen ihnen vorgeleg- ten Casu abzufassen und aus den Acten eine ge- schickte Relation zu verfertigen. Jch glaube, wenn sie in solchen Sachen, die im menschlichen Le- ben alltäglich vorkommen, geübt sind, so kan man ihnen schon zu gute halten, ob sie gleich bey einer verlegenen und vom Herrn Treboniano ausgebrüteten Distinction ein wenig verstossen. Jngleichen, wenn einer einen Practicum me- dicinae abgeben will, so erweist er seine practi- sche medicinische Gelehrsamkeit nicht gnug-
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§. 37. Es iſt auch in conſideration zu zie- hen, ob einer von der Theorie einer gewiſſen Wiſſenſchafft oder Praxi Profeſſion machen will, damit ſich die Herren Examinatores bey dem Examine darnach richten koͤnnen und ſol- len; wiewohl einer von rechtswegen beydes zu- gleich excoliren ſolte. Alſo iſt es bey denen Juriſten, die practiciren wollen, nicht gnug, wenn ſie in den Antiquitaͤten der Roͤmiſchen Geſetze noch ſo erfahren, die ihnen vorgegebenen Leges aus denen Roͤmiſchen und Paͤbſtiſchen Rechten noch ſo herrlich analyſiren und ihre Leges gut inne haben, auch die obſtantes wohl zu conciliiren wiſſen, ſondern ſie muͤſſen auch tentiret werden, ob ſie geſchickt ſind, eine Klage oder ein ander foͤrmlich Concept, ſo im gemeinen Leben vorkommt, zu verfertigen, einen Abſchied nach einem gewiſſen ihnen vorgeleg- ten Caſu abzufaſſen und aus den Acten eine ge- ſchickte Relation zu verfertigen. Jch glaube, weñ ſie in ſolchen Sachen, die im menſchlichen Le- ben alltaͤglich vorkommen, geuͤbt ſind, ſo kan man ihnen ſchon zu gute halten, ob ſie gleich bey einer verlegenen und vom Herrn Treboniano ausgebruͤteten Diſtinction ein wenig verſtoſſen. Jngleichen, wenn einer einen Practicum me- dicinæ abgeben will, ſo erweiſt er ſeine practi- ſche mediciniſche Gelehrſamkeit nicht gnug-
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§. 37. Es iſt auch in conſideration zu zie-
hen, ob einer von der Theorie einer gewiſſen
Wiſſenſchafft oder Praxi Profeſſion machen
will, damit ſich die Herren Examinatores bey
dem Examine darnach richten koͤnnen und ſol-
len; wiewohl einer von rechtswegen beydes zu-
gleich excoliren ſolte. Alſo iſt es bey denen
Juriſten, die practiciren wollen, nicht gnug,
wenn ſie in den Antiquitaͤten der Roͤmiſchen
Geſetze noch ſo erfahren, die ihnen vorgegebenen
Leges aus denen Roͤmiſchen und Paͤbſtiſchen
Rechten noch ſo herrlich analyſiren und ihre
Leges gut inne haben, auch die obſtantes
wohl zu conciliiren wiſſen, ſondern ſie muͤſſen
auch tentiret werden, ob ſie geſchickt ſind, eine
Klage oder ein ander foͤrmlich Concept, ſo im
gemeinen Leben vorkommt, zu verfertigen, einen
Abſchied nach einem gewiſſen ihnen vorgeleg-
ten Caſu abzufaſſen und aus den Acten eine ge-
ſchickte Relation zu verfertigen. Jch glaube, weñ
ſie in ſolchen Sachen, die im menſchlichen Le-
ben alltaͤglich vorkommen, geuͤbt ſind, ſo kan
man ihnen ſchon zu gute halten, ob ſie gleich bey
einer verlegenen und vom Herrn Treboniano
ausgebruͤteten Diſtinction ein wenig verſtoſſen.
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/455>, abgerufen am 22.11.2024.
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