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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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Wohlfahrt des Landes zuwider sind. Zu dem
Ende sind nicht nur alle Buchdrucker in allen
Städten zu vereyden, daß sie nichts drucken
sollen, als was in der Censur gewesen, sondern
auch die Buchführer, die dergleichen verkauf-
fen, billig in Straffe zu nehmen. Die gewöhn-
liche Confiscation der verbothenen Bücher ist
vor manche Buchführer eine sehr schlechte
Straffe, indem die Exemplaria hernach nur
viel theuerer werden.

§. 11. Ob nun zwar gottlose und schändli-
che Bücher mit allem Recht verbothen und die
darinne enthaltene Meynungen billig verdammt
werden, so ist dennoch auch dahin zu sehen, daß
nicht durch eine allzusorgfältige und eigensinnige
Censur der Freyheit der Gelehrten zu philoso-
phi
ren und ihre Gedancken zu eröffnen allzu-
enge Schrancken gesetzet und die Schrifften
nicht ohne wichtige Raison confisciret oder de-
ren Druck difficultiret werden mögen. Da-
her sind diejenigen Bücher nicht gleich als ketze-
rische zu tractiren, die auch in Religions-Sa-
chen eine neue und sonderliche Meynung, die
zwar der heil. Schrifft nicht, iedoch den bißheri-
gen gewöhnlichen Meynungen der Theologo-
rum
zuwider ist, vertheidigen. Es sind nicht
alle diejenigen Sätze vor ewige Wahrheiten zu
halten, die von vielen Seculis her von den mei-

sten



Wohlfahrt des Landes zuwider ſind. Zu dem
Ende ſind nicht nur alle Buchdrucker in allen
Staͤdten zu vereyden, daß ſie nichts drucken
ſollen, als was in der Cenſur geweſen, ſondern
auch die Buchfuͤhrer, die dergleichen verkauf-
fen, billig in Straffe zu nehmen. Die gewoͤhn-
liche Confiſcation der verbothenen Buͤcher iſt
vor manche Buchfuͤhrer eine ſehr ſchlechte
Straffe, indem die Exemplaria hernach nur
viel theuerer werden.

§. 11. Ob nun zwar gottloſe und ſchaͤndli-
che Buͤcher mit allem Recht verbothen und die
darinne enthaltene Meynungen billig verdammt
werden, ſo iſt dennoch auch dahin zu ſehen, daß
nicht durch eine allzuſorgfaͤltige und eigenſinnige
Cenſur der Freyheit der Gelehrten zu philoſo-
phi
ren und ihre Gedancken zu eroͤffnen allzu-
enge Schrancken geſetzet und die Schrifften
nicht ohne wichtige Raiſon confiſciret oder de-
ren Druck difficultiret werden moͤgen. Da-
her ſind diejenigen Buͤcher nicht gleich als ketze-
riſche zu tractiren, die auch in Religions-Sa-
chen eine neue und ſonderliche Meynung, die
zwar der heil. Schrifft nicht, iedoch den bißheri-
gen gewoͤhnlichen Meynungen der Theologo-
rum
zuwider iſt, vertheidigen. Es ſind nicht
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[450/0470] Wohlfahrt des Landes zuwider ſind. Zu dem Ende ſind nicht nur alle Buchdrucker in allen Staͤdten zu vereyden, daß ſie nichts drucken ſollen, als was in der Cenſur geweſen, ſondern auch die Buchfuͤhrer, die dergleichen verkauf- fen, billig in Straffe zu nehmen. Die gewoͤhn- liche Confiſcation der verbothenen Buͤcher iſt vor manche Buchfuͤhrer eine ſehr ſchlechte Straffe, indem die Exemplaria hernach nur viel theuerer werden. §. 11. Ob nun zwar gottloſe und ſchaͤndli- che Buͤcher mit allem Recht verbothen und die darinne enthaltene Meynungen billig verdammt werden, ſo iſt dennoch auch dahin zu ſehen, daß nicht durch eine allzuſorgfaͤltige und eigenſinnige Cenſur der Freyheit der Gelehrten zu philoſo- phiren und ihre Gedancken zu eroͤffnen allzu- enge Schrancken geſetzet und die Schrifften nicht ohne wichtige Raiſon confiſciret oder de- ren Druck difficultiret werden moͤgen. Da- her ſind diejenigen Buͤcher nicht gleich als ketze- riſche zu tractiren, die auch in Religions-Sa- chen eine neue und ſonderliche Meynung, die zwar der heil. Schrifft nicht, iedoch den bißheri- gen gewoͤhnlichen Meynungen der Theologo- rum zuwider iſt, vertheidigen. Es ſind nicht alle diejenigen Saͤtze vor ewige Wahrheiten zu halten, die von vielen Seculis her von den mei- ſten

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/470>, abgerufen am 26.06.2024.