ihnen publiciren kan. Es wäre zu wünschen, daß man von vielen Landes-Fürsten dasjenige rühmen könte, was der Königl. Preuß. Histo- riographus Teissier in der Lebens Beschrei- bung des weyland Ruhm-würdigsten Fürsten, Hertzogs Ernesti des Frommen zu Gotha rüh- met. Er war, spricht er, nicht aus der An- zahl derjenigen Fürsten, die gute Verordnungen und Gesetze zu publiciren wissen, sich aber die Freyheit vorbehalten, darwider zu handeln, und sie zu violiren, wenn es ihnen gefällt. Er gab bey seinen Unterthanen selbst ein gutes E- xempel ab, und wieß ihnen durch seinen eigenen tugendhafften Lebens-Wandel den Weg zur Tugend. Wenn die Unterthanen sehen, daß ein Landes-Fürst dasjenige, was er ihnen gebo- then, selbst nicht unterläßt, so zweiffeln sie, daß er überführet sey, wie dasjenige, was er gebo- then, eine heilsame und ersprießliche Sache sey, denn sonst dencken sie, würde ers wohl selber thun, und bilden sich dahero öffters ein, daß ihm nur eine besondere Caprice zu dem Gebot oder Verbot dieser oder jener Sache Gelegenheit müsse gegeben haben.
§. 4. Bey Verbietung lasterhaffter Dinge hat ein Landes-Fürst auch dahin zu sehen, daß er bey Kleinigkeiten nicht allzu rigoureus sey, denn sonst wenn er es in allen Stücken gar zu
genau
ihnen publiciren kan. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß man von vielen Landes-Fuͤrſten dasjenige ruͤhmen koͤnte, was der Koͤnigl. Preuß. Hiſto- riographus Teiſſier in der Lebens Beſchrei- bung des weyland Ruhm-wuͤrdigſten Fuͤrſten, Hertzogs Erneſti des Frommen zu Gotha ruͤh- met. Er war, ſpricht er, nicht aus der An- zahl derjenigen Fuͤrſten, die gute Verordnungen und Geſetze zu publiciren wiſſen, ſich aber die Freyheit vorbehalten, darwider zu handeln, und ſie zu violiren, wenn es ihnen gefaͤllt. Er gab bey ſeinen Unterthanen ſelbſt ein gutes E- xempel ab, und wieß ihnen durch ſeinen eigenen tugendhafften Lebens-Wandel den Weg zur Tugend. Wenn die Unterthanen ſehen, daß ein Landes-Fuͤrſt dasjenige, was er ihnen gebo- then, ſelbſt nicht unterlaͤßt, ſo zweiffeln ſie, daß er uͤberfuͤhret ſey, wie dasjenige, was er gebo- then, eine heilſame und erſprießliche Sache ſey, denn ſonſt dencken ſie, wuͤrde ers wohl ſelber thun, und bilden ſich dahero oͤffters ein, daß ihm nur eine beſondere Caprice zu dem Gebot oder Verbot dieſer oder jener Sache Gelegenheit muͤſſe gegeben haben.
§. 4. Bey Verbietung laſterhaffter Dinge hat ein Landes-Fuͤrſt auch dahin zu ſehen, daß er bey Kleinigkeiten nicht allzu rigoureus ſey, denn ſonſt wenn er es in allen Stuͤcken gar zu
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ihnen publiciren kan. Es waͤre zu wuͤnſchen,
daß man von vielen Landes-Fuͤrſten dasjenige
ruͤhmen koͤnte, was der Koͤnigl. Preuß. Hiſto-
riographus Teiſſier in der Lebens Beſchrei-
bung des weyland Ruhm-wuͤrdigſten Fuͤrſten,
Hertzogs Erneſti des Frommen zu Gotha ruͤh-
met. Er war, ſpricht er, nicht aus der An-
zahl derjenigen Fuͤrſten, die gute Verordnungen
und Geſetze zu publiciren wiſſen, ſich aber die
Freyheit vorbehalten, darwider zu handeln,
und ſie zu violiren, wenn es ihnen gefaͤllt. Er
gab bey ſeinen Unterthanen ſelbſt ein gutes E-
xempel ab, und wieß ihnen durch ſeinen eigenen
tugendhafften Lebens-Wandel den Weg zur
Tugend. Wenn die Unterthanen ſehen, daß
ein Landes-Fuͤrſt dasjenige, was er ihnen gebo-
then, ſelbſt nicht unterlaͤßt, ſo zweiffeln ſie, daß
er uͤberfuͤhret ſey, wie dasjenige, was er gebo-
then, eine heilſame und erſprießliche Sache ſey,
denn ſonſt dencken ſie, wuͤrde ers wohl ſelber
thun, und bilden ſich dahero oͤffters ein, daß ihm
nur eine beſondere Caprice zu dem Gebot oder
Verbot dieſer oder jener Sache Gelegenheit
muͤſſe gegeben haben.
§. 4. Bey Verbietung laſterhaffter Dinge
hat ein Landes-Fuͤrſt auch dahin zu ſehen, daß
er bey Kleinigkeiten nicht allzu rigoureus ſey,
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/492>, abgerufen am 22.11.2024.
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