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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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genau nehmen will, ist zu besorgen, daß auf sol-
che Art am allerwenigsten dürffte ausgerichtet
werden. Gleichwie es sonst in den Rechten
heißt: minima non curat Praetor; Also
muß ein Regente bey allerhand Sachen biß-
weilen durch die Finger sehen, wo er versichert
ist, daß er mit seinem Gebot und Verbot den
Endzweck, den er sich vorgesetzt, nicht erreichen
kan, weil doch die Vollkommenheit in dieser
Zeitlichkeit in keinem Stücke zu erlangen.

§. 5. Wenn gewisse lasterhaffte Dinge
sehr lange im Schwange gegangen und die
schwerlich auszurotten seyn, muß ein Landes-
Fürst nicht gleich auff einmahl dieselben mit al-
ler Schärffe mit Strumpff und Stiel ausrot-
ten wollen, denn es würde doch dieses keinen
sonderlichen Effect haben, und er wenig oder
nichts damit ausrichten, sondern nach und
nach.

§. 6. Daß es Leute zu allen Zeiten gegeben,
die sich einbilden wollen, daß kein GOtt sey und
auch solches mit dem Munde bekennen, bezeu-
gen die Geschichte, und können hiervon mit meh-
rern des Herrn Buddei Sätze de Atheismo &
superstitione
nachgelesen werden. Je mehr
nun die Boßheit unsers ietzigen Seculi zu steigen
beginnet, eine desto grössere Anzahl der Athei-
sten trifft man auch leider! hin und wieder an, so

daß
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genau nehmen will, iſt zu beſorgen, daß auf ſol-
che Art am allerwenigſten duͤrffte ausgerichtet
werden. Gleichwie es ſonſt in den Rechten
heißt: minima non curat Prætor; Alſo
muß ein Regente bey allerhand Sachen biß-
weilen durch die Finger ſehen, wo er verſichert
iſt, daß er mit ſeinem Gebot und Verbot den
Endzweck, den er ſich vorgeſetzt, nicht erreichen
kan, weil doch die Vollkommenheit in dieſer
Zeitlichkeit in keinem Stuͤcke zu erlangen.

§. 5. Wenn gewiſſe laſterhaffte Dinge
ſehr lange im Schwange gegangen und die
ſchwerlich auszurotten ſeyn, muß ein Landes-
Fuͤrſt nicht gleich auff einmahl dieſelben mit al-
ler Schaͤrffe mit Strumpff und Stiel ausrot-
ten wollen, denn es wuͤrde doch dieſes keinen
ſonderlichen Effect haben, und er wenig oder
nichts damit ausrichten, ſondern nach und
nach.

§. 6. Daß es Leute zu allen Zeiten gegeben,
die ſich einbilden wollen, daß kein GOtt ſey und
auch ſolches mit dem Munde bekennen, bezeu-
gen die Geſchichte, und koͤnnen hiervon mit meh-
rern des Herrn Buddei Saͤtze de Atheiſmo &
ſuperſtitione
nachgeleſen werden. Je mehr
nun die Boßheit unſers ietzigen Seculi zu ſteigen
beginnet, eine deſto groͤſſere Anzahl der Athei-
ſten trifft man auch leider! hin und wieder an, ſo

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[473/0493] genau nehmen will, iſt zu beſorgen, daß auf ſol- che Art am allerwenigſten duͤrffte ausgerichtet werden. Gleichwie es ſonſt in den Rechten heißt: minima non curat Prætor; Alſo muß ein Regente bey allerhand Sachen biß- weilen durch die Finger ſehen, wo er verſichert iſt, daß er mit ſeinem Gebot und Verbot den Endzweck, den er ſich vorgeſetzt, nicht erreichen kan, weil doch die Vollkommenheit in dieſer Zeitlichkeit in keinem Stuͤcke zu erlangen. §. 5. Wenn gewiſſe laſterhaffte Dinge ſehr lange im Schwange gegangen und die ſchwerlich auszurotten ſeyn, muß ein Landes- Fuͤrſt nicht gleich auff einmahl dieſelben mit al- ler Schaͤrffe mit Strumpff und Stiel ausrot- ten wollen, denn es wuͤrde doch dieſes keinen ſonderlichen Effect haben, und er wenig oder nichts damit ausrichten, ſondern nach und nach. §. 6. Daß es Leute zu allen Zeiten gegeben, die ſich einbilden wollen, daß kein GOtt ſey und auch ſolches mit dem Munde bekennen, bezeu- gen die Geſchichte, und koͤnnen hiervon mit meh- rern des Herrn Buddei Saͤtze de Atheiſmo & ſuperſtitione nachgeleſen werden. Je mehr nun die Boßheit unſers ietzigen Seculi zu ſteigen beginnet, eine deſto groͤſſere Anzahl der Athei- ſten trifft man auch leider! hin und wieder an, ſo daß G g 5

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/493>, abgerufen am 26.06.2024.