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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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sten hinzurichten. Denn die Atheisterey wä-
re in Ansehung der menschlichen Gesellschafft
kein Verbrechen, es wäre nur eins in Ansehung
GOttes. Die Atheisten würden durch die
weitlichen Straffen nicht gebessert, es wäre
grausam, einen Menschen ohne Erkänntniß
GOttes hin zu richten, der zu selbiger, wenn
man mit ihm Gedult gehabt, noch vielleicht ge-
kommen wäre. Allein wenn man alle die rai-
sons
vernünfftig untersucht, so findet man, daß
sie nicht Stich halten. Denn zum ersten, so
ist gantz falsch, daß die Atheisterey in Ansehung
der menschlichen Gesellschafft kein Verbrechen
sey. Was kan denn der Republic wohl ein
grösserer Schade zugefüget werden, als wenn
sich Leute finden, die alle Obligationes und alle
Rechte über den Hauffen schmeissen und alles
in die gröste Zerrüttung setzen? Was kan wol
vor ein grösser Aergerniß gegeben werden als
wenn man durch seine närrische Phantasie den
grossen GOtt aus der Welt stossen und die Idee
davon, die einem ieden in die Seele tieff einge-
graben, wer es nur percipiren will, aus löschen
will? Und zum andern, wenn es auch gleich nur
ein Verbrechen wäre in Ansehung GOttes,
sind denn hohe Landes-Obrigkeiten nicht schul-
dig, die Verbrechen, die die allerheiligste Ma-
jestät GOttes concerniren, zu bestraffen? So

dürff-



ſten hinzurichten. Denn die Atheiſterey waͤ-
re in Anſehung der menſchlichen Geſellſchafft
kein Verbrechen, es waͤre nur eins in Anſehung
GOttes. Die Atheiſten wuͤrden durch die
weitlichen Straffen nicht gebeſſert, es waͤre
grauſam, einen Menſchen ohne Erkaͤnntniß
GOttes hin zu richten, der zu ſelbiger, wenn
man mit ihm Gedult gehabt, noch vielleicht ge-
kommen waͤre. Allein wenn man alle die rai-
ſons
vernuͤnfftig unterſucht, ſo findet man, daß
ſie nicht Stich halten. Denn zum erſten, ſo
iſt gantz falſch, daß die Atheiſterey in Anſehung
der menſchlichen Geſellſchafft kein Verbrechen
ſey. Was kan denn der Republic wohl ein
groͤſſerer Schade zugefuͤget werden, als wenn
ſich Leute finden, die alle Obligationes und alle
Rechte uͤber den Hauffen ſchmeiſſen und alles
in die groͤſte Zerruͤttung ſetzen? Was kan wol
vor ein groͤſſer Aergerniß gegeben werden als
wenn man durch ſeine naͤrriſche Phantaſie den
groſſen GOtt aus der Welt ſtoſſen und die Idee
davon, die einem ieden in die Seele tieff einge-
graben, wer es nur percipiren will, aus loͤſchen
will? Und zum andern, wenn es auch gleich nur
ein Verbrechen waͤre in Anſehung GOttes,
ſind denn hohe Landes-Obrigkeiten nicht ſchul-
dig, die Verbrechen, die die allerheiligſte Ma-
jeſtaͤt GOttes concerniren, zu beſtraffen? So

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[475/0495] ſten hinzurichten. Denn die Atheiſterey waͤ- re in Anſehung der menſchlichen Geſellſchafft kein Verbrechen, es waͤre nur eins in Anſehung GOttes. Die Atheiſten wuͤrden durch die weitlichen Straffen nicht gebeſſert, es waͤre grauſam, einen Menſchen ohne Erkaͤnntniß GOttes hin zu richten, der zu ſelbiger, wenn man mit ihm Gedult gehabt, noch vielleicht ge- kommen waͤre. Allein wenn man alle die rai- ſons vernuͤnfftig unterſucht, ſo findet man, daß ſie nicht Stich halten. Denn zum erſten, ſo iſt gantz falſch, daß die Atheiſterey in Anſehung der menſchlichen Geſellſchafft kein Verbrechen ſey. Was kan denn der Republic wohl ein groͤſſerer Schade zugefuͤget werden, als wenn ſich Leute finden, die alle Obligationes und alle Rechte uͤber den Hauffen ſchmeiſſen und alles in die groͤſte Zerruͤttung ſetzen? Was kan wol vor ein groͤſſer Aergerniß gegeben werden als wenn man durch ſeine naͤrriſche Phantaſie den groſſen GOtt aus der Welt ſtoſſen und die Idee davon, die einem ieden in die Seele tieff einge- graben, wer es nur percipiren will, aus loͤſchen will? Und zum andern, wenn es auch gleich nur ein Verbrechen waͤre in Anſehung GOttes, ſind denn hohe Landes-Obrigkeiten nicht ſchul- dig, die Verbrechen, die die allerheiligſte Ma- jeſtaͤt GOttes concerniren, zu beſtraffen? So duͤrff-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/495>, abgerufen am 22.11.2024.